Abschaffung der Pflegestufen 1 und 2 - ideale Sparmaßnahme?

Sparen, das ist in der heutigen Zeit angesagt. Auch in der Regierung finden seit Monaten Überlegungen und Gespräche statt, wo und wie am Besten gespart werden kann und es sind sich auch alle einig, dass gespart werden muss – so lange es nicht in ihrem Bereich geschieht.

(Montag, 23.08.2010, Daniela Loisl)
Kategorie: Gesundheitssystem

Nun hat die ÖVP die anscheinend ideale Einsparungsmöglichkeit gefunden: Die Überlegungen reichen von einem erschwerten Zugang zu Pflegestufe 1 und 2, so wie einer Aussetzung der ersten Pflegestufe, Kürzungen für alle Pflegestufen oder auch generell das Erschweren der Zuerkennung.

Würde man nun vermuten, dass nach Bekanntwerden dieser Überlegung ein massiver Einwand seitens der anderen Parteien laut wurde, so liegt man leider falsch. Leise Proteste kamen zwar, aber man hat das Gefühl, dass diese wohl mehr der äußeren Form halber getätigt wurden. Das Sozialministerium möchte sich (noch) nicht dazu äußern. Auf die Frage, ob dies etwas mit den im Herbst bevorstehenden Wahlen zu tun habe, wurde dies natürlich heftig dementiert…

Wen würde es treffen?

Alte und auch chronisch kranke Menschen haben keine Gewerkschaft, keine Lobby, keine großen Organisationen die sich für sie einsetzen wenn man ihnen etwas wegnehmen möchte. Den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft soll es noch schwerer gemacht werden, ihren Alltag zu bewältigen. Das Argument der Politiker, dass bei den unteren Pflegestufen ja ohnehin die Verwandten den Mehraufwand bewältigen, kommt einem Hohn gleich. Ungeachtet dessen, dass viele ältere Menschen oft niemanden mehr haben der sich um sie kümmert oder sie von ihren Verwandten sehr weit weg wohnen, kommt es einer Entmündigung gleich, wenn die Betroffenen auf den „Goodwill“ ihrer Angehörigen angewiesen sind.

Mit dem Pflegegeld können sie sich zumindest für die schwere Arbeit die im Haushalt anfällt (einkaufen, fensterputzen, Betten beziehen, bügeln etc.) stundenweise eine Hilfe leisten und genau für diese Tätigkeiten ist das Pflegegeld auch gedacht.. Mehr wäre mit den Beträgen der ersten beiden Pflegestufen ohnehin nicht möglich, aber so haben Menschen mit Behinderung oft doch noch die Chance ein eigenständiges Leben zu führen, ohne in ein Heim zu müssen.

Die Voraussetzungen für das Beziehen des Pflegegeldes sind jetzt schon streng geregelt und unterliegen nicht selten der Willkür der Amtsärzte. Oft genug kommt es vor, dass die Betroffenen die Voruntersuchung als demütigen empfinden und verzichten aufgrund dessen auf den ihnen zustehenden Betrag. Viele chronisch Kranke wissen nicht einmal, dass sie bereits Pflegegeld beziehen könnten. Den einen oder anderen Pflegegeldbezieher mag es vielleicht geben, der die  Voraussetzungen nicht zu 100% erfüllt, gemessen an den vorausgehenden Kriterien sind diese aber mit Sicherheit schwindend gering.

Sparen, ja, aber warum beim Pflegegeld?

Das Argument, dass man aber einmal irgendwo mit dem Sparen beginnen muss, ist natürlich vollkommen richtig und mit einer extremen Kürzung beim Pflegegeld geht man den Weg des geringsten Widerstandes – in jeder Beziehung. Pflegegeldbezieher sind kein so großer und wichtiger Wählerkreis als dass man sich da als Partei wirklich große Sorgen über Wählerstimmenverlust machen muss und so ist es mit Bestimmtheit ein Leichteres, das alle Parteien einen Konsens finden werden. Anders sähe es schon aus, würde man – wie schon einmal vorgeschlagen – eine Null-Lohnrunde bei den Lehrern oder Beamten einbringen……. Es würde sofort ein Aufschrei durch sämtliche Medien gehen! Protest, Streik und Demonstrationen wären die Folge und potentielle Wähler würde man vergraulen. Immenses Einsparungspotential wäre auch bei den Krankenkassen gegeben. Das System bei den Krankenkassen total zu reformieren würde das Budget zwar im großen Stil sanieren, aber auch vielen Herrschaften einen prestigeträchtigen Posten und viel Einfluss kosten. Ein fürchterliches Chaos protestierender sterbender Schwäne wäre vorprogrammiert.

Dass dies bei chronisch Kranken ziemlich auszuschließen wäre, liegt in der Natur der Sache. Behinderte Menschen werden kaum Kilometerweite Anreisen auf sich nehmen, um dann stundenlang vor dem Parlament zu protestieren.

Was kann man dagegen tun?

Ein Einzelner kann in solchen Fällen nie etwas ausrichten und auch kleinere Gruppen werden kein Gehör finden. Man müsste schon alle chronisch Kranken dazu bringen sich zusammenzuschließen, damit ihre Interessen vertreten werden. Auch diejenigen, dich (noch) kein Pflegegeld beziehen müssten sich solidarisch erklären, denn bei einer chronischen Erkrankung schwebt das Damoklesschwert einmal auf Hilfe angewiesen zu sein, stets über einem. Nimmt man in Österreich nur einmal die Zahl der entzündlich rheumatischen Erkrankungen wie Rheumatoider Arthritis, Morbus Bechterew, Psoriasis Arthritis etc. her, wären dies einige hunderttausend Menschen! Da wurden aber alle anderen Krankheitsgruppen außen vor gelassen, keine Menschen berücksichtigt die von Geburt an ein körperliches Gebrechen haben, keine Menschen die durch einen Unfall auf die Hilfe anderer angewiesen sind und keine älteren Leute die aufgrund ihres Alters Unterstützung brauchen, mitgerechnet.

Würde man es schaffen, dass sich all diese Menschen organisieren, wären diese sozialen Maßnahmen ebenso unantastbar wie das Reduzieren unserer 183 Abgeordneten…

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