Dicker Bauch – kaputte Gelenke?

Ja klar – wir wissen doch alle, dass Übergewicht den Gelenken schadet. Also wozu diese Nachricht? - Es ist eben nicht nur das Übergewicht, sondern neue Studien zeigen, dass zusätzlich die Botenstoffe, die das Fettgewebe produziert, rheumatische Erkrankungen auslösen und insbesondere noch verschlimmern können.

(Freitag, 10.04.2009, Dr. Barbara Missler-Karger)

Ein sicherer Zusammenhang zwischen Übergewicht und Kniegelenksarthrose wurde erstmals in der Framingham-Studie belegt. Bei Frauen war der Effekt des Körpergewichts stärker ausgeprägt als bei Männern.

Sehr deutlich wird der Zusammenhang zwischen Übergewicht und Gelenkzerstörung bei den Gelenkersatzoperationen. Man schätzt, dass aktuell 69 Prozent aller künstlichen Knie- und 27 Prozent aller neuen Hüftgelenke auf Übergewicht oder Adipositas zurückzuführen sind.

Da auffiel, dass Übergewichtige nicht – wie erwartet – z. B. eine Arthrose der tragenden Gelenke, z. B. der Kniegelenke bekamen, sondern auch kleinere Gelenke mitbetroffen sein konnten, machte man sich über mögliche weitere Ursachen Gedanken.

Die Forschung konzentrierte sich auf die Fettzellen und deren Bedeutung bei rheumatischen Erkrankungen. So kam heraus, dass Fettzellen (Adipozyten) Botenstoffe freisetzen, so genannte Adipozytokine. Diese Botenstoffe steuern u. a. entzündliche rheumatische Vorgänge und sind an dem für rheumatische Erkrankungen typischen Abbau der Gelenkstrukturen beteiligt.

Zu den Adipozytokinen gehört u. a. Leptin, ein Hormon, von dem zunächst bekannt war, dass es den Appetit und den Energieumsatz steuert. Das Hormon der Fettzellen spielt aber zusätzlich eine Rolle bei immunologischen und entzündlichen Vorgängen im Gelenk. So ließen sich im geschädigten Gelenk von Arthrosepatienten erhöhte Konzentrationen von Leptin nachweisen. Leptin scheint also für die entzündlichen und in der Folge zerstörerischen Vorgänge im Gelenk mit verantwortlich zu sein.

Ein weiteres Hormon aus der Reihe der Adipozytokine ist das Resistin. Bei postmenopausalen Patientinnen mit rheumatoider Arthritis zeigte sich ein Zusammenhang zwischen hohen Resistinkonzentrationen im Blut und verstärkten Entzündungsreaktionen, verstärkter Gelenkzerstörung und verminderter Knochendichte. Resistin wird daher als bedeutender Botenstoff im entzündlichen Prozess der rheumatoiden Arthritis eingestuft.

Epidemiologische Daten aus Großbritannien belegen ebenfalls diesen Zusammenhang zwischen Adipositas und rheumatoider Arthritis. Ein Body Mass Index (BMI) von > 30 kg/m² war hier mit einem erhöhten Risiko für eine rheumatoide Arthritis assoziiert.

Und auch die „alten Bekannten der Entzündung“, die bei rheumatischen Erkrankungen beteiligt sind, wie das C-reaktive Protein und Interleukin-6, sind bei adipösen Menschen nachweisbar, auch wenn sonst keine entzündlichen Erkrankungen vorliegen.

Für den Rheumatiker besonders erschwerend kommt hinzu, dass Patienten mit Adipositas eine Aktivierung des TNF-alpha-Systems zeigen. Umgekehrt konnte durch ein gezieltes Programm zur Gewichtsreduktion, das regelmäßige Bewegung beinhaltete, in einer klinischen Studie mit der Abnahme des Körpergewichts auch eine Abnahme der TNF-alpha-Plasmaspiegel nachgewiesen werden.

Das Zytokin Tumornekrosefaktor-alpha ist - wie auch das Interleukin-6 - einer der „Hauptdarsteller“ bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen. Gelingt es, die Zytokine mit Hilfe der neuen Biologika in Schach zu halten, werden wesentliche Besserungen der Symptome und der Gelenkzerstörung bis hin zum Stillstand der Erkrankung verzeichnet.

Die Fettzellen sind also nicht nur ein optischens, sondern auch ein "(gelenk)gesundheitliches" Ärgernis.

Alles in Allem: Was wir auch schon immer wussten - Abnehmen heißt die Parole. Dabei gilt insbesondere im Hinblick auf die Gelenke: Reduktion des Fettgewebes und Stärkung Muskulatur zur Stabilisierung des Bewegungsapparates.

Literatur und Links

Langer H. E.:
Übergewicht: Fluch oder Segen für den Rheumapatienten?
Schriftenreihe Fortschritte der klinischen Rheumatologie
State of the Art: Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit des Arbeitskreises Ernährungsmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie Rheumatologie. Hrsg. Th. Karger, R. Hein. Abbott Immunology, Ratingen: Preuss 2007. ISBN 978-3-927826-60-1

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Link zum Abstract

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Link zum Abstract 

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Resistin in serum is associated with higher levels of IL-1Ra in post-menopausal women with rheumatoid arthritis
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Link zum Abstract

Straczkowski M, Kowalska I, Dzienis-Straczkowska S, Stepién A, Skibińska E, Szelachowska M, Kinalska I.
Changes in tumor necrosis factor-alpha system and insulin sensitivity during an exercise training program in obese women with normal and impaired glucose tolerance.
Eur J Endocrinol. 2001;145:273-80.


weitere Informationen auf rheuma-online:

Adipositas und das Risiko für einen Gelenkersatz des Knies oder der Hüfte

Ambivalente Stellung des Fettzellenhormons Leptin bei Arthrose

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