Sie sind hier: rheuma-online » Archiv » Fragen und Antworten

Fragen und Antworten

Eine Frage von Elisabeth T.:

Können Sie mir Informationen zu Behandlungsmethoden, Selbsthilfegruppen, behandelnden Ärzten usw. zur Krankheit Churg-Strauss-Syndrom geben?

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.01.2002:

 

Das Churg-Strauss-Syndrom ist eine relativ seltene Erkrankung aus der Gruppe der sogenannten nekrotisierenden Vaskulitiden (siehe die entsprechenden Stichworte in Rheuma von A-Z).

Grundbedingung ist ein vorbestehendes, in der Regel bereits länger bestehendes Asthma bronchiale. Durch einen derzeit noch nicht bekannten Auslöser kommt es dann zu einer Entzündung der Gefäße ("Vaskulitis"), die zu einer Verschlechterung der Durchblutung in den durch sie versorgten Geweben führt, z.T. sogar zum völligen Verschluß dieser Gefäße und der resultierenden Ausbildung von Infarkten in den nachgeschalteten Organbezirken.

Typisch für das Churg-Strauss-Syndrom ist eine sogenannte Eosinophilie im Blutbild (eine in der Regel sehr starke Erhöhung von eosinophilen weißen Blutkörperchen). Bei einem Teil der Patienten lassen sich zudem im Blut ANCA nachweisen (anti-Neutrophilen-cytoplasmatische Antikörper; Antikörper gegen Bestandteile einer anderen Gruppe von weißen Blutkörperchen, den sogenannten neutrophilen Granulozyten).

Weitere Krankheitszeichen sind Beteiligungen einzelner oder mehrerer Nerven in der Folge der Durchblutungsstörung von kleinen Gefäßen, die diese Nerven versorgen (Mononeuritis multiplex oder Polyneuropathie vom entzündlichen Typ), Veränderungen im Röntgenbild der Lunge, die entweder wie Lungeninfarkte oder wie eine Lungenentzündung aussehen (pulmonale Infiltrate), Entzündungen der Nebenhöhlen (Sinusitis / Sinusitiden, speziell der Nasennebenhöhlen) und typische Veränderungen in Gewebsproben, die man feingeweblich mit dem Mikroskop untersucht (?Histologie?: Dabei sieht man im Gewebe außerhalb der Gefäße eine dichte Ansammlung der bereits genannten eosinophilen Granulozyten).

Die Diagnosekriterien des Churg-Strauss-Syndroms sind nach den Empfehlungen des American College of Rheumatology (die wissenschaftliche Fachgesellschaft der US-amerikanischen Rheumatologen):

1. Asthmatische Beschwerden in der Anamnese oder diffuse feinblasige exspiratorische Rasselgeräusche über der Lunge

2. Eosinophilie von mehr als 10% im Differentialblutbild

3. Mononeuropathie, Mononeuropathie multiplex oder Polyneuropathie mit einer systemischen Vaskulitis assoziiert

4. Wandernde oder vorübergehende radiologisch nachweisbare pulmonale Infiltrationen mit einer systemischen Vaskulitis assoziiert

5. Akute oder chronisch-rezidivierende Sinusitiden der Nasennebenhöhlen oder radiologische Veränderungen im Snne einer chronischen Sinusitis

6. Bioptische Sicherung einer Vaskulitis mit dem Nachweis einer eosinophilen Infiltration im extravaskulären Gewebe

Bewertung: Das Vorliegen von mindestens vier dieser sechs Kriterien macht das Vorliegen eines Churg-Strauss-Syndroms wahrscheinlich.

Masi et al: The American College fo Rheumatology, 1990 Criteria for the classification of Churg-Strauss syndrome, Arthritis Rheum. 33: 1094-1100, 1990

Das Churg-Strauss-Syndrom spricht in der Regel gut auf eine Behandlung mit Cortison an, das allerdings am Anfang hoch dosiert werden muß. Wenn Cortison alleine nicht ausreicht bzw. auch wenn abzusehen ist, dass für eine längere Zeit eine vergleichsweise hohe Cortisondosis mit den entsprechenden Nebenwirkungen nötig ist, werden zusätzlich zum Cortison Medikamete aus der Gruppe der sogenannten remissionsinduzierenden Substanzen eingesetzt (in der Regel Immunsuppressiva, standardmäßig Cyclophosphamid; z.T. gibt es auch Publikationen zum Einsatz von Azathioprin, Ciclosporin sowie hochdosierten Immunglobulinen). Dies gilt auch für schwerere Organbeteiligungen.

Die Prognose des Churg-Strauss-Syndroms ist im Vergleich zu anderen nekrotisierenden Vaskulitiden gut. In einer kürzlich veröffentlichten Studie (Stand: Dezember 2001) aus Barcelona wurden 32 Patienten nachverfolgt, die in den Jahren von 1977 bis 1999 mit einem gesicherten Churg-Strauss-Syndrom in der Abteilung für Innere Medizin des Allgemeinen Krankenhauses behandelt wurden. Definitionsgemäß hatten alle Patienten Asthma und eine Eosinophilie. Daneben zeigte sich eine hauptsächliche Beteiligung der Lungen, der Haut und des peripheren Nervensystems. ANCA waren bei 77,8% der Patienten nachweisbar (Untergruppe: MPO-Antikörper = Antikörper gegen Myeloperoxidase). In Gewebsproben (Biopsien) wurden nur selten Granulome außerhalb von Gefäßen beobachtet. 40% der Patienten konnten mit Cortison allein behandelt werden, bei den restlichen wurde eine zusätzliche Therapie mit Immunsuppressiva notwendig. Immunsuppressiva wurden in erster Linie bei schweren neurologischen, kardialen oder gastrointestinalen Manifestationen eingesetzt, d.h. bei einer Beteiligung des Nervensystems, des Herzens oder des Magen-Darmtraktes. Die Behandlungserfolge waren auch auf Dauer gut. Nach dem ersten Jahr der Therapie waren Rückfälle selten. Auch auf Dauer zeigte sich im Vergleich zu anderen nekrotisierenden Vaskulitiden eine nur niedrige Sterblichkeitsrate (Churg-Strauss syndrome: outcome and long-term follow-up of 32 patients. Solans R, Bosch JA, Perez-Bocanegra C, Selva A, Huguet P, Alijotas J, Orriols R, Armadans L, Vilardell M., Rheumatology (Oxford) 2001 Jul;40(7):763-71).

In einer Studie von Guillevin et al. (Guillevin L, Cohen P, Gayraud M, Jarrousse B, Casassus P: Churg Strauss syndrome: Clinical study and long term follow-up of 96 patients.Medicine 78:26 -37, 1999) betrug die 6.5-Jahres-Überlebensrate of 72%. Eine initiale klinische Remission konnte bei 91% der Patienten erzielt werden. Im Verlauf kam es bei 22 der 96 Patienten zu insgesamt 28 Rückfällen, denen meistens eine Erhöhung der Eosinophilenzahl im Blutbild vorausging. Nur 3 Patienten erlitten mehrere Rückfälle. 17 der 22 Patienten mit Rückfällen konnten erfolgreich durch eine Intensivierung der immunsuppressiven Therapie behandelt werden. Allerdings sprachen leider 4 Patienten auf diese intensivierte Behandlung nicht an und verstarben.

Spezialisiert auf die Diagnostik und Behandlung von nekrotisierenden Vaskulitiden sind internistische Rheumatologen.

Spezielle Zentren in Deutschland, die sich auch wissenschaftlich intensiv mit Vaskulitiden beschäftigen, sind insbesondere die Kliniken in Bad Bramstedt / Abteilung Rheumatologie der Medizinischen Universität Lübeck (Direktor/Chefarzt Prof. Dr. med. W.L. Gross),hier werden nach eigenen Angaben jährlich mehr als 1.000 Vaskulitis-Patienten betreut, und die Abteilung Rheumatologie der Universitätsklinik Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. med. H. Peter), um die beiden wichtigsten Abteilungen zu nennen (ich hoffe, daß ich keine weitere wichtige Abteilung vergessen habe, ich bitte in diesem Fall jetzt schon um Entschuldigung und gleichzeitig um eine entsprechende Mail, daß ich das dann ergänzen und "reparieren" kann.

Eine Vaskulitis-Selbsthilfegruppe wurde von der Rheumatologischen Abteilung in der Rheumaklnik Bad Bramstedt initiiert: Vaskulitis-Patienten-Selbsthilfegruppe VPS:Der bundesweite Zusammenschluß von Vaskulitis-Patienten unter dem Dach der Rheuma-Liga.

Liste der Ansprechpartner durch die Deutsche Rheuma-Liga Schleswig-Holstein e.V., Melanchtonstr. 31, 24114 Kiel

Tel. 0431/61777, Fax 0431/671977

In Bad Bramstedt wurde auch ein spezielles Schulungsprogramm für Vaskulitis-Patienten erarbeitet, das jetzt kürzlich auf einer Veranstaltung des Kompetenznetzwerkes Rheuma in Hamburg vorgestellt wurde.

In diesem Schulungsprogramm lernen die Patienten zum Beispiel, woran man selber die Zeichen einer akuten Vaskulitis erkennt, vor allem auch Anzeichen für Rückfälle, mit denen auch nach einer anfangs erfolgreichen Therapie bei über der Hälfte zu rechnen ist. Da diese Rückfälle meist nicht "aus heiterem Himmel" auftreten und umso besser behandelt werden können, je früher sie erkannt werden, ist eine solche Frühdiagnostik unter Mitwirkung der Patienten besonders wichtig. Dies hilft, mögliche gefährliche und vielleicht sogar lebensbedrohliche Schübe zu verhindern.

Beispiele für solche Frühzeichen, die in dem Schulungsprogramm ausführlich besprochen werden: Ein rotes Auge, punktförmige Hautausschläge, der Nachweis von Blut im Urin (z.B. mit einem einfachen Streifentest) oder auch ein Grippegefühl (bei dem es allerdings schwierig ist, eine "normale" Grippe von einem Vaskulitis-Schub abzugrenzen. Die Patienten lernen, bei solchen Symptomen sofort ihren Arzt aufzusuchen, im optimalen Fall ihren behandelnden internistischen Rheumatologen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Patientenschulung ist das frühzeitige Erkennen von unerwünschten Nebenwirkungen der Behandlung, insbesondere von Komplikationen der Therapie. Da Vaskulitiden, vor allem nekrotisierende Vaskulitiden, oft sehr gefährliche, z.T. sogar lebensbedrohliche Erkrankungen sind, müssen die Patienten häufig zu Beginn der Therapie mit sehr starken Medikamenten behandelt werden. Eine solche "aggressive" Therapie bringt natürlich die Gefahr von möglichen Nebenwirkungen mit sich, vor allem von Blutbildveränderungen (verringerte Zahl der weißen Blutkörperchen durch die Medikamente, die die überschießende Immunantwort unterdrücken sollen), resultierender Abwehrschwäche und der Gefahr von Infektionen.

In weiteren Abschnitten des Schulungsprogramms erfahren die Patietnen etwas über die Ernährung bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen, diskutieren Krankheitsbewältigungsstrategien bei Vaskulitis und lernen Grundregeln für eine gezielte unterstützende Bewegungstherapie.

Weitere Infos zu dem Schulungsprogramm erhält man unter der Telefonnummer:

Tel.: 04192 / 90 27 42

Ein sehr guter Review-Artikel (allerdings in Englisch):

www.jasn.org/cgi/content/full/10/9/2048

Zur Frage unterschiedlicher Therapieprotokolle eine aktuelle Arbeit aus Frankreich (bei der allerdings nicht zwischen Panarteriitis nodosa, M. Wegener und Churg-Strauss-Syndrom unterschieden wird):

Arthritis Rheum 2001 Mar;44(3):666-75

Comment in:

· Arthritis Rheum. 2001 Mar;44(3):508-12. UI: 21161175

· Arthritis Rheum. 2001 Mar;44(3):608-17. UI: 21161187

Long-term followup of polyarteritis nodosa, microscopic polyangiitis, and Churg-Strauss syndrome: analysis of four prospective trials including 278 patients.

Gayraud M, Guillevin L, le Toumelin P, Cohen P, Lhote F, Casassus P, Jarrousse B; French Vasculitis Study Group.

H pital Avicenne, Bobigny, France.

OBJECTIVE: To determine the long-term outcome of patients with polyarteritis nodosa (PAN), microscopic polyangiitis (MPA), and Churg-Strauss syndrome (CSS), to compare the long-term outcome with the overall French population, to evaluate the impact on outcome of the type of vasculitis, prognostic factors, and treatments administered at diagnosis, and to analyze treatment side effects and sequelae. METHODS: Data from PAN, MPA, and CSS patients (n = 278) who were enrolled between 1980 and 1993 were collected in 1996 and 1997 and analyzed. Two prognostic scoring systems, the Five-Factors Score (FFS) and the Birmingham Vasculitis Activity Score (BVAS), were used to evaluate all patients at the time of diagnosis. RESULTS: The mean (+/- SD) followup of the entire population was 88.3 +/- 51.9 months (range 3 days to 192 months). Of the 85 deaths recorded, at least 41 were due to progressive vasculitis or its consequences. Death rates reflected disease severity, as assessed by the FFS (P = 0.004) and the BVAS (P < 0.0002), and the 2 scores were correlated (r = 0.69). Relapses, rarer in hepatitis B virus (HBV)-related PAN (7.9%) than in MPA (34.5%) (P = 0.004), occurred in 56 patients (20.1%) and did not reflect disease severity. Survival curves were similar for the subpopulation of 215 patients with CSS, MPA, and non-HBV-related PAN who were given first-line corticosteroids (CS) with or without cyclophosphamide (CYC). However, CS with CYC therapy significantly prolonged survival for patients with FFS scores > or =2 (P = 0.041). Relapse rates were similar regardless of the treatment regimen; only patients treated with CS alone had uncontrolled disease. CYC was associated with a greater frequency of side effects (P < 0.00001). CONCLUSION: Rates of mortality due to PAN (related or unrelated to HBV), MPA, and CSS reflected disease severity and were higher than the mortality rate in the general population (P < 0.0004). Rates of relapse, more common in MPA than HBV-related PAN patients, did not reflect disease severity. Survival rates were better among the more severely ill patients who had received first-line CYC. Based on these findings, we recommend that the intensity of the initial treatment be consistent with the severity of the disease. The use of the FFS and BVAS scores improved the ability to evaluate the therapeutic response.

Publication Types:

· Clinical Trial

· Multicenter Study

· Randomized Controlled Trial

PMID: 11263782 [PubMed - indexed for MEDLINE]

 

Copyright © 1997-2024 rheuma-online
rheuma-online Österreich
 
Alle Texte und Beiträge in rheuma-online wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind jedoch vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jegliche Haftungsansprüche, insbesondere auch solche, die sich aus den Angaben zu Krankheitsbildern, Diagnosen und Therapien ergeben könnten, sind ausgeschlossen.