Neue Aspekte zur MTX-Therapie bei rheumatoider Arthritis: MTX-Tabletten oder MTX-Spritze?

Neuen Untersuchungsergebnissen zur Folge ist die intramuskuläre Verabreichung (i.m.-Applikation) von Methotrexat (MTX) auch bei Patienten wirksam, bei denen es vorher selbst mit hohen Dosen von oralem MTX (in Tablettenform) zu keinem ausreichenden therapeutischen Ansprechen gekommen ist.

(Samstag, 11.10.2003, Dr. med. Gabriele Moultrie / Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

Es ist eine schon lange bekannte Beobachtung aus der rheumatologischen Praxis, daß einige Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis zunächst auf eine Behandlung mit Methotrexat in Tablettenform nicht ansprechen und dieses Medikament dann auf einmal sehr viel besser wirkt, wenn die Therapie von der Tabletteneinnahme auf eine Therapie mit Methotrexat-Spritzen (intravenös = i.v. = in die Vene, intramuskulär = i.m. = in den Muskel oder subkutan = s.c. = unter die Haut) umgestellt wird.

Hintergrund für diesen Sachverhalt ist eine unterschiedlich hohe gastrointestinale Resorptionsquote von Methotrexat, d.h. MTX wird in Tablettenform bei manchen Patienten nicht ausreichend vom Magen-Darmtrakt aufgenommen, so daß es seine Wirkung nicht voll entfalten kann.

Frau Dr. Bingham von der Universität in Leeds hat sich nun mit dieser Problematik in einer systematischen Untersuchung beschäftigt. In einer ganz aktuellen Studie an 33 RA-Patienten konnte sie nachweisen, dass intramuskulär (i.m.) verabreichtes Methotrexat in einer mittleren Dosierung von 15mg/Woche bei Patienten, die zuvor hohe MTX-Dosierungen als Tablette erhalten hatten, eine deutlich bessere Wirksamkeit hinsichtlich der Krankheitsaktivität aufwies. Dabei war die Verträglichkeit des i.m. gespritzten MTX insgesamt gut.

Auf Grund dieser Beobachtungen empfiehlt sie bei mangelhaften Ansprechen auf MTX-Tabletten einen Therapieversuch mit intramuskulär verabreichtem MTX.

Frau Dr. Bing verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß insbesondere vor einer Therapie mit TNF-Inhibitoren die Behandlungsmöglichkeiten mit herkömmlichen langwirksamen Antirheumatika („Basismedikamenten“) konsequent ausgeschöpft werden sollten.

Nach Meinung von Dr. Bingham sollte vor einer Therapie mit einem TNF-alpha-Blocker unbedingt ein Therapieversuch mit intramuskulär gespritztem MTX gemacht worden sein, falls die MTX-Therapie in Tablettenform nicht erfolgreich war.

(Anmerkung von rheuma-online: Bei der Substanzgruppe der TNF-Inhibitoren handelt es sich um die modernen, gleichzeitig aber auch vergleichsweise teuren TNF-alpha-hemmenden Medikamente (TNF-alpha-Inhibitoren, TNF-alpha-Blocker wie Etanercept = Enbrel, Infliximab = Remicade, Adalimumab = Humira).

Nach den gültigen Therapieempfehlungen sollte, nicht zuletzt aus Kostengründen, ein TNF-alpha-Blocker bei der Therapie einer rheumatoiden Arthritis in der Regel erst dann eingesetzt werden, wenn eine Therapie mit konventionellen langwirksamen Antirheumatika nicht oder nicht ausreichend wirksam war. Dabei sollte vor dem Beginn einer solchen TNF-alpha-Blocker-Therapie insbesondere auch vorher ein Therapieversuch mit MTX in einer ausreichend hohen Dosierung (mindestens 15 mg pro Woche) und über einen ausreichend langen Zeitraum (mindestens 3 Monate) unternommen worden sein.)

Literatur:

- Bingham SJ, Buch MH, Lindsay S, et al.

Parenteral methotrexate should be given before biological therapy. Rheumatology (Oxford) 2003 Aug; 42(8):1009-10

Kommentar von rheuma-online:

Es wird durch immer mehr Studien immer deutlicher, daß es bei der Therapie einer rheumatoiden Arthritis ganz entscheidend darauf ankommt, die Entzündungsaktivität so früh wie möglich, so schnell wie möglich und so wirksam wie möglich zu kontrollieren. Ein von uns deshalb immer wieder genanntes Stichwort in diesem Zusammenhang ist das „therapeutische Fenster“ (im angloamerikanischen wird auch gerne von einem „window of opportunity“ gesprochen), in dem sich der weitere Krankheitsverlauf dieser Erkrankung und letztlich auch die Prognose eines individuellen Patienten entscheidet.

Nach allen Daten, die heute vorliegen, gehört Methotrexat zu den Medikamenten, mit denen eine schnelle und wirksame Krankheitskontrolle möglich ist. Wenn es durch eine Therapie mit Methotrexat innerhalb einer überschaubaren Zeit, d.h. innerhalb von drei bis maximal sechs Monaten aber nicht gelingt, die Erkrankung zumindestens in eine teilweise Remission zu bringen, ist eine unumkehrbare Zerstörung des Gelenkknorpels und eine nur schwer umzukehrende Zerstörung des gelenknahen Knochens zu befürchten.

Die rheumatoide Arthritis ist insofern nicht eine Erkrankung, bei der man mit der Therapie unendlich viel Zeit hat, sondern ein dringlich zu behandelndes Krankheitsbild oder eine „ medical emergency“, wie es der berühmte US-amerikanische Rheumatologe Theodore Pincus aus Nashville/Tennessee immer wieder mit Nachdruck unterstreicht.

Wenn man aus der sehr wichtigen Studie von Frau Dr. Bingham deshalb den Schluß zieht, man müsse bei einer hochaktiven, rasch fortschreitenden und prognostisch ungünstigen rheumatoiden Arthritis nun auch noch den möglichen Effekt einer Therapieumstellung auf intramuskulär gespritztes MTX abwarten, bevor man einem Patienten in dieser Situation die Chance auf eine effektive Krankheitskontrolle mit den wirksamsten krankheitskontrollierenden Substanzen gibt, die wir heute kennen, nämlich den TNF-alpha-Blockern, zielt man wahrscheinlich an der wesentlichsten Aussage dieser Studie haarscharf vorbei.

Aus unserer Sicht kann die Konsequenz aus dieser Studie nur diejenige sein, die wir in rheuma-online im übrigen schon die ganze Zeit propagieren, nämlich daß die Verabreichung von Methotrexat / MTX zumindestens bei hochaktiven, prognostisch ungünstigen Verläufen einer rheumatoiden Arthritis (z.B. bei solchen Patienten, bei denen bei Diagnosestellung und Therapiebeginn mit MTX bereits im Röntgenbild erste erosive Veränderungen nachweisbar sind, d.h. beginnende Zerstörungen von Gelenkknorpel und gelenknahem Knochen), gleich von Anfang an in parenteraler Form erfolgen sollte, d.h. in Spritzenform. Dabei ist es unter dem Aspekt der Resorption gleichgültig, ob dies als Spritze in die Vene, in den Muskel oder unter die Haut erfolgt.

Mit dieser Vorgehensweise ist sichergestellt, daß man nach Ablauf von drei Monaten weiß, ob MTX wirkt, und außerdem weiß, wenn es nicht wirkt, daß es nicht an der Frage der Verabreichungsform liegt.

Gleichzeitig ist sichergestellt, daß ein Patient nach drei Monaten unzureichender Krankheitskontrolle unter einer Tablettengabe von MTX nicht erst noch eine „Ehrenrunde“ mit MTX in Spritzenform laufen muß, bevor bei ihm eine Therapieumstellung auf eine andere, dann hoffentlich wirksame Therapie erfolgt, beispielsweise auf Leflunomid (Arava) oder, je nach Krankheitsaktivität, bisherigem Krankheitsverlauf und weiterer prognostischer Einschätzung, auch gleich auf die zwar sehr teuren, dafür aber überlegen wirksamen biologischen Medikamente, z.B. die oben genannten TNF-alpha-Blocker oder auch den IL-1-Hemmer Anakinra (Kineret).

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