Neue Hypothese: Autoimmunerkrankungen durch zu wenig Infektionen?

Kalifornische Wissenschaftler zweifeln an der landläufigen Meinung, dass Autoimmunerkrankungen auf eine Überaktivität des Immunsystems zurückzuführen sind. Ihrer Meinung nach ist das Gegenteil der Fall.

(Mittwoch, 12.05.2004, Dr. med. Gabriele Moultrie)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

 

Zu den Autoimmunerkrankungen zählen eine Reihe verschiedenster Krankheitsbilder unter anderem die rheumatoide Arthritis, Kollagenosen, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und auch der Diabetes mellitus TypI. Welche Ursachen genau zum Auftreten einer Autoimmunerkrankung führen, ist nicht in allen Einzelheiten geklärt. Bisher ging man davon aus, dass verschiedene Auslöser (z.B. Bakterien oder Viren) eine Überaktivität des Immunsystem hervorrufen. Diese Überaktivität bestimmter immunologisch tätiger Zellen führt dazu, dass sie körpereigenes Gewebe angreifen und zu Entzündungen und Gewebeuntergang führen.

Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe vom Scripps Institute in Kalifornien unter der Leitung von Prof. Nora Sarvetnick entwickelte eine andere Hypothese.

Während es in den letzten Jahrzehnten in industrialisierten Weltteilen zu einem rasanten Anstieg von Autoimmunerkrankungen kam, blieb das Auftreten von Autoimmunerkrankungen in Entwicklungsländern selten.

Durch verbesserte Hygiene und einen hohen medizinischen Standart, wird der Organismus immer weniger mit Krankheitserregern konfrontiert. Das Immunsystem sei aus diesem Grund quasi unterfordert. Bei vielen Autoimmunerkrankungen finde man daher eine reduzierte Anzahl an Lymphozyten (Abwehrzellen). Das Immunsystem wolle diesem Mißstand gegensteuern und steigere die Zahl der Abwehrzellen. In diesem Zug komme es zur Bildung neuer Immunzellen, die aber in Ermangelung eines `richtigen Feindes´ körpereigene Zellen angreifen.

Diese sogenannte `Hygienehypothese´ belegen die Forscher in Versuchen an speziellen Mäusen - den NOD-Mäusen. Die NOD Mäuse haben einen genetischen Fehler, der zu einer Überproduktion aktivierter T-Zellen (das sind spezielle Abwehrzellen des Immunsystems) führt. Da diese T-Zellen die zur Insulinproduktion nötigen Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse zerstören, entsteht bei den NOD-Mäusen ein Diabetes mellitus.

Verabreicht man diesen Mäusen nun Bestandteile von Bakterien, so entsteht keine Erkrankung. Die T-Zellen haben dann so zu sagen einen richtigen Feind und lassen von körpereigenen Zellen ab.

Inwieweit diese Beobachtungen auch auf den Menschen übertragbar sind, steht noch offen. Ein vergleichbare Hygienehypothese existiert auch bezüglich allergischer Erkrankungen. Weiterführende Forschungsarbeit ist dringend notwendig, um dieser Hypothese nach zu gehen. Ein besseres Verständnis der Krankheitsursachen und - mechanismen, ermöglicht eine gezielte effektive Therapie.

 

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