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Fragen und Antworten

Eine Frage von Peter S.:

Bei der Suche im Internet nach Informationen über Etanercept (Enbrel) habe ich bei rheuma-online u.a. gefunden, dass es auch erste Studienergebnisse aus der Behandlung anderer Erkrankungen mit Etanercept gibt. Meine Schwägerin ist an der Wegener´schen Granulomatose erkrankt. Ihre Ärzte haben ihr jetzt von dem oben genannten Mittel berichtet. Erste Kontakte mit ihrer gesetzlichen Krankenkasse lassen aber vermuten, dass die Kosten von Etanercept für ihre Krankheit nicht übernommen werden. Ist es möglich, an die Studienergebnisse zu Etanercept in Verbindung mit der Wegener´schen Erkrankung heranzukommen, um die Krankenkasse mit wissenschaftlichen Ergebnissen zu überzeugen?

 

Für eine Nachricht, eventuell auch Ergebnisse, wie und ob Krankenkassen überzeugt werden können, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 20.10.2002:

Etanercept (Enbrel) ist hochwirksam bei der rheumatoiden Arthritis / chronischen Polyarthritis, der juvenilen idiopathischen Arthritis (juvenile chronische Arthritis, „Kinderrheuma“), der Psoriasisarthritis (Gelenk- und Wirbelsäulenbeteiligung bei der Schuppenflechte) sowie bei Spondylarthropathien (seronegative Spondarthritiden, M. Bechterew und verwandte Erkrankungen) einschließlich der juvenilen Spondarthropathien. Für alle genannten Krankheitsbilder liegen inzwischen zahlreiche Studien vor, die die sehr gute Wirksamkeit sowie die Verträglichkeit und Sicherheit von Etanercept belegen.

 

Diese Studien haben dazu geführt, dass Etanercept in Deutschland für die Therapie der rheumatoiden Arthritis und der juvenilen idiopathischen Arthritis zugelassen ist, in den USA außerdem für die Therapie der Psoriasisarthritis. Mit der Zulassung für die Behandlung von Spondylarthropathien ist zu rechnen.

 

Zur Therapie von nekrotisierenden Vaskulitiden mit TNF-alpha-Blockern gibt es sehr viel weniger Informationen. Für den M. Wegener sind einige Beobachtungen für Infliximab (Remicade) im Rahmen sogenannter Heilversuche mit günstigem Ergebnis beschrieben; für Enbrel liegen sogar erste Daten aus einer größeren offenen klinischen Studie zur Sicherheit von Etanercept in Kombination mit einer konventionellen Therapie bei M. Wegener vor, die ebenfalls zu positiven Ergebnissen kommen. Es fehlen bis heute aber Daten aus sogenannten randomisierten, doppelblinden Studien zur Wirksamkeit bei der Wegener´schen Granulomatose, so dass gegenwärtig definitive Aussagen zum Stellenwert dieser Substanz im Einsatz bei der Behandlung des M. Wegener noch nicht getroffen werden können.

 

Allgemein muß man in dem Gesamtzusammenhang ohnehin darauf hinweisen, dass auf der Basis der bisherigen Studiendaten zu den anderen oben genannten Erkrankungen der Einsatz von TNF-alpha-Blockern bei Vaskulitis nicht ganz unproblematisch ist. So gibt es von der Behandlung der chronischen Polyarthritis / rheumatoiden Arthritis mit TNF-alpha-Hemmern Einzelfallbeobachtungen dahingehend, dass es unter einer Behandlung mit TNF-alpha-Hemmern zum Auftreten einer Vaskulitis gekommen ist.

 

Nach dem gegenwärtigen Wissenstand ist allerdings in speziellen Situationen der Einsatz von TNF-alpha-Blockern bei Vaskulitiden vertretbar und gerechtfertigt. Dies sollte aber nur in spezialisierten Einrichtungen / Zentren und unter sehr sorgfältigen, engmaschigen Kontrollen sowie in Verbindung mit einer exakten Dokumentation erfolgen.

 

Gegenwärtig ist in den USA eine große Multicenter-Studie zur Behandlung der Wegener´schen Granulomatose in Vorbereitung (Wegener's Granulomatosis Etanercept Trial, WGET). Unter Umständen besteht auch für Zentren außerhalb der USA die Möglichkeit, Patienten in diese Studie einzubringen. Dies wäre eine sehr gute Möglichkeit, Ihre Schwägerin mit Etanercept unter den genannten Kautelen zu behandeln. Eine weitere Voraussetzung wäre dazu allerdings wie bei allen klinischen Studien, dass sie die Einschlusskriterien für die Studie erfüllt und gleichzeitig keine Ausschlusskriterien vorliegen.

 

Zur Frage der Kostenübernahme:

 

Da TNF-Blocker für die Indikation „Vaskulitis“ weltweit nirgends zugelassen sind, sind die gesetzlichen Krankenkassen nicht verpflichtet, die Behandlungskosten zu übernehmen, da in diesem Fall ein sogenannter „Off-label-use“ vorliegt.

 

Für Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bedeutet dies, dass der verschreibende Arzt mit einem Regreß rechnen muß, wenn er vorher keine Kostenübernahmezusage einholt (im Klartext: Er muß die Behandlungskosten, die sich je nach Präparat und individueller Dosierung in der Größenordnung von bis zu EUR 25.000 pro Jahr bewegen, selber tragen).

 

Analog gilt dasselbe im Prinzip auch für Patienten der privaten Krankenversicherung (PKV). Auch bei ihnen kann es passieren, dass die Krankenkasse die Leistungserstattung im Nachhinein verweigert. Deshalb gilt auch hier die Empfehlung, unbedingt vorher eine schriftliche Kostenzusage der jeweiligen privaten Krankenkasse (und bei Beihilfeberechtigen unbedingt auch der Beihilfestelle) einzuholen.

 

Allerdings ist bei der privaten Krankenversicherung mit einer Kostenübernahme eher zu rechnen, da bei ihr die Vertragsbedingungen anders gestaltet sind als bei der gesetzlichen Krankenversicherung und die PKV in der Regel einen „Off-label-use“ gestattet, wenn er medizinisch hinreichend begründet ist.

 

Auch für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung ist ein „Off-label-use“ allerdings nicht generell ausgeschlossen. Das Bundessozialgericht hat aber dazu in einem aktuellen Grundsatzurteil wesentliche Grundsätze festgestellt, die dabei zu beachten sind(Az: B 1 KR 37/00 R). So muß es sich bei der Erkrankung um eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung handeln (dies trifft für den M. Wegener zu), es müssen die traditionellen, zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sein und es muß ausreichend sichere Hinweise darauf geben, dass die vorgesehene Behandlung auch zu einem Erfolg führt. Nach Auffassung des Bundessozialgerichtes ergeben sich solche Hinweise aus entsprechenden klinischen Studien, insbesondere aber auch aus der Tatsache, dass das betreffende Medikament in einem anderen Land für die in Frage stehende Indikation bereits zugelassen ist. Diese Voraussetzungen liegen für den Einsatz von TNF-alpha-Blockern bei der Behandlung des M. Wegener derzeit nicht oder nur sehr bedingt vor.

 

Zur Frage des „Off-label-use“ finden sich einige relevante Beiträge in rheuma-online, z.B. im Erfahrungsaustausch und in den rheuma-news (http://www.rheuma-online.de, rheuma-online.de/news/2002-04/urteil.php3

 

 

Literatur:

 

Levine SM, Stone JH. The WGET Research Group.

Design of the Wegener's Granulomatosis Etanercept Trial (WGET).

Control Clin Trials 2002 Aug;23(4):450-68

 

Levine SM, Stone JH., Division of Rheumatology and Department of Medicine, The Johns Hopkins Vasculitis Center, Baltimore, MD 21205, USA.

New approaches to treatment in systemic vasculitis: biological therapies.

Best Pract Res Clin Rheumatol 2001 Jun;15(2):315-33

 

Stone JH, Uhlfelder ML, Hellmann DB, Crook S, Bedocs NM, Hoffman GS.

Johns Hopkins University, Baltimore, Maryland, USA.

Etanercept combined with conventional treatment in Wegener's granulomatosis: a six-month open-label trial to evaluate safety.

Arthritis Rheum 2001 May;44(5):1149-54

 

Die letzte Studie haben wir anläßlich dieser Anfrage für den TNF-Ticker aufgearbeitet und berichten darüber dort mit dem Datum von heute.

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