Schwangerschaft unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern

In der Februarausgabe des angesehenen Journal of Rheumatology findet sich eine Umfrage zum Ausgang einer Schwangerschaft unter konventioneller langwirksamer antirheumatischer Therapie der rheumatoiden Arthritis mit Methotrexat und Leflunomid sowie unter TNF-alpha-Blockern. Die Studie beinhaltet die bislang umfassendsten Daten zu dieser Thematik.

(Freitag, 25.04.2003, Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)

Ein aktueller Report in der Februarausgabe des angesehenen Journal of Rheumatology fasst die bislang umfangreichsten Erfahrungen zu einer Schwangerschaft unter einer langwirksamen antirheumatischen Therapie der rheumatoiden Arthritis mit Methotrexat (z.B. Lantarel) zusammen und beinhaltet außerdem erste Daten zu Schwangerschaften unter Leflunomid (Arava), Etanercept (Enbrel) und Infliximab (Remicade).


Dr Eliza F Chakravarty und seine Mitarbeiter von der Stanford Universität in Kalifornien befragten US-amerikanische Rheumatologen zu Ihrer Auffassung und ihren Erfahrungen sowie ihren Empfehlungen bezüglich einer Schwangerschaft unter Methotrexat, Leflunomid, Etanercept und Infliximab.


Übereinstimmend wurde das bekannte erhöhte Risiko für kindliche Missbildungen von Müttern bestätigt, die während der Empfängnis und in der frühen Schwangerschaftsphase mit Methotrexat behandelt worden waren.


Erstaunlicherweise wurden keine erhöhten Mißbildungsraten in einer vergleichbaren Situation für Kinder berichtet, deren Mütter mit Leflunomid, Etanercept oder Infliximab behandelt worden waren. Allerdings war die Zahl der Schwangerschaften sehr gering, so dass derzeit nur sehr vorsichtige und vorläufige Aussagen aus dieser Studie möglich sind. Speziell für Leflunomid bedeuten diese Daten nicht, dass Leflunomid im Hinblick auf eine Schwangerschaft eine sichere Substanz sei. Im Gegenteil gilt selbstverständlich unverändert, dass es unter Leflunomid auf keinen Fall zu einer Schwangerschaft kommen darf, da aus Tierexperimenten eine Teratogenität von Leflunomid (Mißbildungen beim ungeborenen Kind) sicher belegt ist.


In der Befragung wurden die Rheumatologen nach ihrer Auffassung zu dem Risiko einer langwirksamen antirheumatischen Therapie für das ungeborene Kind befragt, außerdem ihren Empfehlungen hinsichtlich der Schwangerschaftsverhütung unter einer LWAR-Therapie und nach dem Ausgang der Schwangerschaft, wenn Frauen unter einer langwirksamen antirheumatischen Therapie schwanger geworden waren. Insgesamt wurden diese Fragebögen an 600 Mitglieder des American College of Rheumatology (ACR), der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der US-amerikanischen Rheumatologen, versandt. Eine Rückantwort erfolgte von 175 Rheumatologen (29%).


Die überwiegende Mehrzahl der Rheumatologen stimmte darin überein, dass für Methotrexat und Leflunomid eine Teratogenität besteht, d.h. das Risiko von kindlichen Missbildungen in der Folge einer Therapie mit diesen Medikamenten während der frühen Schwangerschaft. Weniger sicher waren sich die Experten in der Frage des entsprechenden Risikos für die TNF-Blocker Etanercept und Infliximab. Allerdings wurde in der Regel auch unter einer solchen Therapie den Frauen im gebärfähigen Alter eine sichere Empfängnisverhütung empfohlen.


Unter den genannten langwirksamen antirheumatischen bzw. krankheitskontrollierenden Therapien kam es im Erfahrungsumfeld der befragten Rheumatologen insgesamt zu 65 Schwangerschaften. Soweit die Daten vorhanden waren, wurden zu diesen Schwangerschaften folgende Informationen abgefragt: Zeitpunkt der Entbindung (zum Termin oder vorzeitige Geburt), Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation, spontaner Abort (Fehlgeburt), kindliche Missbildungen sowie sonstige Schwangerschaftskomplikationen.


Methotrexat und Schwangerschaft


Hinsichtlich der Methotrexat-Therapie (z.B. Lantarel, Metex) waren 95% der befragten Ärzte der Auffassung, dass unter Mtx eine Schwangerschaft kontraindiziert ist. Das Ergebnis erstaunt insofern etwas, als schon seit den Anfängen der 50er Jahre das Aminopterin/Methotrexat-Syndrom als Folge dieser Therapie bekannt ist und die US-amerikanische Zulassungsbehörde Methotrexat im Hinblick auf eine Schwangerschaft mit „X“ einstuft, d.h. unter die Substanzen einordnet, bei denen es auf keinen Fall zu einer Schwangerschaft kommen darf. Man hätte insofern ein 100%-Ergebnis erwartet.


Vor der hier berichteten Befragung gab es in der wissenschaftlichen Literatur Einzelfallberichte von insgesamt 23 Schwangerschaften unter Mtx, bei denen 13 gesunde Kinder zum Termin geboren wurden und 4 Kinder mit Missbildungen. Bei den übrigen Müttern wählten 2 einen Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation, bei weiteren 4 Patientinnen kam es zu einer spontanen Fehlgeburt. Bei den kindlichen Missbildungen handelte es sich in allen Fällen um das bekannte Aminopterin/Methotrexat-Syndrom. Dabei kann es zu einer Anencephalie kommen (Fehlen des Gehirns), Fehlbildungen bei den Schädelknochen (craniale Knochendysplasien), Unterentwicklungen oder fehlenden Ausbildungen von Gehirnpartien (cerebrale Hypoplasien) sowie zu Extremitätenmißbildungen (Fehlbildungen im Bereich von Armen und Beinen).


In der aktuellen Befragung wurden 39 Schwangerschaften unter Methotrexat berichtet. 21 davon hatten einen glücklichen Ausgang mit gesunden, zum Termin geborenen Kindern. In 7 Schwangerschaften kam es zu einem spontanen Abort; bei 8 Patientinnen erfolgte auf ihren Wunsch ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation. Die behandelten Rheumatologen rieten 4 weiteren Patientinnen zu einem gezielten Schwangerschaftsabbruch, der aber nicht durchgeführt wurde. Bei 3 dieser Schwangerschaften kam es zu kindlichen Missbildungen, wobei zwei Schwangerschaften ausgetragen wurden und in einem Fall eine Fehlgeburt eintrat.


Insgesamt wurde eine Mißbildungsrate unter Mtx von 17% kalkuliert gegenüber 2% bis 3% in der Bevölkerung von Kalifornien.


Leflunomid und Schwangerschaft


Bei Leflunomid (Arava) ist aus Tierexperimenten seine Teratogenität bekannt, d.h. auch hier kommt es zu Missbildungen beim Kind, wenn die Substanz vor und / oder während der Schwangerschaft eingenommen wird. Im Unterschied zu Methotrexat weist Leflunomid dabei eine sehr lange biologische Halbwertszeit auf. Wenn keine spezielle Auswaschmethode verwendet wird, kann die Substanz nach Absetzen der Medikation bis zu 2 Jahren im Körper verbleiben. Deshalb muß bei Arava auch eine sichere Empfängnisverhütung über diesen gesamten Zeitraum erfolgen, wenn man sich nicht zu dem Auswaschverfahren entscheidet.


Leflunomid gehört in der Einstufung der FDA ebenfalls in die Kategorie „X“, d.h. auch unter der Therapie mit Leflunomid darf es auf keinen Fall zu einer Schwangerschaft kommen. Weiterhin schreibt die FDA eine sichere Empfängnisverhütung unter einer Therapie mit Leflunomid vor sowie die Durchführung eines Schwangerschaftstestes vor Therapiebeginn. Eine entsprechende Empfehlung gaben 97,3% der befragten Rheumatologen.


In der Literatur sind 30 unter Leflunomid eingetretene Schwangerschaften bekannt, die mit Ausnahme von 3 Fällen alle aus medizinischer Indikation beendet wurden. Diese 3 Frauen waren zum Zeitpunkt der Publikation noch schwanger, so dass man über den Ausgang der Schwangerschaft noch keine Kenntnisse hatte.


In der vorliegenden Umfrage kam es bei 10 Patientinnen unter einer laufenden Leflunomid-Therapie zu einer Schwangerschaft. Von diesen Schwangerschaften ist für 6 der Ausgang bekannt. 2 Kinder wurden gesund zum Termin geboren, in einem Fall kam es zu einer Frühgeburt eines ansonsten gesunden Kindes, und in einem Fall kam es zu einem Abgang des Feten. 2 Mütter entschieden sich zu einem Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation.


TNF-Blocker und Schwangerschaft


Die TNF-alpha-Blocker werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Hinblick auf das Risiko für eine Schwangerschaft von der FDA in die Klasse B eingestuft. Dies bedeutet, dass es aus Tierexperimenten keine Hinweise auf eine Schädigung für das Kind im Mutterleib oder für ein Missbildungsrisiko gibt, aber andererseits ausreichende Daten von Schwangerschaften beim Menschen nicht vorliegen.


Aus der bisherigen Literatur sind keine Schwangerschaftsverläufe unter einer Therapie mit Etanercept (Enbrel) bekannt; für Infliximab (Remicade) lag bislang ein Abstract vor. Darin wird über 50 Schwangerschaften unter Infliximab berichtet. Bei 2 Geburten kam es zu Komplikationen; in einem Fall zu einer Frühgeburt in der 23. Woche; bei dem zweiten Kind bestand eine schwere Herzmissbildung (Fallot´sche Tetralogie). Insgesamt gab es aber im Vergleich zu einer nationalen Kohorte von gesunden Frauen keine Abweichungen.


Bei der vorliegenden Umfrage waren die US-amerikanischen Rheumatologen wegen der nur spärlichen Datenlage in der Beurteilung des Schwangerschaftsrisikos unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern relativ unsicher. Etwa die Hälfte der Befragten konnten keine definitive Antwort geben, ob unter der Therapie mit TNF-alpha-Blockern eine Schwangerschaft kontraindiziert sei oder nicht. Deshalb empfahl etwas mehr als ein Drittel (im Fall von Enbrel) bis knapp die Hälfte (im Fall von Infliximab) der Rheumatologen ihren Patientinnen auch unter dieser Therapie eine sichere Schwangerschaftsverhütung (Etanercept: 38,6%; Infliximab: 46,5%)


In der Befragung wurden 15 Schwangerschaften unter Etanercept und 2 Schwangerschaften unter Infliximab berichtet. Bei 6 Schwangerschaften unter einer Monotherapie mit Etanercept (d.h. ohne Kombination mit Methotrexat) war zum Zeitpunkt der Befragung der Ausgang bekannt. In allen Fällen kam es zur Geburt gesunder Kinder, die auch jeweils zum Termin geboren wurden. Bei den 2 unter Infliximab eingetretenen Schwangerschaften kam es in einem Fall zum Termin zur Geburt eines gesunden Kindes, in dem anderen Fall ist der Ausgang der Schwangerschaft nicht bekannt.


Literatur:


Chakravarty EF, Sanchez-Yamamoto D, Bush TM. The use of disease modifying antirheumatic drugs in women with rheumatoid arthritis of childbearing age: a survey of practice patterns and pregnancy outcomes. J Rheumatol 2003 Feb; 30(2):241-6


 

Copyright © 1997-2024 rheuma-online
rheuma-online Österreich
 
Alle Texte und Beiträge in rheuma-online wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind jedoch vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jegliche Haftungsansprüche, insbesondere auch solche, die sich aus den Angaben zu Krankheitsbildern, Diagnosen und Therapien ergeben könnten, sind ausgeschlossen.