Erst Rheumafaktor im Blut, dann Jahre später rheumatoide Arthritis: Ein positiver Nachweis von Rheumafaktoren oder anti-CCP bei "Gesunden" ist ernster zu nehmen, als man bislang dachte

Gesunde Menschen, bei denen ein positiver IgM Rheumafaktor oder ein Antikörper gegen cyclisches citrulliniertes Peptid (anti-CCP) nachgewiesen wurde, tragen ein hohes Risiko, eine rheumatoide Arthritis zu entwickeln. Oft geht der positive Nachweis dieser Autoantikörper den ersten typischen Symptomen der Erkrankung Jahre voraus.

(Sonntag, 07.03.2004, Dr. med. Gabriele Moultrie / Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

Im Rahmen einer holländischen Studie wurde untersucht, in welcher Häufigkeit gesunde Menschen, bei denen ein positiver IgM-Rheumafaktor (IgM-RF) oder ein anti-CCP-Antikörper (Antikörper gegen cyclisches citrulliniertes Peptid, anti-CCP) im Blut nachgewiesen wurde, im weiteren Verlauf eine rheumatoide Arthritis entwickelten.

An der Studie nahmen 79 Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis teil, die vor Ausbruch ihrer Erkrankung Blutspender waren. Die Wissenschaftler untersuchten nun das tiefgefrorene Blut dieser Patienten aus `gesunden Zeiten´. Sie bestimmten den IgM-Rheumafaktor und den anti-CCP-Antikörper, d.h. zwei Blutmarker, die sehr spezifisch für das Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis sind.

Im Durchschnitt lagen 13 Blutproben pro Patient vor, die über einen mittleren Zeitraum von 7.5 Jahren (Meßbreite zwischen 0.1 und 14 Jahren) gesammelt wurden.

Es zeigte sich, dass bei nahezu der Hälfte der Patienten bereits schon durchschnittlich 4.5 Jahre vor dem ersten Auftreten rheumatischer Beschwerden mindestens einer der beiden Blutmarker (IgM-RF oder Anti-CCP) nachweisbar war. Zur Kontrolle wurden auch Blutproben von Gesunden untersucht, die im Verlauf nicht an einer rheumatoiden Arthritis erkrankt waren. Bei diesen Kontrollpersonen ließ sich nur in 1.1% der IgM-RF und in 0.6% das anti-CCP nachweisen.

An Hand dieser Studienergebnisse sieht man, dass nahezu die Hälfte der Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis schon lange vor ihren ersten Symptomen entsprechende Blutmarker aufweisen.

Oder anders herum: Gesunde, bei denen ein IgM-Rheumafaktors oder anti-CCP nachgewiesen wurde, tragen ein sehr hohes Risiko, in ihrem Leben eine rheumatoide Arthritis zu entwickeln.

Anmerkung von Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer:

Eine unglaublich wichtige Arbeit, da es doch so oft heißt, ein positiver Rheumafaktornachweis bei Gesunden sei normal. Ist er eben nicht. Ein weiteres Argument, solche Patienten in dem Augenblick, in dem sie typische Symptome entwickeln, bereits zu diesem Zeitpunkt mit der Diagnose einer möglicherweise beginnenden rheumatoiden Arthritis zu versehen und sie auch sehr früh zu therapieren.

Oder, um es anders zu formulieren:

Eine weitere wichtige Erkenntnis aus dieser Studie ist, daß wir bei der Beurteilung eines positiven Rheumafaktornachweises im Serum noch stärker umdenken müssen, als dies bei vielen Rheumatologen bislang schon der Fall war.

Häufig wird nämlich immer noch bei Patienten mit zunächst noch unklaren Gelenkbeschwerden oder auch anderen Symptomen im Bereich des Bewegungssystems ein gleichzeitig positiver Rheumafaktornachweis im Serum mit der Bemerkung abgetan, ein positiver Rheumafaktor im Blut käme auch bei Gesunden vor und man müsse nichts unternehmen. Solche Aussagen waren schon in der Vergangenheit als sehr problematisch zu bewerten, da eben die Kombination von Beschwerden im Bereich des Bewegungssystems mit einem positiven Rheumafaktornachweis im Serum doch nicht etwas ganz Normales ist und gerade bei jungen Menschen und Menschen im mittleren Lebensalter immer auch an die Möglichkeit einer beginnenden seropositiven rheumatoiden Arthritis / chronischen Polyarthritis denken lassen sollte.

Vor dem Hintergrund, daß immer mehr Studien auf die Bedeutung einer möglichst frühzeitigen, wirksamen antirheumatischen Therapie mit krankheitsmodifizierenden Substanzen hinweisen, gewinnt eine solche Verharmlosung des Rheumafaktor-Nachweises im Blut eine ganz andere und für den Patienten möglicherweise erheblich nachteilige Dimension.

Umso mehr dürfte dies für den anti-CCP-Nachweis gelten, der offensichtlich nach den Studienergebnissen der vorliegenden Studie bei Gesunden noch seltener anzutreffen ist als der Rheumafaktor und der andererseits eine noch höhere Spezifität für die rheumatoide Arthritis besitzt, d.h. noch genauer auf diese Erkrankung hinweist.

Für die Praxis sollte man die Botschaft aus der holländischen Studie mit nach Hause nehmen, daß der positive Nachweis von Rheumafaktoren im Blut in Verbindung mit passenden klinischen Symptomen hochverdächtig auf eine beginnende rheumatoide Arthritis ist und sehr intensiv zu der Überlegung veranlassen sollte, schon zu einem sehr frühen, optimalen Zeitpunkt mit einer gezielten Therapie zu beginnen. Dies gilt vermutlich noch mehr für den positiven Nachweis des CCP-Antikörpers.

In einem Nebensatz bemerkt: Nach den uns vorliegenden Informationen werden die Kosten für die Untersuchung des CCP-Antikörpers von den gesetzlichen Krankenkassen derzeit noch nicht übernommen. Eine weitere absonderliche Beobachtung aus dem Reformhaus Schmidt. Versicherte der Privaten Krankenversicherung und Beihilfeberechtigte haben mit moderner rheumatologischer Diagnostik derzeit noch kein Problem. Hier gehört die Bestimmung von anti-CCP zu den medizinisch notwendigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Abklärung einer unklaren Arthritis. Die Kosten für diese Untersuchung werden damit problemlos erstattet.

Ebenfalls erstattet werden die entsprechenden Kosten bei Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung, die die Kostenerstattung gewählt haben und damit nicht mehr der sogenannten Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen (die Kostenerstattung ist bekanntlich das seit dem 1.1.2004 mögliche Versicherungsmodell, bei dem Kassenpatienten zu einer Art Privatpatienten werden und vor dem die Krankenkassen derzeit ja mit einer sehr massiven Pressekampagne warnen). Warum eigentlich? Weil dann die Gefahr besteht, daß sich Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung dem Gängelband der budgetierten Medizin entziehen und eigenverantwortlich dafür Sorge tragen, daß sie auf dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis diagnostiziert und behandelt werden?

Der Rheinländer sagt: Man weiß es nicht ...

Literatur: Nielen MM, van Schaardenburg D, Reesink HW, van de Stadt RJ, van der Horst-Bruinsma IE, de Koning MH, Habibuw MR, Vandenbroucke JP, Dijkmans BA. Jan van Breemen Institute, Amsterdam, The Netherlands. Specific autoantibodies precede the symptoms of rheumatoid arthritis: a study of serial measurements in blood donors. Arthritis Rheum. 2004 Feb;50(2):380-6.

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