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Fragen und Antworten

Eine Frage von Christian N.:

Hallo,

zur Therapie meiner Spondarthritis ich bekomme seit zwei Jahren 400mg Remicade im Abstand von ca. 11 Wochen. Die verabreichte Remicade-Menge entspricht einer Dosis von 3.75 mg pro kg Körpergewicht.

 

Ich vertrage das Medikament bisher sehr gut. Die letzten beiden Infusionen wurden wegen der guten Wirkung nur noch mit 300 mg Remicade durchgeführt.

 

Im Bereich Fragen&Antworten dieser Seite habe ich gelesen, dass das Risiko einer Antikörperbildung bei niedrigeren Dosierungen von Remicade steigt. Wie ist aus ihrer Sicht die Reduktion der Dosierung zu bewerten?

 

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 30.07.2005:

Es ist in der Tat so, daß sich bei den klinischen Dosis-Findungs-Studien zur Therapie einer rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) mit Infliximab (Handelsname  Remicade) eine Dosisabhängigkeit bei der Entwicklung von HACA´s gezeigt hat.

Aus den klinischen Studien zur rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) wissen wir, daß sich das Risiko einer solchen HACA-Bildung erhöht, wenn die Infliximab-Dosis niedrig ist (3 mg/kg Körpergewicht gegenüber 5 mg oder sogar 10 mg/kg KG).

Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis kommt es hingegen in geringerem Maße zu einer HACA-Bildung, wenn die Remicade-Therapie in Kombination mit Methotrexat (Mtx) erfolgt. Dies ist der Grund, warum Remicade für die Therapie der rheumatoiden Arthritis nur in Kombination mit Mtx zugelassen ist.

Bei anderen Erkrankungen wird Remicade als Monotherapie eingesetzt, d.h. ohne Methotrexat (Mtx). Diese Erkrankungen sind insbesondere der M. Bechterew und verwandte Krankheitsbilder aus der Gruppe der seronegativen Spondarthritiden (Spondylarthropathien) einschließlich der Psoriasis-Arthritis. Ausserdem ist Remicade auch für die Behandlung des M. Crohn zugelassen, einer immunologisch vermittelten entzündlichen Darmerkrankung. Auch dabei kommt Remicade als Monotherapie zur Anwendung.

Für diese unterschiedliche Therapiestrategie gibt es mehrere Erklärungen. Zum einen handelt es sich bei den Spondylarthropathien und auch beim M. Crohn um sogenannte „pauci-immune“ Krankheitsbilder (von griech. pauci = gering, wenig), d.h. bei ihnen ist im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis die Tendenz zu einer Entwicklung von Auto-Antikörpern ohnehin sehr niedrig.

Zum anderen ist Methotrexat für die Therapie des M. Bechterew nicht offiziell zugelassen. Damit konnte bei den klinischen Studien Methotrexat allein schon deshalb nicht in der Kombination mit Remicade verwendet werden, weil man sonst die Genehmigung zur Durchführung einer solchen klinischen Studie nicht bekommen hätte. Außerdem hätte auf der Grundlage einer solchen Studie aus denselben Gründen keine offizielle Zulassung von Remicade für die Therapie des M. Bechterew erfolgen können.

Nicht zuletzt oder vielleicht auch deswegen ist die Dosis von Remicade bei der Therapie des M. Bechterew und anderer Spondarthritiden wie der Psoriasis-Arthritis und auch bei der Therapie des M. Crohn höher, nämlich 5 mg pro kg Körpergewicht statt 3 mg pro kg Körpergewicht wie bei der rheumatoiden Arthritis. Wegen dieser höheren Dosis besteht zwar ein theoretisch etwas höheres Risiko für unerwünschte Wirkungen (Nebenwirkungen), andererseits ist damit nach den Erfahrungen aus den Studien zur rheumatoiden Arthritis zugleich auch das Risiko niedriger, daß sich unter der Therapie HACA´s entwickeln und damit ein Wirkungsverlust des Medikaments auftritt.

Leider ist es unter einer laufenden Therapie mit Remicade aus technischen Gründen /  biologischen Gründen nicht möglich, HACA durch Laboruntersuchungen nachzuweisen (solange sich Infliximab im Körper befindet, werden die HACA an diese Substanz gebunden und sind somit diagnostischen Tests nicht zugänglich). Dies gelingt erst sehr viel später, wenn die Remicade nicht mehr im Körper ist, die Antikörper aber noch gebildet werden und dann durch entsprechende, sehr aufwendige Labortests nachgewiesen werden). Ob eine HACA-Bildung vorliegt oder nicht, muß deshalb zunächst „klinisch“ entschieden werden, d.h. aufgrund der vorliegenden Symptome und Befunde und aufgrund des Krankheits- und Behandlungsverlaufs.

Ob man bei einer gut wirksamen und ohne Nebenwirkungen verlaufenden Remicade-Therapie die Dosis verringern und / oder die Dosisintervalle verlängern sollte, ist eine extrem schwierige Frage, die schon gar nicht aus der Ferne zu entscheiden ist.

Grundsätzlich geht von einer solchen Strategie aus vielerlei Gründen ein gewisser Charme aus. Deshalb ist ein solches Vorgehen auch im Prinzip zu diskutieren und nicht unbedingt falsch. Andererseits gibt es dazu keine oder nur spärlichste Daten, die dabei helfen könnten, den Nutzen und das Risiko einer solchen Therapieänderung abzuschätzen. Dies muß allen Beteiligten bewusst sein. Wenn man sich dann gemeinsam zu einem solchen Versuch entschließt, halte ich ihn persönlich für gerechtfertigt und vertretbar.

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