Radiosynoviorthese: Führt der neue "Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM 2000Plus)" zu einer weiteren Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin bei Rheuma-Patienten?

Die Radiosynoviorthese (RSO) ist gefährdet. Diese Befürchtung äußert die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. in ihrer aktuell erschienenen Pressemitteilung. Mit einem außergewöhnlichen Schritt ruft sie alle Patienten auf, zusammen mit ihr für den Erhalt dieser wichtigen Behandlungsmethode zu kämpfen.

(Donnerstag, 25.07.2002, Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)
Kategorie: Archiv bis Mai 2005

Die Radiosynoviorthese (RSO) ist gefährdet. Diese Befürchtung

äußert die Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin e.V. in ihrer aktuell

erschienenen Pressemitteilung.

Würde der neue sogenannte Einheitliche Bewertungsmaßstab "EBM 2000 Plus" wie

in der jetzt vorliegenden Fassung von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

(KBV) verabschiedet, so die nuklearmedizinische Gesellschaft, ginge für

Rheumapatienten vermutlich ein wichtiges Behandlungsverfahren verloren -

zumindest, wenn sie bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind.

Die Radiosynoviorthese (RSO) ist eine Behandlungsmethode, mit der einzelne,

besonders schwer betroffene Gelenke behandelt werden können (siehe dazu auch

unseren Beitrag in unserer Rubrik: "Was ist eigentlich..." ). In der

Pressemitteilung der Gesellschaft für Nuklearmedizin wird der Eingriff ganz

gut erklärt. Deshalb geben wir diese Passage im folgenden im Wortlaut

wieder:

"Bei diesem nuklearmedizinischen Verfahren, das bereits seit mehr als

dreißig Jahren erfolgreich angewendet wird, werden die entzündlichen und

sehr schmerzhaften Wucherungen der Gelenkschleimhaut (Synovia) mit Hilfe

sogenannter Radionuklide bekämpft und so der Entzündungsprozess oft über

Jahre gestoppt.

Radionuklide sind radioaktiv markierte Substanzen, deren Strahlung im Gelenk

bis zu 11 Millimeter weit reicht. Nach der Injektion direkt ins Gelenk

werden durch diese Strahlen die krankhaft wuchernden Zellen abgetötet, ohne

dass das umliegende Gewebe in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Behandlung

kann ambulant durchgeführt werden. Lediglich ein Ruhigstellen des

betroffenen Gelenkes ist anschließend notwendig.

Die Radiosynoviorthese ist ein wichtiger Baustein im Behandlungskonzept

vieler Rheumapatienten, bei denen die Basismedikation allein nicht mehr

ausreicht, um besonders heftig in Mitleidenschaft gezogene Gelenke zu

behandeln. Hier sorgt die RSO nicht nur für Linderung von Schmerz und

Schwellung und eine Verbesserung der Beweglichkeit. Sie kann auch häufig

eine operative Gelenkversteifung oder Prothese noch erheblich hinauszögern."

Die nuklearmedinische Gesellschaft verweist nun auf die Probleme, die mit

den geplanten Regelungen in der neuen Vergütungsordnung für Kassenärzte

verbunden sind:

"Durch die Neuregelungen im EBM 2000 Plus wird dieses Verfahren jedoch für

Nuklearmediziner zu einem drastischen Zuschussgeschäft, das einige Praxen

ganz aus ihrem Leistungsangebot werden streichen müssen, andere nur noch

ihren Privatpatienten anbieten können. Denn für einige Gelenke übersteigen

allein die Radionuklidkosten die von den Kassen erstattete Summe um mehr als

das Doppelte. Im Extremfall werden z. B. 200 DM (102,26 EUR) für die RSO

eines Hüftgelenks mit 5 mCi Rhenium-186 erstattet. Der Nuklearmediziner hat

jedoch 584,05 DM (298,62 EUR) an die Lieferfirma zu überweisen.

Außerdem ist vorgesehen, dass täglich pro Patient nur ein Gelenk behandelt

werden darf. Was als kostensenkende Maßnahme gedacht ist, führt aber

lediglich dazu, dass Patienten mehrfach einbestellt werden müssen, wenn -

was häufig der Fall ist - mehrere Gelenke behandelt werden sollen. Gerade

bei Rheumapatienten ist dies nicht nur eine Zumutung für die Schmerzen

leidenden Betroffenen, sondern es generiert auch neue Kosten."

Die Gesellschaft für Nuklearmedizin ruft alle Patienten auf, zusammen mit

ihr für den Erhalt der Radiosynoviorthese auch als Behandlungsmaßnahme bei

Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung ("Kassenpatienten") zu

kämpfen.

Sie hat sich dazu sogar zu dem außergewöhnlichen Schritt entschlossen, nicht

mehr nur bei den Verantwortlichen der kassenärztlichen Bundesvereinigung

(KBV) selbst zu intervenieren. Sie wendet sich nunmehr auch in einem offenen

Brief direkt an die betroffenen Patienten, die auf die Verfügbarkeit der

Radiosynoviorthese angewiesen sind (der offene Brief ist auch unter

www.nuklearmedizin.de zu finden).

Weitere Informationen:

 

DGN e. V., Pressestelle

 

Heike Jordan

 

Tel. 0551/370753-85

 

info@nuklearmedizin.de

www.radiosynoviorthesis.com

 

www.nuklearmedizin.de

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(Der offene Brief im Original-Text)

Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner

 

Arbeitsgemeinschaft Radiosynoviorthese

 

Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin

 

Arbeitsgemeinschaft Therapie

 

Offener Brief an unsere Patienten:

 

Radiosynoviorthese nur noch für Privatpatienten?

 

Wehren Sie sich!

 

Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

leidvolle Erfahrungen mit Rheuma und anderen entzündlichen

Gelenkerkrankungen sind Ihnen nicht erspart geblieben. Im Kampf gegen die so

schmerzhaften Gelenkzerstörungen mit Bewegungseinschränkungen haben Sie

jedoch unverzichtbare Verbündete gefunden:

* Am wichtigsten ist zunächst die antirheumatische

Basismedikation. Dank der Fortschritte in der medikamentösen Therapie

gelingt es heute zumeist, die Lebensqualität auf einem ertragbaren Niveau zu

halten.

* In manchen Fällen lässt es sich nicht vermeiden, zusätzlich

die Hilfe des Rheumaorthopäden oder -chirurgen in Anspruch zu nehmen.

* Bislang konnten Sie sich auch auf den Dritten im Bunde gegen

den "Krieg im Gelenk" verlassen: die Radiosynoviorthese (RSO), ein

nuklearmedizinisches Verfahren zur Behandlung einzelner, besonders stark

betroffener Gelenke. Sie haben erlebt, wie das jeweils behandelte Gelenk

eine ganz wesentliche Linderung von Schmerz und Schwellung und Verbesserung

der Beweglichkeit erfuhr, oft für viele Jahre. Und wie auf diese Weise eine

Intensivierung der medikamentösen Therapie oder gar eine operative

Gelenkversteifung oder -prothese vermieden werden konnte.

Zusätzlich zu der Krankheit, unter der Sie ohnehin schon genug leiden, ist

jetzt ein weiterer Gegner Ihrer Gesundheit aufgetaucht: die Kassenärztliche

Bundesvereinigung (KBV), die Vertretung aller Kassenärzte in der

Bundesrepublik. Die KBV hat den Auftrag, einen neuen Gebührenkatalog für

alle Kassenärzte (EBM = Einheitlicher Bewertungsmaßstab) zu erstellen, in

dem für jede medizinische Leistung angegeben ist, wie viel Ihr Arzt dafür

mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen darf. Dieser "EBM 2000 Plus"

soll "im Schweinsgalopp über die Hürden" (Deutsches Ärzteblatt) gejagt

werden und Januar 2003 in Kraft treten. Dabei ist Folgendes beabsichtigt:

* Nur ein einziges Gelenk pro Tag darf mit der RSO behandelt werden,

so dass Sie gegebenenfalls mehrmals einbestellt werden müssen.

* Die (Material-)Kosten für Radionuklide werden dem Arzt gesondert mit

einer Pauschale vergütet. Im Extremfall werden z. B. 200 DM (102,26 EUR) für

die RSO eines Hüftgelenks mit 5 mCi Rhenium-186 erstattet. Der

Nuklearmediziner hat jedoch 584,05 DM (298,62 EUR) an die Lieferfirma zu

überweisen. Für die meisten Gelenke, u. a. auch das in Deutschland am

häufigsten behandelte Kniegelenk, ist die Pauschale nicht kostendeckend,

sondern ein erschreckend unzureichender Zuschuss.

* Ein Ausgleich des Defizits über die Vergütung der (neu eingeführten)

"ärztlichen Leistung (AL)" und "technischen Leistung (TL)" ist wegen einer

krass abgefallenen Bewertung unmöglich. Wie Sie wissen, ist die Injektion

des Radionuklids nicht eine simple Gelenkpunktion, sondern meist mit

Durchleuchtung, Kontrastmitteluntersuchung und Röntgendokumentation

verbunden. Dieser in der medizinischen Leitlinie vorgeschriebene Aufwand,

welcher der RSO ihren hohen, fast völlig nebenwirkungsfreien

Qualitätsstandard garantiert, ist im neuen EBM unberücksichtigt (und damit

aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht mehr zu leisten).

Alle diese dramatischen Änderungen bedeuten das Aus für die

Radiosynoviorthese -: für Kassenpatienten. Und die Ärzte werden vom Eid zum

Meineid des Hippokrates vergewaltigt.

Seien Sie sicher: Wir Nuklearmediziner wollen Ihnen auch weiterhin helfen

und unternehmen alles, um diesen wahrlich verantwortungslosen Unfug der KBV

zu verhindern. Vermutlich werden wir keinen Erfolg haben, und rechtliche

Schritte sind zu langwierig.

Als betroffener Patient können Sie sich jetzt nur selbst helfen!

Schreiben Sie einen kurzer Protestbrief, in dem Sie die bisherige Bedeutung

der RSO und die schlimmen Konsequenzen der neuen Vorschriften für Ihr ganz

persönliches Leben schildern, an folgende Adresse:

 

An die

 

Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)

 

z.Hd. Stellvertr. Hauptgeschäftsführer Dr. Köhler

 

Herbert-Lewin-Str. 3

 

50931 Köln

 

 

Nur so, nur mit Ihrer Notwehr als Patient, kann die Gleichgültigkeit der KBV

gegenüber dem Schicksal der Kranken durchbrochen werden. Diese

Patientenaktion findet bundesweit statt, und sie wird in unserer Demokratie

nur funktionieren, wenn sich jeder Betroffene engagiert. Sprechen Sie Ihren

Arzt darauf an, suchen Sie auch Kontakte zu anderen Patienten, zu Verbänden,

zu Politikern - es stehen Wahlen bevor! -, schicken Sie Kopien an diese

Stellen. Evtl. Kopien an uns möchten wir dazu benutzen, die Medien

bundesweit für die exemplarische Groteske in diesem kranken

Gesundheitssystem zu interessieren.

Man erduldet nur das, was man sich gefallen lässt!

Mit freundlichen Grüßen

Im Juli 2002

Im Auftrag:

 

Prof. Dr. med. Gynter Mödder

 

Max-Planck-Str. 27 a

 

50858 Köln Tel:

 

02234/23024

 

Fax: 02234/23025

Mehr zur Radiosynoviorthese im Internet: www.radiosynoviorthesis.com

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