Effektive Behandlungsstrategien der rheumatoiden Arthritis heute - ein Überblick

Die Möglichkeiten und Ziele in der Therapie der rheumatoiden Arthritis haben in den letzten Jahren einen enormen Wandel vollzogen. Neue Medikamente, ein frühzeitiger aggressiver Therapiebeginn und ein besseres Verständnis für die Entstehungswege der rheumatoiden Arthritis haben es Patienten und Ärzten ermöglicht, ihre Erwartungen an eine erfolgreiche Behandlung hoch an zu setzen.

(Sonntag, 30.05.2004, Dr. med. Gabriele Moultrie)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

 

Professor FC Breedveld von der niederländischen Universität in Leiden veröffentlichte aktuell in Zusammenarbeit mit Professor JR Kalden von der Universitätsklinik in Erlangen eine ausführliche Stellungnahme zum derzeitigen Wissenstand über Entstehungsmechanismen und Behandlungsmöglichkeiten und Therapieziele der rheumatoiden Arthritis (RA).

Der folgende Beitrag stellt eine Zusammenfassung wichtiger Aspekte dieser übersichtlichen und ausführlichen Stellungnahme dar.

Ökonomische Aspekte der rheumatoiden Arthritis:

Zunächst beleuchtet Breedveld das ökonomische Ausmaß der rheumatoiden Arthritis. Neben den direkten Kosten für das Gesundheitswesen fallen erhebliche indirekte Kosten durch Einbuße der Arbeitsfähigkeit an. Wie Daten einer amerikanischen Studie von Fries et al. zeigten, entstehen über 50% der Gesamtkosten durch Krankenhausaufenthalte. Allerdings sind es lediglich 10% der RA-Patienten, die eine Krankenhausbehandlung benötigen und in Anspruch nehmen.

Fries kommt zu dem Schluß, dass Einsparungen im Bereich der stationären Versorgung von der nur sehr wenige Patienten profitieren, zu einer breiteren Versorgung aller RA-Patienten führen könnte.

Neue Einsichten in den Entstehungsmechanismus der rheumatoiden

Arthritis

Für die Entstehung einer rheumatoiden Arthritis ist das Zusammentreffen einer erblichen Bereitschaft mit einem bisher unbekannten Triggerfaktor notwendig. Dieser Triggerfaktor setzt die Entzündungsprozesse in Gang setzt. Da man diesen Triggerfaktor bisher nicht kennt, zielen die derzeitigen Therapien darauf ab, die in Gang gesetzten Entzündungsprozesse zu stoppen.

So existiert eine ganze Reihe von Angriffspunkten, die neu entwickelte Medikamente zum Ziel haben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Blockade der T-Zell Aktivierung interessant, denn aktivierte T-Zellen, sind sozusagen der Motor der Entzündungsprozesse bei der rheumatoiden Arthritis.

Ein Wirkstoff mit dem komplizierten Namen `Cytotoxic lymphocyte antigen-4´ oder kurz `CTLA-4´ zählt zu einem derartigen Hoffnungsträger und befindet sich im Stadium klinischer Studien.

Obwohl die rheumatoide Arthritis überwiegend eine Erkrankung ist, die durch T-Zellen angetrieben wird, scheint auch die Blockierung oder Unterdrückung der B-Zellreihe erfolgsversprechend. Im Erprobung ist der monoklonale Antikörper `Rituximab´, der aus der Therapie des Morbus Hodgkin bekannt ist und sich gegen das CD 20 Antigen der B-Zellen richtet.

Revolutionär in der Therapie der rheumatoide Arthritis ist der Einsatz von Tumor Nekrose Faktor-Blockern. Der Tumor Nekrose Faktor (TNF) spielt nämlich eine wichtige Rolle in der Entzündungskette rheumatischer Erkrankungen. Durch die Hemmung des TNF wird das Entstehen einer ganzen Kette entzündungsfördernder Zellbotenstoffe unterbunden. Der TNF kann entweder durch spezielle Antikörper wie Infliximab (z.B. Remicade) oder Adalimumab (Humira) oder durch eine Blockade des Rezeptors wie durch Etanercept (Enbrel) gehemmt werden.

Eine andere Möglichkeit in die Entzündungskette ein zu dringen ist durch die Blockade des Interleukin-1 Rezeptors durch Anakinra (Kineret) gegeben. An weiteren Medikamenten, die den Entzündungsprozess auf unterschiedliche Weise auf der Ebene der Zellbotenstoffe wie TNF oder Interleukin unterbinden, wird gearbeitet.

Frühzeitige und aggressive Therapie der rheumatoiden Arthritis

Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Einsatz von Basismedikamenten aus Furcht vor Nebenwirkungen eher auf spätere Krankheitsstadien vertagt. Neuere Studien belegen aber eindeutig, dass der frühzeitige Einsatz der effektivsten Basismedikamente zum besten Behandlungsergebnis führt. Der Therapiebeginn soll möglichst vor dem Eintritt bleibender Schäden am Gelenk stattfinden. Der Einsatz eines oder mehrerer hochwirksamer Medikamente erfordert eine engmaschige Patientenkontrolle, um Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Zwei Drittel der europäischen Rheumatologen sehen den optimalen Zeitpunkt für den Beginn der Basistherapie bereits bei einer Krankheitsdauer von 3 Monaten oder darunter. In der Realität läßt sich diese Ziel zur Zeit noch kaum umsetzen, da die Rheumatologen die Mehrzahl der Patienten erst nach 6 bis 12 Monaten zu Gesicht bekommen. Man weiß, dass über 60% der RA- Patienten bereits nach einem Jahr Defekte im Knorpel (Erosionen) aufweisen.

Für ein optimales Langzeitergebnis ist die frühzeitige Therapie erforderlich. Auf Grund der überzeugenden Studienergebnisse von Emery et al. schlagen die Wissenschaftler vor, Patienten bereits bei einem klinischen Verdacht zum Rheumatologen zu überweisen. Emery nennt drei Hauptkriterien, bei deren Vorhandensein dringend an den Beginn einer rheumatoiden Arthritis gedacht werden muß:

1) Morgensteifigkeit über 30 Minuten

2) Drei oder mehrere geschwollene Gelenke

3) Druckschmerz der Zehen oder Fingermittelgelenke

Dass nicht nur der frühzeitige Therapiebeginn sondern auch ein aggressives Vorgehen zu Beginn der Erkrankung von Vorteil für den Krankheitsverlauf sind, ist ebenfalls in eine Reihe von Studien belegt. Der Einsatz von mehreren Medikamenten zu Beginn, die dann in einer sogenannten `Step-down Therapie´ wieder reduziert werden, ist bei schweren Krankheitsverläufen der zögerlichen Therapie mit nur einem Medikament überlegen (Ergebnis der COBRA-Studie).

Studien belegen ebenfalls die günstigen Effekte eines frühzeitigen Einsatzes von TNF-Blockern. Über eine prompte Besserung der Krankheitssymptome kommt es auch zu einer wirkungsvollen Hemmung der radiologisch nachweisbaren Gelenkdefekte.

Das sogenannte `window of opprortunity´ oder zu deutsch `Fenster der (therapeutischen) Möglichkeiten´ scheint in den ersten drei Erkrankungsmonaten zu existieren. In diesem Zeitraum kann der spätere Krankheitsverlauf durch eine konsequente Therapie wirkungsvoller als zu einem späteren Zeitpunkt beeinflußt werden.

Traditionelle Basismedikamente und die Rolle biologischer Therapien

Üblicherweise wurden Basismedikamente als Einzelmedikament oder in Kombinationen eingesetzt. In der Monotherapie wird mit einem Medikament begonnen, das dann bei Unverträglichkeit oder Wirkungslosigkeit gegen ein anderes ausgetauscht wird. Zu den gängigsten Präparaten zählen Chloroquin, Sulfasalazin und Methotrexat.

In der Kombinationstherapie lassen sich drei Wege beschreiten: Entweder werden zu Beginn zwei oder mehrere Basismedikament eingesetzt und kontinuierlich in dieser Form fortgeführt. Oder man verfolgt den sogenannten `Step-up´ Weg, das heißt man beginnt mit einem Basismedikament und fügt bei Bedarf weitere Medikamente hinzu. Die dritte Möglichkeit ist dementsprechend der `step-down´ Weg. Hier beginnt die Therapie mit mehreren Basismedikamenten. Nach Erreichen der Therapieziele werden nacheinander die nebenwirkungsreichsten Medikamente weggelassen. Welcher Weg der richtige ist, ist derzeit noch nicht eindeutig geklärt.

Grenzen der herkömmlichen Basismedikamente

Die herkömmlichen Basismedikamente haben ihre Grenzen. Zum einen ist der Wirkungseintritt relativ spät. Mitunter dauert es bis zu 6 Monaten, bis man beurteilen kann, ob eine Basistherapie anschlägt oder nicht. Zum anderen kann es zu ernsthaften Nebenwirkungen und Interaktionen zwischen Medikamenten kommen. Eine engmaschige Kontrolle der Blutwerte ist daher notwendig.

Ein weiteres Manko ist, dass einige Basismedikamente keinen Einfluß auf die Zerstörungsprozesse am Gelenk haben. Außerdem verlieren einige in der Langzeittherapie ihre ursprüngliche Wirksamkeit. Ein weiterer Minuspunkt ist sicherlich auch, dass es unter den üblichen Basismedikamenten nur sehr selten zu einer Remission (Beschwerdefreiheit) ohne Medikamente kommt.

Biologische Basismedikamente sprengen die Grenzen

1998 wurde der erste Tumor Nekrose Faktor-Blocker (TNF-Blocker) zur Therapie der rheumatoiden Arthritis zugelassen. Mehrere Studien belegen die hervorragende Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit. Sowohl in der Einzeltherapie als auch in Kombination mit Methotrexat überzeugen die TNF-Blocker durch raschen Wirkungseintritt oft schon ein bis zwei Wochen nach Therapiebeginn.

Auch über die Langzeitwirkung liegen ermutigende Daten vor. Anhaltende Erfolge über 4-5 Jahre existieren sowohl für Etanercept als auch für Adalimumab.

Für alle drei bisher für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassenen TNF-Blocker liegen eindeutige Studien vor, die belegen, dass das Fortschreiten des radiologisch nachweisbaren Gelenkschadens aufgehalten wird.

Nebenwirkungen treten unter TNF-Blockern selten auf, sind dann aber oft schwerwiegend. Ganz vorne sind ernsthafte Infektionserkrankungen zu nennen, seltener sind neurologische Probleme, Herzinsuffizienz und eine Lupus-ähnliches Krankheitsbild. Das Auftreten von Autoantikörpern unter Therapie mit TNF-Blockern ist nichts ungewöhnliches.

Leitlinien und Therapieziel der Therapie der rheumatoiden Arthritis heute

Internationale Leitlinien und Komitees sind aus mehreren Gründen äußerst wichtig. Durch sie wird die Vorgehensweise in der Behandlung und das Therapieziel festgelegt. Wirkung und Nebenwirkung der Medikamente werden dokumentiert und Kosten-Nutzen Analysen werden aufgestellt.

So sehen die Leitlinien aus dem Jahr 2002 den Einsatz der TNF-Blocker wie folgt: Eine Therapie mit einem TNF-Blocker sollte dann begonnen werden, wenn zuvor eine adäquate Basistherapie - unter anderem mit Methotrexat - wirkungslos blieb. Der TNF-Blocker kann zur laufenden Basistherapie ergänzt werden oder andere Basismedikamente ersetzen. Bei Kontraindikationen gegen andere Basismedikamente kann direkt mit einem TNF-Blocker begonnen werden. Innerhalb der ersten drei Behandlungsmonate muß eine nachweisbare Besserung der RA aufgetreten sein, anderenfalls sollte die Therapie zu Gunsten eines neuen Therapieregimes beendet werden.

Wie oben erwähnt, hat sich die Therapieempfehlung bis heute gewandelt. Bei sehr aggressiven Krankheitsverläufen wird der frühe Einsatz der TNF-Blocker bevorzugt. Empfohlen wird auch, selbst Patienten mit einer milden Krankheitsaktivität mit einer Basistherapie zu behandeln. Eine alleinige Behandlung mit cortisonfreien Rheumamitteln ist unzureichend.

Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich sagen, dass es in den letzten Jahren zu einem enormen Wandel in der Therapie der rheumatoiden Arthritis kam. Es stehen moderne Möglichkeiten zur Verfügung, eine rheumatoide Arthritis mit Hilfe von speziellen Laborwerten und bildgebenden Verfahren frühzeitig zu entdecken und die Krankheitsaktivität ab zu schätzen.

Durch gezielten frühzeitigen Einsatz der vorhanden Basismedikamente und der neuen biologischen Therapeutika liegt das Therapieziel nicht nur darin, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, sondern darüberhinaus eine komplette Symptomfreiheit oder gar eine Heilung der rheumatoiden Arthritis zu bewirken.

Literatur: 1) F C Breedveld1 and J R Kalden2, 1 Department of Rheumatology, Leiden University Medical Centre, Leiden, The Netherlands2 Department of Internal Medicine III, Friedrich-Alexander University, Erlangen, Germany ,Appropriate and effective management of rheumatoid arthritis

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