Yersinien-induzierte Arthritis

Die Yersinien-induzierte Arthritis ist ein Krankheitsbild aus der Gruppe der infektreaktiven Arthritiden, speziell der postenteritischen Arthritiden. Lesen Sie hier alles Wichtige zu dieser Erkrankung.

Auftreten

Die Yersinien-induzierte Arthritis ist ein Krankheitsbild aus der Gruppe der infektreaktiven Arthritiden, speziell der postenteritischen Arthritiden. Im Anschluß an einen Infekt mit Yersinia enterocolitica kommt es dabei nach einem freien Intervall von typischerweise 1 bis 3 Wochen zum Auftreten einer Arthritis vor allem in Gelenken der unteren Körperhälfte (vorzugsweise Knie, aber auch Sprunggelenke oder Zehengelenke). Sind die Zehengelenke betroffen, kommt es oft nicht nur zu einer Entzündung einzelner Gelenke, sondern des ganzen Zehs (Daktylitis). Öfters beklagen die Patienten auch tiefsitzende Kreuzschmerzen, die auf eine Entzündung der Kreuz-Darmbein-Gelenke (Sakroileitis) hindeuten.

Diagnose

Die Diagnose einer Yersinien-induzierten Arthritis wird am sichersten durch den Nachweis der Erreger gestellt. Dabei gehört es zu den typischen Merkmalen der infektreaktiven Arthritiden, daß lebende Erreger im Gelenk selbst nicht nachgewiesen werden können. Der Erregernachweis muß an der Stelle des ursprünglichen Infektionsortes bzw. an der Stelle der ursprünglichen Infektion geführt werden. Bei Yersinien besteht allerdings das Problem, daß sie mit dem Abklingen der Durchfallssymptomatik im Stuhl nicht mehr nachzuweisen sind. Außerdem haben gerade Erwachsene häufig im Rahmen einer Yersinieninfektion überhaupt keine Durchfälle. Deshalb gelingt der Yersiniendirektnachweis durch Stuhluntersuchungen beim Auftreten einer Arthritis in der Regel nicht mehr. Näheres dazu finden Sie unter Yersinien.

Therapie der Yersinieninfektion

Die Therapie einer Yersinieninfektion des Darms erfolgt mit Antibiotika. Wichtig zu wissen ist, daß es nur wenige Antibiotika gibt, die gegen intrazellulär wachsende Bakterien wirksam sind (siehe dazu auch Chlamydien). Normalerweise erfolgt eine wirksame Therapie mit Tetracyclinen (Doxycyclin). Die übliche Dosis ist 2 x 100 mg/Tag für 10 bis 14 Tage. Wird geringer dosiert, kommt es häufig nicht zu einer Beherrschung der Infektion. Wird das normalerweise gut verträgliche Doxycyclin nicht vertragen oder wirkt es nicht ausreichend, kommen sogenannte Gyrasehemmer zum Einsatz.

Die Therapie der Yersinien-induzierten Arthritis

Die Therapie der Yersinien-induzierten Arthritis erfolgt heute noch nicht nach einheitlichen Methoden. Unumstritten ist die Behandlung der akuten Entzündung mit cortisonfreien Entzündungshemmern. Umstritten ist die Gabe von Cortison, da unter Cortison zumindest theoretisch eine Beeinträchtigung der Infektionsbekämpfung möglich ist. Manchmal sind allerdings die Schmerzen und Entzündungen in den Gelenken so stark, daß man ohne Cortison nicht hinkommt. Auf den ersten Blick unzweifelhaft ist die Gabe von Antibiotika. Leider war diese Behandlung in der Vergangenheit allerdings nicht so erfolgreich, wie man es auf Grund der Ursache der Erkrankung erwarten würde. Allerdings erfolgten die antibiotischen Behandlungen in der Regel sehr kurz (wie bei der Behandlung der ursprünglichen Infektion für 10 bis 14 Tage, selten länger als 4 Wochen). Deshalb sollte man die antibiotische Behandlung sehr viel länger durchführen. Da sich dieses Therapiekonzept allerdings im Entwicklungsstadium befindet, muß es unter einer speziellen Aufklärung des Patienten erfolgen und sollte in spezialisierten Zentren (z.B. Rheumazentren) durchgeführt und überwacht werden. Speziell bei der Yersinien-induzierten Arthritis wurden allerdings sehr gute Erfahrungen mit der Langzeit-Antibiotika-Therapie von Yersinien-induzierten Arthritiden gemacht. Entscheidend scheint dabei aber in der Tat eine gute Ausgangsdiagnostik und eine ausreichend lange Therapiedauer zu sein.

Zusatzinformationen

Diagnostik

In einigen Labors wird noch eine sogenannte KBR (Komplement-Bindungs-Reaktion) für die Yersinien-Diagnostik eingesetzt. Dies erkennt man an Befunden wie „Yersinia enterocolitica O3 negativ“ oder „Yersinia enterocolitica O3 1:16“ oder „Yersinia enterocolitica O9 1:<10“, „Yersinia pseudotuberculosis 1: 128“ usw.. Die KBR weist IgM-Antikörper gegen Yersinien nach und ist deshalb wie der IgM-Nachweis im ELISA nur am Anfang der Infektion positiv. Hohe Werte in der KBR deuten damit ebenfalls auf eine frische, gerade erst abgelaufene Infektion mit Yersinien hin. Andererseits spricht ein negativer Befund in der KBR (= kein Nachweis von Antikörpern gegen Yersinien in der KBR) nicht gegen eine durchgemachte und noch floride Infektion mit Yersinien.

Für eine chronische Yersiniose sprechen hohe Werte für IgA-Antikörper im ELISA und positive IgG- und auch hier vor allem positive IgA- Westernblot-Befunde. Dabei sollte man gerade bei den Westernblot-Befunden schauen, wie viele sogenannte „Banden“ positiv sind und welche. Oft wird von den Labors nur ein Befund „Yersinien-IgG-Westernblot positiv“ oder „Yersinien-IgA-Westernblot pos.“ mitgeteilt. Ein solcher Befund reicht nicht aus, um daran die Diagnose einer chronischen Yersinien-Infektion festzumachen. Notwendig ist die Mitteilung aller negativen und positiven und grenzwertig positiven Banden (die unterschiedlichen Banden erkennt man im Befundbericht an ihrem Molekulargewicht in Kilo-Dalton = kD). Eine hohe Zahl positiver Banden, z.B. 5 oder mehr deutet auf eine noch vorhandene, persistierende Yersinien-Infektion.

Ob es nach einer Yersinien-Infektion zu nachfolgenden Beschwerden bis hin zu einer yersinien-induzierten Arthritis oder Spondarthritis kommt, hängt neben anderen Faktoren, die man nicht genau kennt, sehr von einer genetischen Komponente ab, die sich über den Nachweis des Risikomarkers HLA B27 erfassen lässt. Personen, die HLA B27 positiv sind, haben ein wesentlich erhöhtes Risiko, nach einer Yersinien-Infektion eine Arthritis oder Spondarthritis oder andere Symptome im Bereich des Bewegungssystems zu entwickeln. Am HLA B27 hängt außerdem sehr stark die Frage eine Chronifizierung. So weiß man von anderen infektreaktiven Arthritiden, z.B. dem früher so genannten chronischen Reiter-Syndrom, daß bei 80% der Patienten mit einem chronischen Verlauf das HLA B27 positiv ist.

Therapie einer Yersinieninfektion allgemein

Für die Therapie einer Yersinien-Infektion sind nur wenige Antibiotika geeignet. Yersinien gehören in eine Gruppe von Erregern, die obligat intrazellulär leben, d.h. die sich immer in Zellen aufhalten. Sie können deshalb nur von Antibiotika abgetötet werden, die in die Zelle hineingelangen können und nicht ihre Wirkung hauptsächlich im Blut oder im Gewebe / im Raum um die Zellen herum („Extrazellulärraum“) entfalten. Mittel der ersten Wahl ist Doxycyclin, das aber bei einer Yersinien-Infektion höher als sonst üblich dosiert werden sollte (bei normalgewichtigen Erwachsenen 2 x 100 mg pro Tag) und lieber etwas länger als zu kurz gegeben werden sollte (eher 14 Tage bis 21 Tage statt 7-10 Tage). Kinder dürfen mit Doxycyclin nicht behandelt werden, da es in die Gruppe der Tetracycline gehört, die sich in den Zähnen ablagern können und bei noch nicht abgeschlossener Zahnentwicklung zur Verfärbung der Zähne führen können).

Doxycyclin ist in der Regel gut verträglich (muss aber unbedingt nach dem Essen eingenommen werden, da es auf nüchternen Magen oft eine ziemlich böse Übelkeit macht). Bei länger dauernder Therapie (mehr als die genannten 3 Wochen) sollte man vorsichtig mit UV-Licht sein (keine Sonnenbank, intensiver Sonnenschutz bei Urlaub im Hochgebirge oder an der See), da Doxyclin bei empfindlichen Personen die Haut noch anfälliger für Sonnenbrand machen kann. Als sehr seltene Nebenwirkung kann es zu einer Verfärbung der Fingernägel oder Zehennägel kommen.

Wenn Doxycyclin aus irgendwelchen Gründen nicht eingesetzt werden kann oder (was sehr selten ist) nicht ausreichend wirksam ist, kann auf ein Präparat aus der Gruppe der Gyrasehemmer ausgewichen bzw. gewechselt werden.

Therapie einer Yersinien-induzierten Arthritis

Für die Therapie einer yersinien-induzierten Arthritis gibt es keine gültigen allgemeinverbindlichen Therapieempfehlungen. Grundsätzlich muß eine symptomatische Behandlung, die sich rein auf die aktuellen Symptome und Beschwerden richtet, von einer remissionsinduzierenden Behandlung (Remission) unterschieden werden, die im optimalen Fall eine Heilung der Erkrankung zum Ziel hat.

Keine wesentlich unterschiedlichen Auffassungen gibt es dabei zur symptomatischen Therapie.

Unumstritten ist die Behandlung der akuten Entzündung mit cortisonfreien Entzündungshemmern.

Schon eher umstritten ist die Gabe von Cortison, da unter Cortison zumindest theoretisch eine Beeinträchtigung der Infektionsbekämpfung möglich ist. Es gibt für andere, allerdings mit der Yersinien-Arthritis nicht unmittelbar vergleichbare Erkrankungen (Borreliose) Hinweise darauf, daß die Therapie der Arthritis mit Cortison mit einem erhöhten Risiko für eine Chronifizierung einhergeht. Man versucht deshalb nach Möglichkeit, Cortison bei infektreaktiven Arthritiden jeder Art nach Möglichkeit zu vermeiden.

Manchmal sind allerdings die Schmerzen und Entzündungen in den Gelenken so stark, daß man ohne Cortison nicht hinkommt.

Sehr kontrovers ist die wissenschaftliche Diskussion über den Wert und Unwert einer antibiotischen Behandlung bei infektreaktiven Arthritiden.

Auf den ersten Blick ist die Gabe von Antibiotika eigentlich logisch. Gegen diese einfache Vorstellung sprechen aber die Behandlungsergebnisse mit den üblichen Therapieschemata. So war leider diese Behandlung in der Vergangenheit nicht so erfolgreich, wie man es auf Grund der Ursache der Erkrankung erwarten würde. Allerdings erfolgten die antibiotischen Behandlungen in der Regel sehr kurz (wie bei der Behandlung der ursprünglichen Infektion für 10 bis 14 Tage, selten länger als 4 Wochen). Wegen der speziellen Eigenschaften der Yersinien, u.a. ihrer intrazellulären Lebensweise, spricht vieles dafür, daß man mit einer so „kurzen“ Behandlungsdauer nicht alle Erreger endgültig eliminieren kann.

Deshalb sollte man die antibiotische Therapie viel länger durchführen. Da sich dieses Therapiekonzept allerdings noch im Entwicklungsstadium befindet, muß es unter einer speziellen Aufklärung des Patienten erfolgen und sollte nur von Spezialisten, die damit Erfahrung haben, durchgeführt und überwacht werden.

Auch wenn die wissenschaftlichen Daten zunehmend gegen den Effekt einer auch längeren antibiotischen Therapie bei infektreaktiven Arthritiden sprechen (siehe dazu unseren Bericht in den Kongress-News vom Januar 2002: Antibiotische Therapie bei infektreaktiver Arthritis), hat man auch speziell bei der Yersinien-induzierten Arthritis sehr gute Erfahrungen, d.h. sehr gute Erfolge mit der Langzeit-Antibiotika-Therapie. Möglicherweise ist dafür eine gute Ausgangsdiagnostik, ein qualifiziertes Monitoring der laufenden Therapie und eine ausreichend lange Therapiedauer entscheidend.

Wesentlich ist dabei vor allem die Frage, ob überhaupt noch eine floride Yersiniose besteht, d.h. ob überhaupt noch lebende Erreger im Körper sind, oder ob die derzeit vorliegenden Symptome und Probleme gar nicht mehr durch die Anwesenheit von lebenden Erregern selbst hervorgerufen werden, sondern durch eine fehlerhafte Antwort des Immunsystems, das glaubt, es müsse sich immer noch mit den Erregern auseinandersetzen, obwohl diese schon längst tot sind, und bei diesem unnötigen Kampf auch körpereigene Strukturen mit erwischt, die den Yersinien in ihrem Aufbau ein bißchen ähnlich sehen und nun als neue Zielscheibe der körpereigenen Abwehr herhalten müssen, obwohl sie eigentlich ganz unschuldig sind.

In einem solchen Fall richtet sich die Therapie dann in erster Linie auf eine Wiederherstellung einer angemessenen immunologischen Antwort. Dies bedeutet, daß in einem solchen Fall u.U. ähnlich behandelt wird wie bei der langwirksamen antirheumatischen Therapie einer chronischen Polyarthritis (rheumatoiden Arthritis) oder einer seronegativen Spondarthritis.

Copyright © 1997-2024 rheuma-online
rheuma-online Österreich
 
Alle Texte und Beiträge in rheuma-online wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind jedoch vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jegliche Haftungsansprüche, insbesondere auch solche, die sich aus den Angaben zu Krankheitsbildern, Diagnosen und Therapien ergeben könnten, sind ausgeschlossen.