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Zwei total zerstörte Sprunggelenke bei einer extrem aggressiven cP: Prothese oder Gelenkversteifung?

Frage aus der Kategorie: Fragen an die Experten
Eine Frage von Burgi aus dem Salzburger Land:

Anmerkung: Ich greife an dieser Stelle eine Frage aus dem Forum auf, da ich denke, daß sie von allgemeinem Interesse ist, und da es aus meiner Sicht ganz sinnvoll ist, wenn es über die guten Beiträge der User hinaus auch eine ärztliche Stellungnahme zu dem angeführten Problem gibt.

 

Frage:

Ich habe 2 total zerstörte Sprunggelenke und KEINEN der mir wirklich helfen kann! -Oder??

Mein großes Problem: Durch meine schlimm und aggressiv verlaufende Polyarthritis sind meine beiden Sprunggelenke kaputt geworden und ich kann meine gräßlichen Schmerzen nur mehr mit Morpium beherrschen.

Am schlimmsten betroffen ist mein rechtes Sprunggelenk, da ist das obere und das untere Gelenk beinah "zerfressen", der Knochen innen voller Zysten und absolut instabil.

Jetzt war ich schon bei so vielen Orthopäden, da ich mir nichts sehnlicher wünsche als eine Prothese - mein Weg führte mich also auch nach … ins AKH zu Prof. Prim. Dr. … - er meinte, eine Prothesenoperation in meinem Alter (bin gerade mal 30) ist zwar nicht unbedingt Routine, aber er fände es das Beste: Weil das untere Sprunggelenk durch eine Synovektomie in der Mobilität halbwegs erhalten bleiben könnte, und alle anderen Gelenke nach einer Prothesenversorgung nicht so schnell kaputt gehen würden. Weiters gab er mir aber auch Bedenken auf: Er könne mir natürlich nicht versprechen, ob die Prothese durch die "Verankerung" im schon so durch die Zysten zerstörten Knochen wirklich lange hält - länger wie 10 Jahre keinesfalls.

Also bin ich mit dieser neuen Erkenntnis zu meinem behandelnden Orthopäden marschiert: Und was glaubt ihr hat der gemeint? - Ja richtig, bloß keine Prothese, das ist der fürchterlichste Unsinn den er je gehört hat (zumindest in meinem speziellen Fall), eine Prothese in so einen zerstörten Knochen einzubauen ist glattweg das schlimmste, was man einem Patienten wie mir raten kann, die Prothese würde nie und nimmer halten!!

Ich bin mir sicher, liebe GenossInnen, Euch ist es auch mal schon so ergangen - je mehr man fragt und Meinungen einholt, desto unsicherer wird man. Zur Zeit bin ich ganz durcheinander, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll - Arthrodese (also Versteifung), oder doch die Prothese? Es geht mir ganz schlecht, weil ich ja irgendetwas wirklich tun muss, denn mit 30 ständig Morphium zu nehmen, das kanns ja nun auch nicht sein!!

Aber gerade deshalb möchte ich den einen oder die Andere von Euch bitten, mir zu antworten? - hat jemand von Euch Erfahrung mit Sprunggelenksprothesen - wenn ja, wie war das bei Euch? - Konnte man die Prothese einbauen? - Wo seid ihr operiert worden und wie war das nach der Operation?? - Und habt ihr die Prothese noch oder ist sie schon wegen Lockerung wieder entfernt worden??????

 

Meine aktuelle Medikation:

Prednisolon 20mg (Cortison) 1-0-0

Arthrotec (NSAR) 1-0-1

Omeprazol 40mg 1-0-0

Tramadol 100mg (Opiat=Schmerzmittel) 1-0-1

Fosamaxx 1 x wöchentlich

Cal -D-Vita 1-0-1

MTX (Basistherapeutikum) 25mg 1 x wöchentlich s.c.

Enbrel 25mg (Basistherapeutikum) 2 x wöchentlich s.c.

Resochin 250mg (Basistherapeutikum) 1-0-0

Folsan 5mg 1xwö einen Tag nach MTXgabe

Bei Bedarf: Oxycontin = Morphium

sowie 1 x monatlich: Zoladex s.c. (Hormon)

 

Wie ihr seht, habe ich gleich drei Basistherapeutika im Einsatz und nehme zu meinem großen Übel noch jede Menge Cortison (und das seit Beginn meiner Erkrankung im Jahr 1999). Leider hilft das oa. aber auch nicht entsprechend, um meiner grausamen pcP Herr zu werden.

Offensichtlich verläuft meine pcP etwas "anders" wie sonst üblich: Sie zerstört nämlich nicht die Gelenkinnenhaut, sondern den Knochen. Und das ist für meine behandelnden Ärzte (und ich habe eine ganze Menge von denen - in jedem Bundesland in Österreich ein paar) ebenso schwierig wie für mich.

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 2.04.2005:

Bekanntlich können, dürfen und wollen wir aus der Ferne keine Ratschläge oder Empfehlungen zu einer individuellen Diagnose oder Therapie geben.

Allgemein kann man jedoch sagen, daß die Operation einer totalen Endoprothese für das Sprunggelenk in der Tat nicht zu den Routineeingriffen in der Rheumachirurgie gehört. Es liegen auch nicht annähernd so umfangreiche Daten zur „Standzeit“ bzw. Haltbarkeit solcher Prothesen vor wie für beispielsweise das Hüftgelenk oder das Kniegelenk. Insgesamt deuten die bisherigen Erfahrungen darauf hin, daß bei der chronischen Polyarthritis (rheumatoiden Arthritis) ein künstliches Sprunggelenk im Durchschnitt nicht so lange hält wie eine  künstliche Hüfte oder ein künstliches Knie. Hauptproblem sind Prothesenlockerungen, die bei der Sprunggelenksendoprothese häufiger vorkommen als bei der Knie- oder Hüft-Endoprothese.

Geht man, wie von dem angesprochenen Prof. genannt, von einer mittleren Haltbarkeit von (im günstigsten Fall) 10 Jahren aus, bedeutet dies, daß spätestens im Lebensalter von 40 Jahren eine Zweitoperation nötig wird. Je nach Verlauf und nach Lage der Dinge ist dann oft ein Prothesenwechsel und der Einbau einer neuen Prothese nicht möglich, sondern nur noch eine Gelenkversteifung (Arthrodese). Wenn eine Prothesenlockerung oder andere Probleme früher auftreten, ist in der Regel die Arthrodese schon zu diesem früheren Zeitpunkt die oft einzige Behandlungsmöglichkeit.

Diese bisherigen Erfahrungen bilden den Hintergrund für die Überlegung, gerade bei jüngeren Menschen tendenziell eher nicht eine Sprunggelenksendoprothese einzubauen, sondern gleich eine Gelenkversteifung durchzuführen (obwohl dies eigentlich auf den ersten Blick unsinnig klingen mag, da man vermuten würde, daß man gerade bei jüngeren Menschen so viel Gelenkmobilität wie möglich erhalten möchte).

Die Arthrodese bietet daneben den Vorteil, daß man bei ihr eine Fehlstellung im Sprunggelenksbereich, die sehr häufig mit einer solchen totalen Gelenkzerstörung einhergeht, weitaus besser ausgleichen kann als bei einer Prothesenoperation, bei der auch gewisse Korrekturmöglichkeiten gegeben sind, nicht aber in dem Umfang, wie dies bei einer Gelenkversteifung möglich ist.

Ein operationstechnisches Problem bei der Sprunggelenks-Prothese ist die schwierige biomechanische Situation, speziell, daß das Sprunggelenk – anders als beispielsweise die Hüfte – kein stark muskulär geführtes Gelenk ist und praktisch die gesamten Kräfte, die auf dieses hochbelastete gewichtstragende Gelenk einwirken, von der Prothese aufgenommen und umgesetzt werden müssen. Dies setzt eine gewisse Knochenqualität in dem Bereich voraus, in dem die Prothese verankert werden muß. Wenn dieser Bereich durch entzündliche Veränderungen oder andere Ursachen, z.B. eine Osteoporose oder durch zystische Veränderungen, stark in seiner Knochenqualität beeinträchtigt ist, ist dies nicht in jedem Fall ein Argument gegen die Prothese, da es auch hierfür Lösungen geben kann, aber durchaus ein Gesichtspunkt, der dann in Zusammenschau aller Befunde letztendlich gegen die Prothese und für eine Arthrodese sprechen kann (da es durch die zystischen Veränderungen möglicherweise erhebliche Probleme mit der Verankerung der Prothese im Knochen geben kann). Was hier im Einzelfall die richtige Entscheidung ist, kann nur der Operateur selber in Kenntnis des genauen Befundes und auch auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrungen mit einer solchen Operation beurteilen. Generell gilt hier sicherlich, daß ein Operateur das Für und Wider einer solchen Operation je besser abwägen kann, je häufiger er selber schon solche Operationen bei einer rheumatoiden Arthritis durchgeführt hat.

Ich schreibe dies so ausführlich, um darzustellen, daß es sowohl für den Vorschlag des Primarius, der sich ganz offensichtlich umfangreiche Gedanken dazu gemacht hat und auch die Nachteile und Probleme angesprochen hat, als auch für die Position des behandelnden Orthopäden vor Ort (wenn man den Kommentar des „fürchterlichsten Unsinns“ einmal außen vor läßt) Argumente gibt.

Ein ganz anderer Gesichtspunkt, sofern man hierzu aus der Ferne überhaupt etwas sagen darf und auf die Gefahr hin, daß dies vermessen klingen mag: Wie gesichert ist überhaupt die Diagnose der rheumatoiden Arthritis? Hintergrund dieser Frage ist die Bemerkung, daß in erster Linie nicht die Gelenke betroffen seien, sondern der Knochen, und sich im Knochen sehr viele Zysten befänden. Dies gibt es natürlich auch bei einer chronischen Polyarthritis (wofür man dann in der rheumatologischen Literatur sogar die Spezialform einer zystisch verlaufenden cP erfunden hat). Andererseits bin ich als Beiratsmitglied der Sarkoidose-Vereinigung immer hellhörig, wenn ich eine anders verlaufende chronische Polyarthritis vor Augen habe, bei der sich viele Zysten in den Gelenken finden, und die offensichtlich auf eine sonst bei einer cP außerordentlich wirksamen Therapie einschließlich TNF-alpha-Blockern irgendwie nicht so überzeugend therapeutisch anspricht, wie man es eigentlich angesichts dieser Behandlung erwarten würde. Vermutlich ist von den zahlreichen behandelnden Ärzten in der Vergangenheit schon an die Möglichkeit einer Sarkoidose gedacht worden und ggf. eine entsprechende Diagnostik gemacht worden. Ansonsten: Wenn auch noch das Gelenkbefallsmuster nicht ganz typisch für eine rheumatoide Arthritis ist, sollte man diesen Gedanken (an eine Knochen- und/oder Gelenkbeteiligung bei einer chronischen Sarkoidose) nicht aus den Augen verlieren, da dies u.U. auch für die laufende medikamentöse Behandlung  wesentliche therapeutische Konsequenzen haben könnte.

 

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