Einmal TNF-alpha-Blockade - immer TNF-alpha-Blockade?

Bislang galt in der Rheumatologie für die Therapie mit TNF-alpha-Blockern mehr oder weniger die ungeschriebene Regel: „Einmal TNF-alpha-Blocker, immer TNF-alpha-Blocker“. Eine ganz aktuelle Pilotstudie zum Einsatz von Infliximab bei der frühen rheumatoiden Arthritis deutet darauf hin, dass wir hier umdenken müssen. Die Ergebnisse der Studie lassen darüber hinaus erahnen, dass wir vor dem Hintergrund der excellenten neuen therapeutischen Möglichkeiten in der Rheumatologie die bisherigen Therapiestrategien wahrscheinlich vollkommen neu formulieren müssen.

(Freitag, 01.11.2002, Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)

Bislang galt in der Rheumatologie für die Therapie mit TNF-alpha-Blockern mehr oder weniger die ungeschriebene Regel: „Einmal TNF-alpha-Blocker, immer TNF-alpha-Blocker“. Eine ganz aktuelle Pilotstudie zum Einsatz von Infliximab in Kombination mit Methotrexat bei der frühen rheumatoiden Arthritis deutet darauf hin, dass wir hier umdenken müssen. Die Ergebnisse der Studie lassen darüber hinaus erahnen, dass wir vor dem Hintergrund der excellenten neuen therapeutischen Möglichkeiten in der Rheumatologie die bisherigen Therapiestrategien wahrscheinlich vollkommen neu formulieren müssen.


New Orleans, Annual Scientific Meeting des American College of Rheumatology (ACR), 29. Oktober 2002. In einem „Late-Breaking Oral Abstract“ wurden auf dem diesjährigen ACR-Kongress in New Orleans die Ergebnisse einer sehr interessanten Pilotstudie an 20 Patienten mit einer frühen rheumatoiden Arthritis vorgestellt, bei denen vor Einsatz einer anderen langwirksamen antirheumatischen Therapie (DMARD-Therapie) gleich initial eine Behandlung mit dem TNF-Blocker Infliximab (Remicade) in Kombination mit Methotrexat (Mtx, z.B. Lantarel) erfolgte.


Alle Patienten waren kürzer als 1 Jahr an der rheumatoiden Arthritis erkrankt (mittlere Krankheitsdauer 6 Monate) und wiesen eine aktive Erkrankung auf (CRP im Mittel 42 mg/l). Das Durchschnittsalter betrug 52 Jahre, 65% der Patienten waren Rheumafaktor-positiv. Alle Patienten hatten zuvor noch keine DMARD´s erhalten. Die Behandlung erfolgte für 52 Wochen entweder mit Infliximab plus Methotrexat (Mtx) oder mit Mtx alleine. Die Infliximab-Infusionen erfolgten in einer Dosis von 3 mg pro kg Körpergewicht nach dem üblichen Behandlungsschema. In den ersten 12 Wochen der Studie durfte in beiden Therapiearmen kein Cortison gegeben werden.


Nach 52 Wochen wurde die Infliximab-Therapie beendet und in beiden Studiengruppen nur noch mit Mtx alleine behandelt. Die Patienten wurden regelmäßig nachbeobachtet und daraufhin untersucht, ob und wann es nach einem Absetzen von Infliximab zu einem erneuten Krankheitsschub kommen würde. Als Schubsituation wurde dabei ein Anstieg der klinischen Krankheitsaktivität mit einem Anstieg des CRP definiert, der Beginn einer zusätzlichen DMARD-Therapie oder die zusätzliche Gabe von Cortison.


Der bisherige Nachbeobachtungszeitraum bezieht sich auf ein durchschnittliches follow-up von 81 Monaten und ein durchschnittliches Intervall von 35 Wochen nach der letzten Infliximab-Infusion.


Die Auswertung der klinischen Ansprechrate zeigte 54 Wochen nach Studienbeginn eine deutliche Überlegenheit der Kombinationstherapie von Infliximab mit Mtx. Signifikante Unterschiede gegenüber der Monotherapie mit Mtx bestanden im Hinblick auf die im MNR (Kernspintomographie) nachgewiesene Synovitis (Gelenkentzündung), das ebenfalls im MNR beobachtete Ödem im gelenknahen Knochen und das Auftreten von knöchernen Erosionen.


Nach 54 Wochen erreichten 77% der Patienten in der Infliximab-Gruppe eine ACR-50-Response (gegenüber 40% in der Mtx-Gruppe, p < 0.05) und 66% eine ACR-70-Response (gegenüber 30% in der Mtx-Gruppe, p < 0.05).


In der bisherigen Nachbeobachtungsphase von 35 Wochen kam es nach Beendigung der Infliximab-Therapie unter der Mtx-Erhaltungstherapie bei keinem Patienten, der nach 54 Wochen mindestens eine ACR-50-Response erreicht hatte, zu einem erneuten Krankheitsschub.



Kommentar von TIZ:


War man bislang davon ausgegangen, dass bei der Therapie mit TNF-alpha-Blockern mehr oder weniger die Regel gilt: „Einmal TNF-alpha-Blocker, immer TNF-alpha-Blocker“, beweist diese Studie das Gegenteil.


Durch die Gabe von Infliximab konnte in der Kombination mit Methotrexat innerhalb von kürzester Zeit eine hochgradige Verringerung der Krankheitsaktivität erzielt werden, die in der Folge dann durch die weitere Gabe von Mtx alleine aufrecht erhalten werden konnte. Die dabei erzielten Response-Raten mit einer ACR-70-Response von 66% nach einem Jahr Therapie mit Infliximab in Kombination mit Mtx sind phänomenal und kommen auf Werte, die unseres Wissens mit anderen Therapieformen so noch nie erzielt wurden.


Die Studie macht uns Rheumatologen und unseren Patienten Mut, bedeutet aber auch, dass wir uns trauen müssen, Patienten früh und konsequent mit hochwirksamen Medikamenten zu behandeln. Dies haben die meisten von uns zu Beginn unserer Ausbildung in der Vergangenheit noch ganz anders gelernt und sind in der Gegenwart gerade dabei, diese Vorstellungen aus früheren Zeiten mit ihren noch ganz anders strukturierten therapeutischen Möglichkeiten zu verlassen.


Sollten die Ergebnisse der vorgestellten Studie im weiteren Verlauf anhalten und können sie in einer Studie mit einer größeren Patientenzahl bestätigt werden, kann man einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Rheumatologie erahnen. Dies bedeutet ein völliges Umdenken in der antirheumatischen Behandlungsstrategie und formuliert als neues Therapieziel die möglichst schnelle Einleitung einer Remission mit dem nachfolgenden Ziel des Remissionserhalts. Ein solcher aktiv-intervenierender, an der neuen Kategorie der Remissionsinduktion ausgerichteter Behandlungsansatz trennt sich vollkommen von traditionellen, eher zurückhaltend-abwartenden und in Eskalationsmodellen denkenden passiv-reagierenden Behandlungsvorstellungen und richtet seinen Focus stärker auf die gesicherten negativen Folgen der unzureichend behandelten Erkrankung als auf die möglichen unerwünschten Nebenwirkungen der antirheumatischen Therapie.


Immer mehr bewahrheitet sich auch in der Rheumatologie die Erkenntnis, die in anderen Disziplinen der Medizin mittlerweile schon ein Allgemeinplatz geworden ist – daß nämlich bei gefährlich verlaufenden, progredienten Erkrankungen, und wir haben mittlerweile gelernt, dass wir die rheumatoide Arthritis zu diesen Erkrankungen dazurechnen müssen, in der Regel nur die schnelle, unverzüglich einsetzende, konsequente und ggf. sogar aggressive therapeutische Intervention zu überzeugenden Erfolgen führt.


(Priv.Doz. Dr. med. H.E. Langer)

 

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