Böse Falle: Empfehlung der Krankenkasse, bei längerer AU einen Rentenantrag zu stellen.

Im Erfahrungsaustausch wird gerade ein Thema diskutiert, dass zunehmend um sich zu greifen scheint: Der "freundliche Rat" des Krankenkassenmitarbeiters, angesichts einer länger bestehenden Arbeitsunfähigkeit infolge einer rheumatoiden Arthritis einen Rentenantrag zu stellen.

(Freitag, 11.10.2002, Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

Im Erfahrungsaustausch wird gerade ein Thema diskutiert, dass zunehmend um sich zu greifen scheint: Der "freundliche Rat" des Krankenkassenmitarbeiters, angesichts einer länger bestehenden Arbeitsunfähigkeit infolge einer rheumatoiden Arthritis einen Rentenantrag zu stellen.

Immer häufiger berichten Patienten, dass sie bei einer länger bestehenden Arbeitsunfähigkeit in der Folge einer rheumatoiden Arthritis aktiv von ihrer gesetzlichen Krankenkasse dazu aufgefordert werden, einen Rentenantrag zu stellen. Viele Patienten empfinden dies dann zunächst sogar als einen besonderen Service und gehen auf diesen Vorschlag dankbar ein.

Was die meisten Patienten in einer solchen Situation nicht wissen:

Die Rentenversicherung als der für die Rentenzahlung zuständige Kostenträger sieht die Frage der Erwerbsunfähgkeit natürlich völlig anders als die gesetzliche Krankenkasse, die für die Zahlung des Krankengeldes zuständig ist. Dies bedeutet in vielen Fällen, dass der Rentenantrag nach einem z.T. sehr langwierigen Verfahren, oft dann durch mehrere Instanzen (zunächst außergerichtliches Widerspruchsverfahren, dann Klage vor dem Sozialgericht, oft anschließend Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht als nächsthöherer Instanz) abgelehnt wird. Da die betroffenen Patienten in Erwartung der Berentung in dieser Zeit nicht versucht haben, die Arbeit wieder aufzunehmen, kommt es dann nicht selten zu einer sozialen Katastophe: Es erfolgt eine Aussteuerung aus der Krankenkasse, da die maximal zulässigen 18 Monate AU in der Regel inzwischen abgelaufen sind, der Arbeitgeber hat zwischenzeitlich meistens auch schon wegen der langen Krankheitsdauer gekündigt, und einen neuen Arbeitsplatz zu finden, fällt schon völlig Gesunden heute immer schwerer. Im Ergebnis endet es nach einer gewissen Zeit der Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenunterstützung langfristig finanziell im Sozialhilfebereich. Die Folgen kann sich jeder selbst ausmalen, zumal wenn es sich bei den Betroffenen um junge Menschen handelt, die vielleicht sogar gerade eine Familie gegründet haben oder sich ein Haus oder eine Eigentumswohnung gekauft haben mit allen Schulden und sonstigen finanziellen Verpflichtungen, die daran hängen.

Version 2: Entgegen dem üblichen Ablauf kommt es zur Berentung. Dies ist vor allem bei Patientinnen und Patienten in höherem Alter zu erwarten, die ohnehin keinen sehr langen Zeitraum bis zur normalen Altersrente haben. In diesem Fall wehren sich die Rentenversicherungsträger nicht ganz so heftig, da für sie die finanziellen Folgen der vorzeitigen Berentung auch nicht ganz so stark sind.

Wenn die Rente dann bewilligt wird, gilt der Zeitpunkt der Berentung ab dem Tag der Antragstellung. Der Betroffene bekommt dann rückwirkend ab diesem Termin die Rente nachgezahlt. Gleichzeitig muß er aber das von diesem Tag an gezahlte Krankengeld an die Krankenkasse zurückerstatten. Da die Rente in der Regel sehr viel niedriger ist als das Krankengeld, ist dies ebenfalls mit z.T. ganz erheblichen finanziellen Auswirkungen verbunden. Die Summen, die in einem solchen Fall zurückgezahlt werden müssen, betragen z.T. mehrere Tausend Euro, z.T. sogar Euro-Summen in 5-stelliger Höhe. In der Regel ist das Geld aber schon längst verbraucht, so dass es eigentlich gar nicht mehr zur Verfügung steht. Es muss also von der ohnehin sehr viel niedrigeren Rente getilgt werden, was oft gar nicht funktionieren kann. Wenn keine Rücklagen gebildet wurden, was bei den meisten Patienten der Fall ist, ist auch jetzt eine finanzielle und soziale Katastrophe vorgebahnt.

Deshalb: Vorsicht immer dann, wenn Krankenkassen Angebote und Vorschläge machen, die auf den ersten Blick sehr attraktiv klingen und wohlgemeint aussehen. Nicht in jedem Fall sind sie wirklich zum Wohl des Patienten, sondern dienen in erster Linie der Kostenabschiebung in dem großen Kostenverschiebebahnhof unseres Systems der sozialen Sicherung.

Die Postings zu diesem Thema im Erfahrungsaustausch:

Rentenantrag und Krankenkasse (http://rheuma-online.de/phorum/read.php?f=1&i=14157&t=14157#reply_14157)

 

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