Symptome und Krankheitsbild der Chlamydien-induzierten Arthritis
Typischerweise kommt es nach der Infektion zunächst zu den Chlamydia trachomatis typischen Symptomen, die dann abklingen. Nach einem beschwerdefreien Zeitraum von einer Woche bis 3 Wochen tritt dann eine akute Gelenkentzündung auf, wobei gerne große Gelenke in der unteren Körperhälfte betroffen sind (vorzugsweise Knie, aber auch Sprunggelenke oder Zehengelenke).
Sind die Zehengelenke betroffen, kommt es oft nicht nur zu einer Entzündung einzelner Gelenke, sondern des ganzen Zehs (Daktylitis). Allerdings können Chlamydien-induzierte Arthritiden auch ganz anders verlaufen.
Oft ist die eigentliche Infektion so beschwerdearm oder ganz ohne Symptome verlaufen, dass der Patient sie gar nicht bemerkt hat und weder er noch sein Arzt einen Zusammenhang zwischen der Gelenkentzündung und der vorher abgelaufenen Chlamydieninfektion herstellen.
Das Gelenkbefallsmuster kann außerdem von dem beschriebenen abweichen. So gibt es Chlamydien-induzierte Arthritiden, die sich von ihren Symptomen her von einer rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) zunächst kaum unterscheiden lassen.
Diagnose der Chlamydien-induzierten Arthritis
Die Diagnose einer Chlamydien-induzierten Arthritis wird am sichersten durch den Nachweis der Erreger gestellt. Dabei gehört es zu den typischen Merkmalen der infektreaktiven Arthritiden, dass lebende Erreger im Gelenk selbst nicht nachgewiesen werden können.
Der Erregernachweis muss an der Stelle des ursprünglichen Infektionsortes bzw. an der Stelle der ursprünglichen Infektion geführt werden. Bei Chlamydien ist dabei zu beachten, dass sie sich strikt intrazellulär aufhalten, also nur in den Zellen des infizierten Gewebes. Wenn ich also Chlamydien nachweisen will, benötige ich dazu infizierte Stellen. Eine normale Untersuchung des Urins reicht deshalb für den Nachweis einer Chlamydieninfektion nicht aus. Es gibt aber aufwendige Techniken (PCR-Methode), mit denen man im frischgelassenen Morgenurin Chlamydien nachweisen kann. Dieses Verfahren wird aber von den meisten Ärzten nicht eingesetzt und ist insofern keine Standardmethode.
Die gültige Methode ist die Abstrichuntersuchung (beim Mann wird ein Abstrich in der Harnröhre durchgeführt, bei der Frau ein Harnröhrenabstrich und ein Abstrich vom Gebärmutterhals (Zervix) ). Außerdem ist es manchmal erfolgversprechend, beim Mann das sogenannte Prostataexprimat zu untersuchen (der Urologe drückt dazu beim Mann die Prostata aus und untersucht die gewonnene zellhaltige Flüssigkeit) sowie die Samenflüssigkeit. Die anschließende Laboruntersuchung erfordert Erfahrung. Der direkte Chlamydiennachweis ist insgesamt nicht ganz einfach. Deshalb gelingt er in Abhängigkeit von der Erfahrung aller beteiligten Ärzte (z.B. Urologe, Gynäkologe, Labor/ Mikrobiologe) mehr oder weniger häufig. Deshalb schließt leider ein fehlender Chlamydiennachweis mit den genannten Methoden eine Chlamydieninfektion nicht aus.
Vor allem wenn die Ansteckung länger zurückliegt, misslingt der Direktnachweis ebenfalls häufiger. Zur Diagnostik einer Chlamydieninfektion werden deshalb ergänzend zu den Direktnachweisen auch Blutuntersuchungen durchgeführt. Mit diesen Untersuchungen wird geschaut, ob der Körper im Rahmen der Infektionsabwehr sogenannte Antikörper gegen Chlamydien gebildet hat. Leider kann man mit dieser Methode nicht genau sagen, wann die Infektion erfolgt ist und ob der Antikörper nur noch eine Folge einer früher durchgemachten und jetzt abgeheilten Infektion ist oder ob noch eine aktive Infektion besteht.
Dies gilt besonders für die Chlamydien-Antikörper der Klasse IgG (Immunglobuline). Je nach verwendetem Test können auch bei erfolgreich behandelten und ausgeheilten Chlamydieninfektion noch sehr lange auch sehr hohe Chlamydien-IgG-Antikörper nachweisbar sein. Hohe Chlamydien-IgA-Antikörper deuten allerdings auf eine noch vorhandene Infektion, beweisen sie letztendlich aber nicht. Nahezu beweisend für eine frische, noch floride Infektion mit Chlamydien ist der Nachweis von chlamydien-spezifischen IgM-Antikörpern (Chlamydia-Antikörper der Klasse IgM).
Therapie der Chlamydien-induzierten Arthritis
Die Therapie einer Chlamydieninfektion erfolgt mit Antibiotika. Wichtig zu wissen ist, dass es nur wenige Antibiotika gibt, die gegen intrazellulär wachsende Bakterien wirksam sind (siehe dazu auch Yersinien). Normalerweise erfolgt eine wirksame Therapie mit Tetracyclinen (Doxycyclin). Die übliche Dosis ist 2 x 100 mg/Tag für 10 bis 14 Tage. Wird geringer dosiert, kommt es häufig nicht zu einer Beherrschung der Infektion. Wird das normalerweise gut verträgliche Doxycyclin nicht vertragen oder wirkt es nicht ausreichend, kommen sogenannte Gyrasehemmer zum Einsatz. Wichtig ist die gleichzeitige Mitbehandlung des Sexualpartners, um ständige gegenseitige Ansteckungen zu vermeiden (der sogenannte "Ping-Pong-Effekt").
Chlamydien sind allerdings Erreger, die nicht in jedem Fall durch die übliche Kurzzeit-Therapie mit Doxycyclin über 10 bis 14 Tage eliminiert werden, d.h. vollständig abgetötet werden. In diesen Fällen können sich chronische Infektionen entwickeln. Ob eine antibiotische Therapie über 10 bis 14 Tage ausreicht oder nicht, ist bei einer „unkomplizierten“ Chlamydien-Infektion im Vorneherein nicht vorherzusagen.
Der Zusammenhang zwischen einer Chlamydieninfektion und der Entstehung einer nachfolgenden, chlamydien-induzierten Arthritis ist mittlerweile gut dokumentiert. Dabei wird immer deutlicher, dass für die Auslösung und die weitere Entwicklung der Arthritis, vor allem auch für die Chronifizierung der Arthritis verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. In ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenwirken sind diese Faktoren noch nicht vollständig aufgeklärt.
Sicher weiß man heute, dass es nicht alleine die Chlamydien sind, die für die Entstehung der Arthritis verantwortlich sind. Sie können zwar der Auslöser sein; vermutlich sind zusätzlich aber auch Bedingungen notwendig, die bei dem Betroffenen zu suchen sind, z.B. eine bestimmte genetische Veranlagung, bei einer solchen Infektion oder auch bei Infektionen mit anderen, arthritogenen Erregern eine Arthritis zu bekommen (arthritogene Erreger sind Erreger, die eine Arthritis auslösen können).
Eine typische genetische Prädisposition, d.h. eine Erbanlage ist das Vorliegen des Risikomarkers HLA B27, d.h. einer ererbten Gewebseigenschaft, die auf den weißen Blutkörperchen liegt (HLA = Humanes Leukozyten Antigen, die Leukozyten sind die weißen Blutkörperchen). HLA B27 ist als genetischer Risikomarker für den M. Bechterew und verwandte Erkrankungen bekannt. Die infektreaktive Arthritis gehört in diese Gruppe der Bechterew-verwandten Erkrankungen (Spondyloarthropathien).
Ein weiterer Risikomarker, der möglicherweise auch eine Rolle für die Entwicklung einer chlamydieninduzierten Arthritis spielt, ist das HLA DR4 (speziell die sogenannten shared epitopes, z.B. HLA DR B1*0404), die vor allem als Risikomarker für eine rheumatoide Arthritis bekannt sind.
Wenn sich durch eine Chlamydien-Infektion eine infektreaktive Arthritis entwickelt, sind grundsätzlich zwei verschiedene Verlaufsformen möglich. Im ersten, günstigen Fall klingt die Arthritis nach einer gewissen Zeit, die zwischen einigen Tagen und einigen Wochen liegen kann, folgenlos ab.
Im ungünstigeren zweiten Fall entwickelt sich eine chronische Arthritis, die in manchen Fällen von einer chronischen Polyarthritis (rheumatoiden Arthritis) kaum zu unterscheiden ist. Vermutlich handelt es bei dieser chronischen Arthritis dann auch um eine immunologisch vermittelte Erkrankung, d.h. ein Krankheitsbild, das mit der ursprünglich auslösenden Chlamydien-Infektion unmittelbar nichts mehr zu tun hat, sondern seinen eigenen Lauf nimmt.
Daraus wird ersichtlich, dass eine alleinige antibiotische Therapie, und würde sie noch so lange durchgeführt, bei einer chronisch verlaufenden chlamydien-induzierten Arthritis wahrscheinlich nicht zum Erfolg führt. Dies sind auch die Schlussfolgerungen, die aus den entsprechenden klinischen Studien mit Langzeit-Antibiotika-Therapien bei der infektreaktiven Arthritis zu ziehen sind.
Andererseits zeigen Daten aus Finnland, dass eine antibiotische Therapie bei einer infektreaktiven Arthritis zwar anfangs keine größeren Erfolge bringt als der Verzicht auf eine solche Therapie, dass aber initial mit Antibiotika behandelte Patienten mit einer infektreaktiven Arthritis im Langzeitverlauf besser auskommen als Patienten, die initial nicht mit Antibiotika behandelt wurden.
Woran dies liegt, ist bislang völlig unklar. Möglicherweise spielt es auf Dauer dann eben doch eine Rolle, ob eine Erregerpersistenz vorliegt oder nicht, d.h. ob im Körper noch arthritogene Erreger vorhanden sind oder nicht. Dies macht, wenn man ein sehr schlichtes und möglicherweise auf falsches Konzept zugrundelegt, auch Sinn.
Dabei könnte man sich vorstellen, dass es mit den Chlamydien und dem weiteren Ablauf der Arthritis so ist wie mit einem Skifahrer und einer Lawine, die er an einem lawinengefährdeten Hang auslöst. Wir alle wissen, dass es für den weiteren Lauf der Lawine völlig gleichgültig ist, ob der Skifahrer mit in die Lawine gerät und dadurch u.U. sogar getötet wird. Die Lawine wird sich nach der Auslösung so weiterentwickeln, wie es die Beschaffenheit des Schnees und des Geländes vorgeben.
Andererseits ist es im Hinblick auf die „Chronifizierung des Lawinenproblems“ natürlich nicht unerheblich, ob der Skifahrer am Leben bleibt und möglicherweise völlig unbeeindruckt und unbeirrbar gleich zum nächsten Lawinenhang weiterfährt, um dort eine neue Lawine auszulösen. Wenn man also verhindern will, dass dies nicht passiert, muss man ihn als Auslöser weiterer Lawinen aus dem Verkehr ziehen. Bezogen auf die Chlamydien und die Arthritis würde dies bedeuten, dass solange die Gefahr von neuen Arthritis-Auslösungen und damit einer Chronifizierung der Arthritis besteht, so lange es im Körper noch lebende Chlamydien gibt.
Die Therapie der Chlamydien-induzierten Arthritis erfolgt heute noch nicht nach einheitlichen Methoden. Unumstritten ist die Behandlung der akuten Entzündung mit cortisonfreien Entzündungshemmern. Umstritten ist die Gabe von Cortison, da unter Cortison zumindest theoretisch eine Beeinträchtigung der Infektionsbekämpfung möglich ist. Manchmal sind allerdings die Schmerzen und Entzündungen in den Gelenken so stark, dass man ohne Cortison nicht hinkommt.
Auf den ersten Blick unzweifelhaft ist die Gabe von Antibiotika. Leider war, wie bereits dargestellt, diese Behandlung in der Vergangenheit allerdings nicht so erfolgreich, wie man es auf Grund der Ursache der Erkrankung erwarten würde. Allerdings erfolgten die antibiotischen Behandlungen in der Regel sehr kurz (wie bei der Behandlung der ursprünglichen Infektion für 10 bis 14 Tage, selten länger als 4 Wochen).
Deshalb wurden die Behandlungsansätze dahingehend geändert, dass die antibiotische Behandlung sehr viel länger durchgeführt wurde. In entsprechenden klinischen Studien, in denen über 8 Wochen oder sogar über 3 Monate mit Antibiotika behandelt wurde, zeigte sich allerdings keine Überlegenheit der antibiotischen Therapie gegenüber einer Behandlung ohne Antibiotika.
Auch diese Studien waren allerdings von einem methodischen Problem betroffen. In diesem Fall bestand dieses methodische Problem darin, dass in diesen Studien Patienten mit einer ganzen Reihe von unterschiedlichen infektreaktiven Arthritiden und nicht nur Patienten mit einer chlamydien-induzierten Arthritis oder yersinien-induzierten Arthritis etc. eingeschlossen wurden. Außerdem gibt es bei allen Studien zu infektreaktiven Arthritiden die grundsätzliche Problematik, dass oft die Diagnose der auslösenden Infektion nur indirekt mit Hilfe serologischer Untersuchungen, d.h. in der Regel über einen Antikörpernachweis, geführt werden kann und damit nicht mit letzter Sicherheit eine Aussage darüber möglich ist, ob zu Beginn der antibiotischen Therapie überhaupt noch eine floride, behandlungsbedürftige Infektion besteht.
In der Konsequenz besteht über das therapeutische Vorgehen bei der chlamydien-induzierten Arthritis nur insofern Einigkeit unter den Experten, dass bei gesicherter Chlamydien-Infektion auf jeden Fall in der Anfangsphase eine antibiotische Therapie sowohl des Patienten als parallel auch des Sexualpartners durchgeführt werden sollte. Ob dabei die normale Standardtherapie oder eine längerdauernde Therapie, u.U. auch eine höherdosierte Therapie erfolgen sollte, wird uneinheitlich beurteilt.
Wir behandeln häufig Patienten mit infektreaktiven Arthritiden initial lange mit Antibiotika, ggf. auch zunächst parallel zur Einleitung einer langwirksamen antirheumatischen Therapie. Speziell im Fall von Doxycyclin hat dies nach Studien vermutlich auch eine Art „basistherapeutische“ Wirkung.
Bei einer chronifizierten Arthritis behandelte man die Patienten so wie bei jeder anderen chronischen Arthritis, z.B. wie bei einer chronischen Polyarthritis. Dies beinhaltet, dass bei unzureichendem Ansprechen einer symptomatischen Therapie mit cortisonfreien Entzündungshemmern (NSAR) nicht zu lange mit dem Beginn einer langwirksamen antirheumatischen Therapie mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARDs, disease modifying antirheumatic drugs) gewartet werden sollte.
Dabei kommen dann dieselben Substanzen zur Anwendung, die auch bei der rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) eingesetzt werden, d.h. z.B. Methotrexat (Mtx), Leflunomid und bei unzureichender Wirksamkeit auch TNF-alpha-Blocker.
Die Prognose der chlamydien-induzierten Arthritis wird ebenfalls sehr unterschiedlich bewertet. Während einige Autoren die Prognose als insgesamt günstig bezeichnen, zeigen Untersuchungen zu Langzeitverläufen bei einem größeren Anteil von Patienten das genaue Gegenteil mit chronisch anhaltenden Arthritiden, zunehmender funktioneller Beeinträchtigung und fortschreitenden erosiven Veränderungen, d.h. den im Röntgenbild sichtbaren Zeichen einer zunehmenden Zerstörung von Gelenkknorpel und gelenknahen knöchernen Strukturen.
Inwieweit sich durch eine konsequente medikamentöse Behandlung mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten auch der Verlauf der chronisch verlaufenden chlamydien-induzierten Arthritis günstig beeinflussen lässt, kann nicht ausreichend beurteilt werden.