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Fragen und Antworten

Eine Frage von Dirk:

Meine Frau ist seit ca. dreieinhalb Jahren an systemischem Lupus erythematodes (SLE) mit Nierenbeteiligung erkrankt. In dieser Zeit hat sie schon mehrere Endoxan-Therapien bekommen, die auch ein wenig geholfen haben, allerdings immer nur für kurze Zeit. Die Ärzte möchten jetzt das Medikament „Cellcept“ anwenden. Dazu meine Frage: Was hat das für eine Wirkung auf den SLE? Können Sie mir außerdem weitere Informationen über dieses Medikament und über die Behandlung bei SLE-Patienten geben?

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.01.1970:

Cellcept enthält den Inhaltsstoff Mycophenolatmofetil und gehört in die Medikamentengruppe der -à Immunsuppressiva. In Deutschland ist es in Kombination mit Ciclosporin (z.B. Sandimmun) und Cortison für die Vorbeugung einer Abstoßungsreaktion nach Organtransplantationen zugelassen, z.B. nach einer Nierentransplantation, Herztransplantation oder Lebertransplantation.

In Tierexperimenten und in ersten klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass Mycophenolatmofetil auch bei Lupus-Nephritis, d.h. einer Nierenbeteiligung im Rahmen eines SLE, wirksam ist.

Allerdings ist derzeit das optimale therapeutische Vorgehen bei Lupus-Nephritis noch nicht übereinstimmend geklärt. Der augenblickliche Goldstandard bei den schwersten Formen der Lupus-Nephritis, den sogenannten proliferativen Subtypen, ist Cyclophosphamid (Endoxan), in der Regel in Kombination mit Cortison. Allerdings sprechen bis zu 15% der Patienten mit Lupus-Nephritis auf eine solche Therapie nicht ausreichend an. Außerdem ist eine Endoxan-Therapie gerade bei jungen Frauen mit Kinderwunsch eine problematische Therapie; außerdem stellt das Infektionsrisiko eine weitere Problematik dieser Behandlung dar. Deshalb wird schon seit langem nach einer noch effektiveren und zugleich nebenwirkungsärmeren und weniger problematischen Therapie der Lupus-Nephritis gesucht.

Mycophenolatmofetil (abgekürzt MMF) ist eine neue immunsuppressive Substanz, die selektiv auf aktivierte Lymphozyten und die sogenannten mesangialen Zellen in der Niere wirkt. Die Erfahrungen mit diesem Medikament in der Transplantationsmedizin zeigen, dass MMF bei der Verhinderung einer akuten Transplantatabstoßung wirksamer ist als das herkömmliche Immunsuppressivum Azathioprin (z.B. Imurek) und dabei zugleich eine vergleichsweise hohe therapeutische Sicherheit aufweist. In Tierexperimenten konnte für die immunologisch vermittelte Glomerulonephritis, speziell auch in Modellen der Lupus-Nephritis, eine günstige Wirkung von MMF auf die Autoimmunphänomene und das Fortschreiten der Nierenschädigung nachgewiesen werden. Insgesamt kam es zu einem besseren Verlauf der Erkrankung.

Bei der Behandlung der Lupus-Nephritis beim Menschen sind die Erfahrungen mit Mycophenolatmofetil noch sehr begrenzt. Allerdings konnte in den ersten, unkontrollierten Studien gezeigt werden, dass MMF auch bei Patienten mit schweren Krankheitsheitsverläufen einer Lupus-Nephritis, bei denen die konventionelle Therapie mit Endoxan und Cortison nicht ausreichend wirksam war, effektiv ist. Kontrollierte Studien an einer allerdings kleinen Zahl von Patienten zeigten für die Einleitung einer Remission bei Lupus-Nephritis („Remissionsinduktion“) eine gleich gute Wirksamkeit von MMF wie von Cyclophosphamid. Allerdings waren diese Studien für aussagekräftige statistische Auswertungen zu klein, d.h. sie hatten keine genügende statistische „Power“.

Die bisherige, limitierte Erfahrung mit dem Einsatz von Cellcept bei der Lupus-Nephritis geht dahin, dass die Substanz in der Regel gut vertragen wird und üblicherweise nicht mit schweren, ernsten Nebenwirkungen einhergeht. In einer aktuellen Studie (Li et al. 2002) werden als Hauptnebenwirkungen Infektionen (16%; davon 2.7% Lungenentzündungen, 8% Herpes Zoster = Gürtelrose, 2,7% Harnwegsinfekte und 2,7% Tuberkulosen) angegeben, außerdem Unverträglichkeiten im Bereich des Magen-Darm-Traktes (10,7%), Verstärkung der Körperbehaarung (Hirsutismus; 6,7%), Abfall der weißen Blutkörperchen (Leukopenie; 1,3%) und vorübergehende Erhöhungen des Leberwertes SGPT (2,7%).

Alllerdings kann es auch unter einer Therapie mit Mycophenolatmofetil zu schweren, lebensbedrohlichen Komplikationen kommen. Die Behandlung sollte deshalb nur durch Ärzte erfolgen, die über eine spezielle Erfahrungen in der Transplantationsmedizin oder bei der Therapie von Patienten mit immunologischen Erkrankungen mit Immunsuppressiva verfügen.

Cellcept wurde in der genannten Studie mit Cortison kombiniert. Die Dosis von Cellcept betrug dabei anfangs 0,5 g – 2 g pro Tag (im Mittel 1,26 g/Tag) und wurde in Abhängigkeit vom therapeutischen Ansprechen im weiteren Verlauf reduziert.

Insbesondere wegen der geringeren Schädigung der Eierstöcke wird Cellcept bei der Therapie der Lupus-Nephritis als eine attraktive Alternative zu Endoxan diskutiert. Allerdings liegen gegenwärtig noch keine Daten zu der Langzeitwirkung (und auch nicht zu möglichen Langzeitschäden) dieser Substanz vor, außerdem nur unzureichende Daten im Vergleich mit den herkömmlichen Therapiestandards mit Cyclophosphamid, so dass augenblicklich bei Patienten aus der Hochrisikogruppe der Einsatz von Cellcept als erstes Medikament („first-line-drug“) zur Therapie der Lupus-Nephritis nicht empfohlen wird.

Es besteht aber unter den Experten weitgehende Einigkeit, dass Mycophenolatmofetil zu den Substanzen gehört, die für die Behandlung der Lupus-Nephritis in großen, prospektiven, randomisierten klinischen Studien mit einer ausreichend langen Nachbeobachtungsphase geprüft werden sollten.

Zum Einsatz von Cellcept bei Frauen mit Kinderwunsch: Da in Tierversuchen unerwünschte Wirkungen auf den Fetus beobachtet wurden, darf eine Therapie mit Mycophenolatmofetil erst bei sicherem Ausschluß einer Schwangerschaft begonnen werden, außerdem muß eine wirksame Verhütung vor Beginn der Therapie, während der Behandlung und noch für einen Zeitraum von 6 Wochen danach erfolgen. Hinsichtlich der Stillzeit liegen für die Anwendung beim Menschen keine Erfahrungen vor. Da in Tierstudien nachgewiesen wurde, dass Mycophenolatmofetil in die Muttermilch übertritt, kann gegenwärtig unter einer Therapie mit Cellcept nicht zu einem Stillen geraten werden.

18. Januar 2003

Keywords: systemischer Lupus erythematodes * SLE * Nierenbeteiligung * Lupus-Nephritis * Mycophenolatmofetil * MMF * Cellcept

Literatur:

Newer drugs for the treatment of lupus nephritis.

Kuiper-Geertsma DG, Derksen RH. (Department of Rheumatology, Isalaklinieken, Zwolle, and Ijsselmeerziekenhuizen, Emmeloord, Niederlande)

Drugs 2003;63(2):167-80

Mycophenolate mofetil in lupus glomerulonephritis.

Mok CC, Lai KN.

Department of Medicine, Tuen Mun Hospital, New Territories, Hong Kong. cmok@netvigator.com

Am J Kidney Dis 2002 Sep;40(3):447-57

Mycophenolate mofetil treatment for diffuse proliferative lupus nephritis: a multicenter clinical trial in China.

Li L, Wang H, Lin S, Et Al.

Research Institute of Nephrology, Jinling Hospital, Nanjing 210002, China Email: lsli1226 @ public1.ptt.js.cn

Zhonghua Nei Ke Za Zhi 2002 Jul;41(7):476-9

 

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