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Fragen und Antworten

Eine Frage von W.H.:

Sehr geehrte Damen und Herren, sofern verfügbar, bitte ich Sie um Informationen über die Behandlung von Psoriasis-Arthritis mittels Etanercept (Enbrel) in Deutschland.

 

Ich konnte bisher keine Informationen darüber finden, ob "Enbrel" als ärztliche Verschreibung für die Psoriasis bereits zugelassen ist, bzw. wo es Kliniken in Deutschland gibt, an denen einen entsprechende Therapie (auch in Studien) vorgenommen wird. Mit freundlichen Grüssen und Dank im voraus

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 18.09.2002:

Enbrel ist in Deutschland derzeit nur für die Therapie der rheumatoiden Arthritis (chronischen Polyarthritis) und der juvenilen chronischen Arthritis (juvenilen idiopathischen Arthritis, Kinderrheuma) zugelassen. Allerdings wurde Etanercept (Enbrel) mit Wirkung vom 15. Januar 2002 in den USA durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Admininistration) jetzt auch für die Behandlung der Psoriasisarthritis zugelassen.

 

Mit der Zulassung für die Behandlung der Arthritis bei Psoriasis (Psoriasisarthritis, Gelenkentzündung bei Schuppenflechte) ist Etanercept (Enbrel) nach unserem Kenntnisstand in den USA das erste und bislang einzige Medikament, das für diese Therapie offiziell zugelassen ist. Enbrel ist zur Therapie der Symptome und Befunde einer aktiven Psoriasisarthritis zugelassen.

 

Enbrel kann als Monotherapie, d.h. als alleinige langwirksame antirheumatische und krankheitskontrollierende Therapie eingesetzt werden. Es ist aber auch der Einsatz im Rahmen einer Kombination mit Methotrexat möglich, wenn die Patienten auf eine vorherige Behandlung mit Methotrexat nicht ausreichend angesprochen haben. (Eine Anmerkung am Rande: Die Zulassung ist etwas kurios, da Methotrexat in den USA (im Gegensatz zu Deutschland) gar nicht offiziell für die Behandlung der Psoriasisarthritis zugelassen ist, die Zulassung für Enbrel nun aber u.a. für solche Patienten erfolgt, die vorher auf Methotrexat nicht ausreichend angesprochen haben.)

 

Grundlage der Zulassung für die Psoriasisarthritis waren zwei randomisierte, doppel-blinde Multicenterstudien.

 

In einer über 24 Wochen laufenden, placebo-kontrollierten Phase-3-Studie erhielten 205 Patienten mit Psoriasisarthritis entweder 25 mg Enbrel zweimal wöchentlich als Injektionen unter die Haut (subkutane Injektionen) oder Placebo (d.h. eine unwirksame Substanz). Die Therapie wurde nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) bewertet, außerdem wurde ein Index für die Schwere der Hautbeteiligung bestimmt (PASI = psoriasis area and severity index).

 

Bei 59% der mit Enbrel behandelten Patienten kam es zu einer Verbesserung auf dem Niveau der sogenannten ACR-20-Response, d.h. einer Verbesserung von mindestens 20% von mehreren Kriterien wie Gelenkschwellungen, Gelenkschmerzen oder Blutwerten. Demgegenüber erreichten nur 15% der 104 mit Placebo behandelten Patienten eine ACR-20-Response (Placebo bedeutet, dass die Patienten mit Injektionen behandelt wurden, die äußerlich den Enbrel-Injektionen entsprachen, in denen aber kein wirksames Medikament enthalten war).

 

Noch deutlicher war der Unterschied gegenüber Placebo auf dem ACR-50-Niveau: 38% der Enbrel-Patienten gegenüber 4% der Placebo-Patienten Immerhin 11% der Enbrel-Patienten erreichten nach 12 Wochen Behandlung sogar das ACR-70-Niveau, was im Ergebnis einer weitgehenden Beschwerdefreiheit entspricht. Dieses Resultat wurde bei keinem der mit Placebo behandelten Patienten erzielt.

 

Im Hinblick auf die psoriatischen Hautveränderungen kam es bei einer Untergruppe von Patienten mit vorher definiertem Ausmaß der Hautbeteilung zu einer mindestens 50%igen Verbesserung im PASI-Score bei 47% der Patienten gegenüber 18% in der Placebogruppe; für eine 75%igen Verbesserung im PASI-Score betrugen die Zahlen 23% in der Enbrelgruppe gegenüber 3% in der Placebogruppe.

 

Ähnliche Ergebnisse wurden in einer vorausgegangenen, kleineren Studie an 60 Patienten mit Psoriasis-Arthritis gesehen. Die Nebenwirkungen bei den mit Enbrel behandelten Psoriasis-Arthritis-Patienten waren ähnlich wie bei der Enbel-Behandlung der chronischen Polyarthritis / rheumatoiden Arthritis. Schwerwiegende Ereignisse einschließlich schwerer Infektionen traten bei den mit Enbrel behandelten Patienten nicht öfters auf als in der Placebo-Gruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Reaktionen am Ort der Einstichstelle (36% gegenüber 9% in der Placebogruppe). Außerdem war die Infektionsrate in der Enbrel-Gruppe etwas erhöht. Am häufigsten waren dabei in der Regel banale Infektionen der oberen Luftwege.

 

Für Europa und damit auch für Deutschland wird die Zulassung für die Therapie der Psoriasisarthritis mit Enbrel Ende diesen / Anfang (2002) nächsten Jahres erwartet.

 

Solange ist der Einsatz von Enbrel bei der Psoriasisarthritis nur „off-label“ möglich, d.h. außerhalb der offiziell gültigen Zulassung. In der Vergangenheit gab es dabei häufiger Schwierigkeiten mit den Kostenträgern, z.B. Krankenkassen oder Beihilfestellen. Ein außerordentlich wichtiges Urteil hat dazu nun das Bundessozialgericht (BSG) gesprochen.

 

Danach müssen bei schweren Krankheiten die gesetzlichen Krankenversicherungen künftig in Ausnahmefällen auch die Kosten für Medikamente übernehmen, für die eine Wirksamkeit nachgewiesen ist, die aber zur Behandlung nicht offiziell zugelassen sind. In dem Grundsatzurteil wird als Voraussetzung formuliert, dass es zur Behandlung keine andere Therapie gibt und das entsprechende Medikament Aussicht auf Erfolg verspricht. Wenn die Wirksamkeit eines Medikaments erwiesen sei, dürfe es den Versicherten nicht vorenthalten werden, entschied das BSG (Az: B 1 KR 37/00 R).

 

Für die Rheumatologie ist das Urteil vor allem bei innovativen Präparaten bedeutsam. Beispielhaft erwähnt sei die in Studien eindeutig belegte Wirksamkeit der TNF-alpha-Blocker bei der Therapie der ankylosierenden Spondylitis (M. Bechterew) oder auch der Psoriasisarthritis. Für diese Präparate liegt in Deutschland zwar eine Zulassung für die Behandlung der chronischen Polyarthritis / rheumatoiden Arthritis vor, aber nicht speziell für die beiden anderen genannten Anwendungen. Formal waren damit Probleme mit den Krankenversicherungen vorprogrammiert. Wir selber kennen einige solcher Fälle, bei denen die Krankenkassen oder auch bei Beamten die Beihilfestelle die Kosten für die Behandlung eines M. Bechterew oder einer Psoriasisarthritis mit Etanercept (Enbrel) oder Infliximab (Remicade) mit dem Hinweis auf die fehlende offzielle Zulassung für diese Indikation zunächst nicht übernehmen wollten. Mit dem Grundsatzurteil des BSG sollten nun diese sehr unerfreulichen Diskussionen und Auseinandersetzungen beendet und positiv im Sinne des Patienten entschieden sein.

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