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Fragen und Antworten

Eine Frage von Jochen O.:

Ist Enbrel bei M. Bechterew oder M. Crohn in Deutschland oder in der EU zugelassen?

 

Wenn nein, ist es wichtig zu wissen, wie lange es bis zur Zulassung noch dauern könnte oder welche Möglichkeiten bestehen, das Medikament dennoch von der Kasse zu bekommen. Alle anderen Medikamente einschließlich Remicade haben nur zeitlich begrenzt gewirkt - Mtx hat keine Wirkung.

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 13.12.2003:

Gegenwärtig ist Enbrel weder in Deutschland noch in der EU für die Therapie des M. Bechterew zugelassen. Da allerdings seit September 2003 eine entsprechende Zulassung in den USA besteht, ist unter ganz bestimmten Voraussetzungen auf der Grundlage des aktuellen BGH-Urteils ein sogenannter off-label-use möglich (siehe dazu auch: rheuma-online.de/news/2002-04/urteil.php3).

 

Therapie rheumatischer Erkrankungen außerhalb der offiziellen Zulassung („0ff-label-use“)

 

Für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gilt der Grundsatz, daß Fertigarzneimittel zu Lasten der GKV nur innerhalb der gültigen Zulassung verordnet werden dürfen. Diese Rechtsauffassung wurde in einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 2002 bestätigt (Az.: B1 KR 37/00 R).

 

Im medizinischen Alltag erfolgen allerdings nach offiziellen Schätzungen (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) etwa 25% aller Verordnungen außerhalb der Zulassung. In der Kinderheilkunde ist dieser Anteil noch weitaus höher und betrifft weitaus mehr als die Hälfte aller Verordnungen. Dies hängt unter anderem damit zusammen, daß bei innovativen Medikamenten die Zulassung oft hinter dem schnellen medizinischen Fortschritt bei ihrer Anwendung zurückbleibt. Außerdem ist der Aufwand bei der Zulassung eines Arzneimittels so hoch, daß viele pharmazeutische Hersteller aus wirtschaftlichen Gründen darauf verzichten, ein Präparat für seltene Erkrankungen bzw. Anwendungsgebiete offiziell zuzulassen.

 

Das BSG hat deshalb einen Off-Label-Use unter bestimmten Bedingungen zugelassen, da das Arzneimittelrecht sonst dazu führen würde, daß den Versicherten der GKV unverzichtbare und erwiesenermaßen wirksame Therapien vorenthalten würden.

 

Nach den Vorgaben des BSG ist der Off-Label-Use auch bei Versicherten der GKV in engen Grenzen möglich. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

 

· es muß eine schwerwiegende, d.h. lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vorliegen

 

· es darf keine andere Therapie verfügbar sein

 

· es muß auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehen, daß mit dem betreffenden Präparat ein kurativer oder palliativer Behandlungserfolg zu erzielen ist, d.h. eine Heilung oder zumindestens eine Besserung der Symptome.

 

 

Nach Auffassung des BSG ist eine solche begründete Erfolgsaussicht beim Vorliegen von Forschungsergebnissen gegeben, nach denen zu erwarten ist, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könne. Das BSG nennt dazu zwei Möglichkeiten:

 

1. Es ist bereits eine Erweiterung der Zulassung beantragt und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III belegen gegenüber Standard oder Placebo eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw. einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken

 

2. Es sind außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen. Darüber hinaus muss über diese Aussagen in Fachkreisen Konsens über den voraussichtlichen Nutzen bestehen.

 

 

Kassenärzte, die Fertigarzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung außerhalb dieses vorgegebenen Rahmens verordnen, müssen mit Regressen rechnen, was in letzter Konsequenz bedeuten kann, daß sie für die Kosten des Medikaments selber aufkommen müssen.

 

Speziell bezogen auf die Rheumatologie sind die dargestellten Voraussetzungen für einen Off-Label-Use in vielen Fällen erfüllt. Bei vielen entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen handelt es sich um schwerwiegende, zum Teil lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Krankheitsbilder.

 

Häufig standen bei diesen Erkrankungen bis zur Einführung der TNF-alpha-blockierenden Substanzen wirksame Therapien nicht zur Verfügung.

 

Hinsichtlich des zu erwartenden Behandlungserfolgs belegen mittlerweile die wachsenden Ergebnisse aus klinischen Studien oder aus Einzelfallbeobachtungen die Wirksamkeit von TNF-alpha-hemmenden Substanzen für eine ganze Reihe von entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen.

 

Umfangreichere Daten aus randomisierten, placebo-kontrollierten Doppelblindstudien liegen insbesondere für die Therapie der Psoriasis-Arthritis mit Infliximab (Remicade) vor. Eine offene Studie belegt die Wirksamkeit von Infliximab bei der juvenilen rheumatoiden Arthritis. Pilotstudien und kasuistische Mitteilungen zeigen eine Wirksamkeit von Etanercept (Enbrel) und Infliximab u.a. bei Vaskulitiden, M. Behcet, Polymyalgia rheumatica und bei der Uveitis.

 

Für die Europäische Union und damit auch für Deutschland wird die entsprechende Zulassungserweiterung für Enbrel gegen Ende diesen Jahres oder Anfang 2004 erwartet.

 

Beim M. Crohn wirkt Etanercept im Gegensatz zu Infliximab (Remicade) nach den Daten der bisherigen klinischen Studien nicht, so daß sich die Frage einer Anwendung von Etanercept beim M. Crohn nicht stellt.

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