Lipidparadoxon bei entzündlichen Gelenkerkrankungen und der Einfluss der systemischen Inflammation auf die Medikation mit Statinen

Weder die systemische Entzündung noch die Lipidspiegel hatten in der jetz in «Annals of the Rheumatic Diseases» publizierten Untersuchung einen Einfluss auf die Statindosierung, die erforderlich war, um die empfohlenen Cholesterin-Zielwerte zu erreichen, die für die kardiovaskuläre Prävention in Leitlinien empfohlenen werden.

(Donnerstag, 15.05.2014, Dr. Barbara Missler-Karger)

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In einer im Jahr 2011 in Annals of the Rheumatic Diseases veröffentlichten Studie der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, USA ist erstmalig die Rede von einem Lipidparadoxon.

Bei den untersuchten RA-Patienten mit einem Gesamtcholesterinwert unter 155 mg/dl oder einem LDL-Cholesterinwert unter 77 mg/dl wurde im Vergleich zu Patienten mit höheren Werten ein deutlich erhöhtes Risiko für Risiko kardiovaskulärer Ereignisse beobachtet.

Ein weiteres Absinken um 39 mg/dl erhöhte bei diesen Patienten das Risiko für eine Angina pectoris, einen Krankenhausaufenthalt wegen eines Herzinfarkts oder eine  Herzinsuffizienz um das 2,6- bis 3,3-Fache. Nur der Zusammenhang zwischen Triglyzeriden und kardiovaskulären Ereignissen bot keine Überraschungen.

Eine aktive Entzündung (BSG über 30 mm/h) war erwartungsgemäß mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Hatten die Patienten aber zusätzlich ein niedriges LDL-Cholesterin war das Risiko wider Erwarten noch stärker ausgeprägt.

Die Autoren der Studie betonen die Bedeutung der systemischen Entzündung in der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen bei RA-Patienten. Die Mechanismen, wie Entzündungen den Zusammenhang zwischen Cholesterin und kardiovaskulärem Risiko durcheinanderbringen, seien jedoch noch ungeklärt [1, 2].

Wissenschaftler um Silvia Rollefstad von der Preventive Cardio-Rheuma Clinic, Oslo sind nun einer für die Praxis relevanten Fragestellung nachgegangen. Sie wollten wissen, inwieweit der Lipidspiegel bzw. die systemische Entzündung einen Einfluss auf die Statindosis haben, die erforderlich ist um die Cholesterin-Zielwerte bei Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen zu erreichen [3].

Fragt man sich vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse, ob es überhaupt sinnvoll ist, Patienten mit diesem Lipidparadoxon mit Statinen zu behandeln, geben S. Rollefstad und Kollegen in einer zuvor durchgeführten Studie die Antwort:

"Bei einem großen Teil der 426 untersuchten Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen bestand eine Indikation für eine kardiovaskuläre Prävention. Die Behandlung bis zur Erreichung der Lipid-Zielwerte erwies sich bei ca. 90 Prozent als erfolgreich [4]."

In der jetzt vorliegenden Studie wurde bei 197 Patienten, die die empfohlenen LDL-Cholesterinwerte erreicht hatten und bei 36 Patienten, bei denen dies nicht der Fall war, das Herz-Kreislaufrisiko evaluiert.

Die medikamentöse Lipidsenkung war mit Statinen begonnen worden, wobei die Dosierung so lange angepasst wurde, bis mindestens zwei der Zielwerte bei der Einstellung des Lipidprofils erreicht waren.

Es stellte sich heraus, dass weder die systemische Entzündung noch die Lipidspiegel zu Untersuchungsbeginn in einem Zusammenhang mit der Statindosierung standen, die erforderlich war, den empfohlenen Zielwert für das LDL-Cholesterin zu erreichen.
Außerdem waren die Basiswerte für die Entzündung und die Lipdspiegel für beide Patientengruppe vergleichbar.


Fazit:
Weder die systemische Entzündung noch die Lipidspiegel hatten in dieser Untersuchung einen Einfluss auf die Statindosierung, die erforderlich war, um die empfohlenen Cholesterin-Zielwerte zu erreichen, die für die kardiovaskuläre Prävention in Leitlinien empfohlenen werden.
Inwieweit die systemische Inflammation bei Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen im Zeitverlauf einen Einfluss auf das durch Statine reduzierte kardiovaskuläre Risiko hat, ist jedoch noch nicht bekannt [3].

Ob Lipide protektive Effekte durch Modulation von Autoimmunerkrankungen und Entzündungsmarkern haben, bleibt in weiteren Studien abzuklären.

Literatur und Links


1) Lipid paradox in rheumatoid arthritis: the impact of serum lipid
     measures and systemic inflammation on the risk of cardiovascular
     disease

     Elena Myasoedova, Cynthia S Crowson, Hilal Maradit Kremers, Veronique L
     Roger, Patrick D Fitz-Gibbon, Terry M Therneau, Sherine E Gabriel
     Ann Rheum Dis 2011;70:482-487 doi:10.1136/ard.2010.135871
     Abstract

2) Lipidparadox - Schützen Lipide Rheumatiker?
     Ärzte Zeitung, 09.03.2011

3)  Systemic inflammation in patients with inflammatory joint diseases
      does not influence statin dose needed to obtain LDL cholesterol goal
      in cardiovascular prevention

      S Rollefstad, E Ikdahl, J Hisdal, T K Kvien,3, T R Pedersen, I Holme, A G
      Semb
      Ann Rheum Dis doi:10.1136/annrheumdis-2013-204636
      Abstract

4)  Treatment to lipid targets in patients with inflammatory joint
     diseases in a preventive cardio-rheuma clinic

     Silvia Rollefstad, Tore K Kvien, Ingar Holme, Anne S Eirheim, Terje R
     Pedersen, Anne Grete P Semb
     Ann Rheum Dis 2013;72:1968-1974 doi:10.1136/annrheumdis-2012-202789
     Abstract


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