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Fragen und Antworten

Eine Frage von Thomas:

Wie ist der aktuelle Stand bei der Behandlung des M. Bechterew mit TNF-alpha-Blockern? In welchen Zeitschriften sind Ergebnisse veröffentlicht? Könnte man nicht diese Studienergebnisse in TIZ referieren?

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 28.11.2002:

Die erste Studie zur Anwendung von TNF-alpha-Blockern bei M. Bechterew erfolgte in Deutschland in der rheumtologischen Abteilung am Klinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. med. Jürgen Braun, der jetzt die Rheumaklinik in Herne leitet, und seinem langjährigen „Mitstreiter“ Prof. Dr. med. Joachim Sieper. In dieser ersten Pilotstudie wurde Infliximab (Remicade) eingesetzt. Die Wirkung war so überzeugend, dass anschließend eine randomisierte, kontrollierte Multicenter-Studie angeschlossen wurde. Die Ergebnisse aus dieser Studie liegen mittlerweile auch schon vor und zeigen ebenfalls eine ausgezeichnete Wirkung von Infliximab bei M. Bechterew.

 

Auf Grund der guten Ergebnisse für Infliximab wurden auch Studien mit Etanercept (Enbrel) durchgeführt, die mittlerweile ebenfalls publiziert sind. Sie zeigen auch für Enbrel eine excellente Wirkung bei M. Bechterew.

 

Weitere Studien mit TNF-alpha-Blockern erfolgten in Belgien an der Rheumatologischen Universitätsklinik der Universität Gent. Dabei wurde Infliximab bei der Behandlung von aktiven Spondylarthropathien, d.h. nicht nur bei M. Bechterew, sondern auch bei verwandten Erkrankungen, eingesetzt. Auch hier zeigte sich eine sehr gute Wirksamkeit der TNF-Blockade bei Patienten, bei denen wie in den anderen Studien die vorhergehende Therapie mit traditionell verwendeteten Medikamenten nicht ausreichend gewirkt hatte.

 

Im folgenden eine Zusammenfassung der wichtigsten klinischen Studien zur Anwendung von TNF-alpha-Blockern bei M. Bechterew.

 

 

Infliximab (Remicade) bei ankylosierender Spondylitis (M. Bechterew)

 

Die Schlüsselstudien zur Therapie der ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) mit Infliximab sind die beiden Remicade-Multicenter-Trials aus Deutschland unter Federführung der Freien Universität Berlin (Benjamin-Franklin-Hospital).

 

In beiden Studien erfolgte die Behandlung als Monotherapie in einer Infliximab-Dosis von 5 mg pro kg Körpergewicht.

 

In der Pilotstudie (Brandt et al. 2000) mit 11 Patienten wurden 3 Infusionen verabreicht (Woche 0, 2 und 6). Ein Patient schied nach 8 Tagen wegen des Auftretens von schweren Hautreaktionen (urtikariellen Xanthomen) aus der Studie aus. Die übrigen 10 Patienten beendeten die Behandlungsserie nach Plan. Bei 9 der 10 Patienten kam es zu einer mindestens 50%-Verbesserung hinsichtlich der Krankheitsaktivität, der funktionellen Kapazität und des Schmerzes. Die Verbesserung im BASDAI, einem Aktivitätsindex für die ankylosierende Spondylitis, betrug im Median 70% (Range: 41-94%). Das CRP fiel von einem Ausgangswert von im Median 15,5 mg/l (Range <6-90.8) auf Normalwerte. Die Therapiewirkung hielt bei 8 der 10 Patienten für weitere 6 Wochen nach der letzten Infusion an.

 

In der randomisierten, kontrollierten Studie (Braun et al. 2002) mit 70 Patienten (35 Infliximab, 35 Placebo) erfolgte die Therapie über 12 Wochen. Remicade wurde ebenfalls in den Wochen 0, 2 und 6 infundiert. Ein Patient aus der Infliximab-Gruppe schied aus der Studie vorzeitig aus. 18 der 34 mit Infliximab behandelten Patienten (53%) erzielten eine mindestens 50%-Verbesserung bei der Krankheitsaktivität (gemessen im BASDAI), außerdem kam es zu signifikanten Verbesserungen bei den anderen Zielkriterien der Studie (Funktionsindex, gemessen im BASFI, Wirbelsäulenbeweglichkeit, gemessen im BASMI, Lebensqualität, gemessen mit der Kurzform des SF-36). In der Placebo-Gruppe wurde dagegen eine Verbesserung nur bei 3 Patienten beobachtet (9%).

 

Die Therapie mit Infliximab mußte bei 3 Patienten wegen schwerer Nebenwirkungen abgebrochen werden: In einem Fall wegen einer systemischen Tuberkulose, in einem Fall wegen einer allergischen Granulomatose der Lunge und ein einem weiteren Fall wegen einer milden Leukopenie (Abfall der weißen Blutkörperchen).

 

Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass die Therapie der ankylosierenden Spondylitis mit Infliximab (Remicade) effektiv ist. Wegen der möglichen ernsteren Nebenwirkungen empfehlen sie allerdings, dass diese Behandlung nur in der Kooperation mit rheumatologischen Zentren durchgeführt werden sollte.

 

 

Literatur:

 

Brandt J, Haibel H, Cornely D, Golder W, Gonzalez J, Reddig J, Thriene W, Sieper J, Braun J. (2000):

 

Successful treatment of active ankylosing spondylitis with the anti-tumor necrosis factor alpha monoclonal antibody infliximab.

 

Arthritis Rheum 2000 Jun;43(6):1346-52

 

Benjamin Franklin Hospital, Free University Berlin, Germany

 

Braun J, Brandt J, Listing J, Zink A, Alten R, Golder W, Gromnica-Ihle E, Kellner H, Krause A, Schneider M, Sorensen H, Zeidler H, Thriene W, Sieper J. (2002):

 

Treatment of active ankylosing spondylitis with infliximab: a randomised controlled multicentre trial.

 

Lancet 2002 Apr 6;359(9313):1187-93

 

Department of Rheumatology, Benjamin Franklin Hospital, Free University of Berlin, Berlin, Germany. J.Braun@rheumazentrum-ruhrgebeit.de

 

 

Etanercept (Enbrel) bei ankylosierender Spondylitis (M. Bechterew)

 

Die Schlüsselstudien zur Therapie der ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) mit Etanercept (Enbrel) sind die Pilotstudie aus Leeds in England (Marzo-Ortega et al. 2001) und die randomisierte, doppelblinde, placebo-kontrollierte Studie aus San Francisco in den USA (Gorman et al. 2002).

 

In der englischen Studie wurden 10 Patienten mit aktivem M. Bechterew über 6 Monate mit Etanercept (Enbrel) in einer Dosierung von 2 x 25 mg pro Woche subkutan behandelt. Alle Patienten hatten auf die vorausgehenden traditionellen Behandlungsmethoden nicht ausreichend angesprochen und litten an entzündlichem Rückenschmerz sowie an einer peripheren Beteiligung.

 

Die Therapie mit Enbrel führte zu einer statistisch signifikanten Besserung bei allen erhobenen klinischen und funktionellen Parametern. So verbesserten sich der Schmerz-Score für den Schmerz tagsüber und den nächtlichen Schmerz, der BASFI (Funktionsindex), der BASDAI (Krankheits-Aktivitäts-Index) und die Lebensqualität (ASQoL = Ankylosing Spondylitis Quality of Life).

 

Kernspintomographische Untersuchungen zeigen ein völliges Verschwinden oder eine Besserung von entzündlichen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, in den Ileosakralgelenken oder in peripheren Gelenken bei 86% der beobachteten Läsionen. Neue Läsionen traten während des Behandlungszeitraums von 6 Monaten bei keinem Patienten auf.

 

Insgesamt kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Behandlung mit Etanercept zu einer ausgeprägten Wirkung bei der Krankheitskontrolle der ankylosierenden Spondylitis führt und auch bei Patienten effektiv ist, die zuvor auf übliche Therapien nicht ausreichend angesprochen hatten.

 

In der US-amerikanischen Studie wurden in einem randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Studiendesign 40 Patienten mit ankylosierender Spondylitis (M. Bechterew) über 4 Monate entweder mit Etanercept (Enbrel) oder mit Placebo behandelt. Alle Patienten litten an einer aktiven Erkrankung und hatten auf die vorausgehenden traditionellen Behandlungsmethoden nicht ausreichend angesprochen.

 

Primärer Endpunkt der Studie war ein zusammengesetzter Score aus Morgensteifigkeit, Rückenschmerz, Funktionskapazität, Gelenkschwellung sowie globaler Beurteilung der Krankheitsaktivität durch den Patienten.

 

Die Therapie mit Etanercept erfolgte in einer Dosierung von 2 x 25 mg pro Woche subkutan. Die vorbestehende Medikation wurde über den gesamten Studienverlauf unverändert fortgesetzt (z.B. cortisonfreie Entzündungshemmer, Cortison in einer Dosis bis 10 mg Prednisolon-Äquivalent sowie langwirksame antirheumatische Substanzen (LWAR, DMARD´s = disease modifying antirheumatic drugs).

 

Die Therapie mit Etanercept führte zu einer signifikanten und anhaltenden Besserung. Bei Studienende hatten 80% der Patienten in der Enbrel-Gruppe auf die Therapie angesprochen, dagegen nur 30% in der Placebo-Gruppe (p=0.004).

 

Bei allen erhobenen Parametern waren die Verbesserungen gegenüber den Ausgangswerten in der Enbrel-Gruppe signifikant größer als in der Placebo-Gruppe. Im einzelnen verbesserten sich die verschiedenen Messwerte für die Krankheitsaktivität einschließlich Morgensteifigkeit und Rückenschmerz, die Funktionskapazität, die Lebensqualität, Enthesitis, Atembreite sowie die Laborparameter der systemischen entzündlichen Aktivität (BSG und CRP).

 

Die Wirkung von Etanercept trat sehr rasch ein und hielt im weiteren Behandlungsverlauf kontinuierlich an. Die Verträglichkeit war gut. Signifikante Unterschiede bei den berichteten Nebenwirkungen bestanden in der Enbrel-Gruppe und der Placebo-Gruppe nicht.

 

Insgesamt schlossen die Autoren, dass die Therapie mit Etanercept über 4 Monate zu einer raschen, signifkanten und anhaltenden Verbesserung bei ankylosierender Spondylitis führt.

 

 

Literatur:

 

Marzo-Ortega H, McGonagle D, O'Connor P, Emery P. (2001):

 

Efficacy of etanercept in the treatment of the entheseal pathology in resistant spondylarthropathy: a clinical and magnetic resonance imaging study.

 

Arthritis Rheum 2001 Sep;44(9):2112-7

 

The University of Leeds, UK.

 

Gorman JD, Sack KE, Davis JC Jr. (2002):

 

Treatment of ankylosing spondylitis by inhibition of tumor necrosis factor alpha.

 

N Engl J Med 2002 May 2;346(18):1349-56

 

Division of Rheumatology, University of California, San Francisco 94143, USA.

 

 

Infliximab bei aktiven Spondylarthropathien

 

In dieser belgischen Studie aus der rheumatologischen Universitätsklinik in Gent wurden 40 Patienten mit einer aktiven Spondylarthropathie mit Infliximab (Remicade) oder Placebo behandelt, d.h. sie enthielten entweder Infusionen mit dem Wirkstoff oder Infusionen, in denen kein Infliximab enthalten war.

 

Die Behandlungsserie umfasste 3 Infusionen (zu Beginn der Behandlung, in der Woche 2 sowie in der Woche 6, d.h. 4 Wochen nach der 2. Infusion). Infliximab wurde in einer mittleren Dosis von 5 mg/kg Körpergewicht verabreicht.

 

Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte unmittelbar vor der Behandlung und in den Wochen 1, 2, 6, 8 und 12 nach Beginn der Therapie. Als Zielkriterium (primärer Endpunkt der Studie) wurden die globalen Beurteilungen der Krankheitsaktivität durch den Arzt und den Patienten auf einer visuellen Analogskala von 100 mm definiert.

 

Die Studie zeigte eine signifikante Verbesserung der Krankheitsaktivität in der mit Infliximab behandelten Gruppe, dagegen keine Verbesserung in der Placebo-Gruppe.

 

Die Wirkung von Infliximab trat dabei sehr rasch ein und war bereits in der 2. Woche nachweisbar, um anschließend über den gesamten Nachbeobachtungszeitraum anzuhalten.

 

Neben der globalen Beurteilung der Krankheitsaktivität zeigten sich in der Infliximab-Gruppe auch signifikante Verbesserungen bei den sekundären Endpunkten der Studie. So konnten gegenüber den Ausgangswerten signifikante Verbesserungen bei den Laborparametern der Entzündungsaktivität sowie bei den klinischen Befunden (Gelenkstatus, Wirbelsäule) dokumentiert werden. Diese Verbesserungen waren sowohl gegenüber dem Ausgangsstatus als auch gegenüber den Befunden in der Placebogruppe signifikant.

 

Die Therapie war insgesamt gut verträglich. Geringfügige Nebenwirkungen, die nicht zum Abbruch der Therapie führten, waren in der Infliximab-Gruppe und der Placebo-Gruppe gleich häufig. Als schwere Nebenwirkung, die auch zum Abbruch der Therapie führte, kam es in der Infliximab-Gruppe zu einer disseminierten, d.h. ausgebreiteten Tuberkulose.

 

Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die TNF-alpha-Blockade mit Infliximab bei Patienten mit aktiven Spondylarthropathien gut vertragen wird und zu einer signifikanten Verbesserung der klinischen Befunde sowie der Laborbefunde führt.

 

Wegen der in einem Fall beobachteten schweren Infektionskomplikation der disseminierten Tuberkulose weisen sie aber nachdrücklich darauf hin, dass bei der Behandlung mit Infliximab die Patienten sorgfältig voruntersucht werden müssen und auch im Verlauf längerfristig überwacht werden sollten.

 

 

Literatur:

 

Van den Bosch F, Kruithof E, Baeten D, Herssens A, de Keyser F, Mielants H and Veys EM. (2002):

 

Randomized double-blind comparison of chimeric monoclonal antibody to tumor necrosis factor (infliximab) versus placebo in active spondyloarthropathy.

 

Arthritis Rheum 2002;46:755-765

 

Department für Rheumatologie, Universitätsklinik Gent, Belgien; e-Mail des Erstautors: f.vandenbosch@pi.be

 

Van den Bosch F, Kruithof E, Baeten D, De Keyser F, Mielants H, Veys EM. (2000):

 

Effects of a loading dose regimen of three infusions of chimeric monoclonal antibody to tumour necrosis factor alpha (infliximab) in spondyloarthropathy: an open pilot study.

 

Ann Rheum Dis 2000 Jun;59(6):428-33

 

Ghent University Hospital, Department of Rheumatology, Belgium.

 

Kruithof E, Van den Bosch F, Baeten D, Herssens A, De Keyser F, Mielants H, Veys EM. (2002):

 

Repeated infusions of infliximab, a chimeric anti-TNFalpha monoclonal antibody, in patients with active spondyloarthropathy: one year follow up.

 

Ann Rheum Dis 2002 Mar;61(3):207-12

 

Department of Rheumatology, Ghent University Hospital, Belgium. elli.kruithof@rug.ac.be

 

 

HEL/TIZ, 28-11-2002

 

Keywords: TNF-Blocker * M. Bechterew * Spondylitis ankylosans * ankylosierende Spondylitis * Infliximab * Remicade * Etanercept * Enbrel * klinische Studien

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