Die Sicherheit der langwirksamen antirheumatischen Therapie (“Basistherapie”) und biologischen Therapie bei rheumatoider Arthritis

In dieser sehr großen US-amerikanischen Studie an 16.003 Patienten mit rheumatoider Arthritis wurde die Sicherheit der konventionellen langwirksamen antirheumatischen Therapie und der neuen biologischen Substanzen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mär von den "gefährlichen" Basismedikamenten beendet werden sollte.

(Freitag, 24.01.2003, Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

In dieser sehr großen US-amerikanischen Studie an 16.003 Patienten mit rheumatoider Arthritis (chronischen Polyarthritis) wurde die Sicherheit der konventionellen langwirksamen antirheumatischen Therapie (LWAR, DMARD-Therapie, „Basistherapie“) und der neuen biologischen Substanzen untersucht. Als Datenbasis dienten die Daten aus einer umfangreichen Längsschnittdokumentation in den Jahren 1998 bis 2001.

Die 16.000 Patienten rekrutieren sich aus den Praxen von 887 US-amerikanischen Rheumatologen. Insgesamt wurden in bis zu 8 Perioden mit 6-monatigen Abständen 56.719 Fragebögen ausgewertet.

Erhoben wurden Parameter der Krankheitsaktivität und der Funktionskapazität (Rheumatoid Arthritis Disease Activity Index, RADAI, Health Assessment Questionnaire, HAQ), Daten zur medikamentösen Therapie (Cortison, LWAR) und soziodemographische Daten wie Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer, Bildung und Einkommen, weiterhin Art der Krankenversicherung und Zeitpunkt des Eintritts in die Studie.

Die Analyse der therapeutischen Sicherheit bezog sich auf Infektionskomplikationen an verschiedenen Lokalisationen, Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlungen, Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Entwicklung von Autoimmunphänomenen und / oder definierten Autoimmunerkrankungen neben der rheumatoiden Arthritis, weiterhin das Auftreten von bösartigen Erkrankungen (solide Tumore und Lymphome).

Die Auswertung erfolgte getrennt für folgende Substanzen bzw. Substanzkombinationen:

· Infliximab (Remicade) mit oder ohne Methotrexat (Mtx)

· Etanercept (Enbrel) mit oder ohne Mtx

· Leflunomid (Arava) mit oder ohne Mtx

· Methotrexat mit oder ohne Infliximab, Etanercept oder Leflunomid und

· Keine dieser Substanzen (Mtx, Leflunomid, Infliximab oder Etanercept)

Ergebnisse

Unabhängig von allen einzeln erfassten Komplikationen war die Einnahme von Cortison insgesamt signifikant mit einem erhöhten Risiko für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung wegen einer Infektionskomplikation verbunden. Die Risikoraten (odds ratio, OR) betrugen für

- septische Komplikationen: OR 1.88 (95% CI 1.21, 2.94),

- Lungenentzündungen: OR 1.99 (1.60, 2.47),

- Infektionen der Niere und der Harnwege: OR 1.62 (1.06, 2.18),

- Infektionen im Bereich des muskuloskeletalen Systems: OR 1.55 (1.21, 2.98)

- Hautinfektionen: OR 1.90 (1.06, 2.25)

Beim Vergleich der Patienten unter einer langwirksamen antirheumatischen Therapie bzw. unter einer biologischen Therapie mit den 29% der Patienten ohne eine solche Behandlung zeigte sich für die Basistherapie-Gruppe sowie die Gruppe mit der biologischen Therapie insgesamt kein erhöhtes Infektionsrisiko.

Eine Auswertung für die beiden TNF-alpha-blockierenden Substanzen ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen Infliximab und Etanercept.

Unter Methotrexat kam es zu einer signifikant geringeren Rate an septischen Komplikationen („Blutvergiftung“) im Vergleich zu Infliximab und Etanercept. Gegenüber Leflunomid war die Rate an Infektionen im Bereich des muskuloskeletalen Systems unter Mtx niedriger.

Unter der konventionellen langwirksamen antirheumatischen Therapie war ebenso wie unter den biologischen Substanzen das Risiko für die Entwicklung einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) nicht erhöht. Ebenso kam es unter diesen Therapien nicht zu einem vermehrten Auftreten von Autoimmunphänomenen oder von Autoimmunerkrankungen. Diese Beobachtung bezieht sich auf alle Medikamente gemeinsam; Unterschiede zwischen den einzelnen Substanzen wurden nicht beobachtet.

Insgesamt kommen die Autoren zu dem Ergebnis, dass die Therapie mit den konventionellen langwirksamen Antirheumatika und den modernen biologischen Substanzen eine hohe therapeutische Sicherheit aufweist und insbesondere im Vergleich mit den Patienten ohne eine solche Behandlung nicht mit einem erhöhten Risiko für ernste Infektionskomplikationen, Entwicklung einer Herzschwäche oder Entstehung von Autoimmunphänomenen oder manifesten Autoimmunerkrankungen einhergeht.

Bestätigt wurde in der Studie das erhöhte Infektionsrisiko für Cortison als unabhängiger Risikofaktor.

Frederick Wolfe1, Kaleb Michaud1, Gregory Keenan2, Peter Callegari2

1National Data Bank for Rheumatic Diseases, Wichita, KS;2Centocor, Inc., Malvern, NJ

The Safety of Disease Modifying Anti Rheumatic Drugs and Biologic Therapy (DBT) in Rheumatoid Arthritis

American College of Rheumatology, 2002 Annual Scientific Meeting, October 24-29, New Orleans, Louisiana, Abstr. 372

rheuma-news vom 20. Januar 2003 – www.rheuma-online.de

Keywords: langwirksame antirheumatische Therapie * LWAR * DMARDs * Methotrexat * Mtx * Lantarel * Leflunomid * Arava * biologische Therapien * Etanercept * Enbrel * Infliximab * Remicade * Sicherheit * Sicherheitsdaten

Kommentar von rheuma-online:

Die Ergebnisse dieser Studie sind von einer außerordentlichen praktischen Bedeutung, da sie an einer sehr großen Zahl von Patienten aus dem ganz normalen rheumatologischen Alltagsleben zeigen, dass eine langwirksame antirheumatische Therapie überhaupt nicht gefährlich ist, speziell wenn man dagegen auch noch die (nicht vergleichbare) Alternative einer reinen Cortisontherapie gegenüberstellt.

Dies gilt sowohl für die hochwirksamen „klassischen“, konventionellen Basismedikamente wie Methotrexat (Mtx, z.B. Lantarel) oder Leflunomid (Arava) als auch für die neuen biologischen Medikamente aus der Gruppe der TNF-Blocker wie Etanercept (Enbrel) oder Infliximab (Remicade). Der Interleukin-1-Blocker Anakinra (Kineret) war zum Zeitpunkt der Datenerhebung in den USA noch nicht zugelassen. Deshalb liegen zu diesem Medikament in dieser Untersuchung noch keine Daten vor.

Einschränkend muß man allerdings darauf hinweisen, dass alle in dieser Studie ausgewerteten 16.000 Patienten qualifiziert rheumatologisch betreut wurden. Ob die Sicherheit der genannten Basistherapien und biologischen Therapien genauso hoch ist, wenn sie außerhalb einer engmaschigen rheumatologischen Betreuung von rheumatologisch nicht qualifizierten Ärzten durchgeführt werden, die mit diesen Medikamenten keine umfangreiche Erfahrung besitzen, kann aus den Daten dieser Untersuchung nicht geschlossen werden. Es liegt allerdings die Vermutung nahe, dass die Ergebnisse in einem solchen Fall anders aussehen. In Deutschland gilt deshalb speziell für die Medikamente aus der Gruppe der biologischen Therapien die Empfehlung, dass eine solche Behandlung nur durch spezialisierte Ärzte erfolgen sollte (in der Regel internistische Rheumatologen mit einer besonderen Erfahrung in der Anwendung dieser Substanzen).

Ein wichtiges Ergebnis ist weiterhin die – aus früheren Untersuchungen bereits bekannte – Beobachtung, dass eine Cortisontherapie ein von anderen Faktoren und Medikamenten unabhängiges Risiko für Infektionskomplikationen darstellt.

Diese Aussage der Studie kann allerdings für das tägliche Leben in der rheumatologischen Praxis und als Konsequenz für das therapeutische Handeln nur dann als Bewertungsmaßstab herangezogen werden, wenn man einige Informationen mit berücksichtigt, die im Gesamtzusammenhang ebenfalls von Bedeutung sind.

So weichen speziell in den USA die Vorstellungen von einer low-dose-Cortisontherapie von den Vorstellungen in Deutschland ab. Während der deutsche „Cortisonpapst“ Prof. Dr. med. Hanns Kaiser den low-dose-Bereich bei 5 mg Prednisolon-Äquivalent und niedriger ansetzt, definieren die US-amerikanischen Rheumatologen diese Grenze höher, in der Regel bei mindestens 7,5 mg, oft bei 10 mg. Es ist bekannt, dass mit höheren Cortisondosen das Infektionsrisiko ansteigt. Die im Hinblick auf die Cortisontherapie ungünstigen Ergebnisse der vorliegenden Studie können deshalb auf die Situation in Deutschland nur bedingt übertragen werden.

Allerdings unterstreicht die Studie im Hinblick auf Cortison die von uns in rheuma-online fast gebetsmühlenartig vorgetragene Auffassung, dass es bei der Therapie von entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen eines der zentralen Ziele sein muß, mit so wenig Cortison wie möglich auszukommen und dass es von entscheidender Bedeutung ist, durch eine wirksame krankheitsmodifizierende Therapie (LWAR, DMARD, „Basistherapie“) die Krankheit so gut zu kontrollieren, dass im günstigsten Fall kein Cortison notwendig ist oder man mit sehr niedrigen Dosen auskommt.

Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer

 

Copyright © 1997-2024 rheuma-online
rheuma-online Österreich
 
Alle Texte und Beiträge in rheuma-online wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind jedoch vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jegliche Haftungsansprüche, insbesondere auch solche, die sich aus den Angaben zu Krankheitsbildern, Diagnosen und Therapien ergeben könnten, sind ausgeschlossen.