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Fragen und Antworten

Eine Frage von Yvonne S.:

Wie lange (wieviele Jahre) wird Remicade bei der Therapie einer seronegativen Spondarthritis im Schnitt verabreicht? Und was ist dann, nach der Absetzung, nach Beendung der Behandlung, kann man dann ein normales Leben ohne Einschränkungen leben?

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 19.02.2004:

Wie lange eine Therapie mit Infliximab (Remicade) durchgeführt werden sollte, hängt in erster Linie davon ab, ob es wirkt und ob es vertragen wird. Wenn Remicade die Krankheitsaktivität einer rheumatoiden Arthritis oder einer ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) ausreichend kontrolliert, d.h. im günstigsten Fall zu einer kompletten Remission führt, und dabei gleichzeitig gut vertragen wird, gibt es keinen Grund, die Therapie zu beenden.

 

Wann man in einer solchen Situation mit der Remicade-Therapie aufhört, ist eine extrem schwierige Frage. Aus den klinischen Studien zu Remicade wissen wir, daß zwar ein kleiner Teil der Patienten durch eine solche Therapie in eine anhaltende komplette Remission gelangt, d.h. aber andersherum, daß bei dem größten Teil der Patienten die Erkrankung wiederkommt, wenn die Therapie beendet wird.

 

Kann Remicade wegen einer kompletten Remission abgesetzt werden und hält die Remission dauerhaft an, kann man natürlich ein völlig normales Leben führen. Dies sollte aber weitgehend auch unter einer laufenden Therapie mit Remicade so sein. Es gehört gerade zu den großen, um nicht zu sagen fast revolutionären Fortschritten dieser Therapie, daß Patienten selbst mit schwer verlaufenden entzündlichen Erkrankungen durch eine solche Behandlung wieder eine normale oder weitgehend normale Lebensqualität erlangen.

 

Der Vergleich stimmt vermutlich nicht, macht aber die Situation vielleicht deutlich: Wenn ein Zuckerpatient Insulin spritzen muß, weil der Körper nicht mehr genug eigenes Insulin bildet, kann er damit auch nicht aufhören, wenn der Zucker durch die Insulinspritzen gut eingestellt ist.

 

Wenn bei einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung vom Körper zu viel TNF-alpha gebildet wird (in diesem Fall ist also ein körpereigener Stoff zu viel und nicht zu wenig, wie bei der Zuckerkrankheit), und diese Überproduktion durch die medikamentöse Gabe eines TNF-alpha-Blockers wie Infliximab (Remicade) korrigiert wird, kommen die alten Probleme in ähnlicher Weise wieder, wenn man mit der TNF-alpha-Blockade aufhört.

 

Weder aus theoretischen Gründen noch auf der Grundlage der Daten aus den vorliegenden Studien ist deshalb eine zeitliche Begrenzung der Remicade-Therapie zu begründen, allerdings spielen natürlich heute in den Zeiten der begrenzten Finanzmittel im Gesundheitswesen finanzielle Gründe eine große Rolle. Wenn eine Remicade-Therapie aber medizinisch notwendig ist, dürfen die Kosten nicht die vorrangige Entscheidungsgrundlage für die Behandlung sein.

 

Durch eine Therapie mit Remicade sind auch über einen längeren Behandlungszeitraum keine „kumulativen“ Risiken zu erwarten, d.h. es kommt nicht durch die Daueranwendung zu einer Summierung von Nebenwirkungen oder Schäden.

 

Mittlerweile liegen schon Daten aus Studien zur rheumatoiden Arthritis vor, in denen Patienten mit einer Remicade-Therapie über Behandlungszeiträume von einigen Jahren beobachtet wurden, d.h. sie haben über diesen Zeitraum ununterbrochen Remicade-Infusionen bekommen.

 

In dieser Zeit traten keine Nebenwirkungen auf, die nicht auch bereits schon aus der Kurzzeitanwendung bekannt waren. Insbesondere handelt es sich dabei um die bekannten möglichen Nebenwirkungen wie eine erhöhte Infektanfälligkeit, die aber durch die dauerhafte Anwendung von Remicade nicht zunimmt.

 

Da Remicade für die Therapie des M. Bechterew noch nicht so lange zugelassen ist und auch die ersten klinischen Studien erst vor einiger Zeit durchgeführt wurden, liegen für diese Erkrankung naturgemäß noch keine so umfangreichen Erfahrungen mit der Anwendung dieser Therapie auch über längere Zeiträume vor. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß die Situation beim M. Bechterew grundsätzlich anders ist als bei der rheumatoiden Arthritis.

 

Befürchtet war ursprünglich ein möglicherweise erhöhtes Tumor-Risiko unter einer Langzeit-Anwendung von TNF-alpha-Blockern. Alle vorliegenden und mittlerweile doch in einem recht großen Umfang vorhandenen Daten sprechen aber dagegen, daß ein solches Risiko besteht.

 

Zusammenfassend wiegt der überragende Nutzen, d.h. die hervorragende Wirkung einer Remicade-Therapie bei der Therapie der genannten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen die möglichen negativen Folgen bei weitem auf. Mit der Remicade-Therapie können bei einem großen Teil der Patienten die schwerwiegenden Folgen der Erkrankung im günstigsten Falle vollständig vermieden werden. Wichtig ist, dass die Therapie von einem spezialisierten internistischen Rheumatologen für nötig befunden und in ihrer Durchführung kontrolliert und qualifiziert überwacht wird.

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