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Fragen und Antworten

Eine Frage von Karsten:

Seit April bekomme ich Enbrel als Basistherapie bei der Diagnose Arthritis psoriatica (Psoriasis-Arthritis, PsA). Es wirkt in der meisten Zeit auch sehr gut, so daß ich fast ohne Schmerzmittel und völlig ohne Cortison auskomme. Doch eines ist bei mir auffällig, und das hat heute wieder meine Hautärztin, als auch einen meinen Rheumatologen Anfang August in starkes Erstaunen versetzt, nämlich daß das Enbrel bei mir zeitweise keine Wirkung auf meine aktive Schuppenflechte zeigt. Meine Hautärztin war heute schockiert von dem Bild, das sich ihr bot. Sie hat in ihrer Praxis vier Patienten, die auch PsA haben. Einer davon nimmt MTX mit gutem Erfolg auf PsA und Psoriasis. Ein anderer nimmt Cyclosporin mit gleichem Erfolg. Der dritte Patient nimmt ebenfalls wie ich Enbrel. Jedoch im Gegensatz zu mir ist bei ihm die Schuppenflechte (die bei ihm ebenso wie die PsA noch stärker zu Beginn der Therapie war), fast völlig zum Abheilen gekommen.

 

Bei mir jedoch rieselt es im Moment nur so herunter. Eine ähnliche Phase hatte ich im August, als der Rheumatologe stark verwundert war und einige Fotos von der Psoriasis gemacht hat. Er meinte, so etwas hätte er unter Enbrel noch nicht gesehen.

 

Meine Frage ist nun: Welche Erfahrungen gibt es mit Enbrel bei PsA, und wie geht es dabei mit der Schuppenflechte. Wenn es bei der Schuppenflechte so wenig hilft, welche Medikamente können dann dafür zusätzlich eingesetzt werden? Ist beispielsweise eine Lichttherapie mit UV-B-Bestrahlung möglich (wurde mir von den Rheumatologen der Klinik untersagt mit der Begründung, die Folgen wären nicht abzuschätzen zum jetzigem Zeitpunkt).

 

Ich frage mich, ob ich wirklich eine Ausnahme bin, bei dem das Enbrel fast keine Wirkung auf die Schuppenflechte zeigt.

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 14.12.2003:

Detaillierte Erfahrungen zur Therapie der Psoriasis-Arthritis mit Enbrel liegen insbesondere aus zwei randomisierten, doppel-blinden Multicenterstudien unter Leitung des US-amerikanischen Rheumatologen Philipp Mease von der University of Washington School of Medicine in Seattle vor.

 

Nach den Ergebnissen der ersten, an 60 Patienten über einen Zeitraum von 3 Monaten durchgeführten Studie (Mease et al. 2000) ist Enbrel bei Psoriasis-Arthritis hochwirksam mit Ansprechraten hinsichtlich der Gelenksymptome bei weit über 80% der Patienten. Bei dem größten Teil der Patienten kommt es auch zu einer deutlichen Besserung der Hautmanifestationen der Psoriasis.

 

In einer zweiten, über 24 Wochen laufenden, placebo-kontrollierten Phase-3-Studie (Mease et al. 2000) erhielten 205 Patienten mit Psoriasisarthritis entweder 25 mg Enbrel zweimal wöchentlich als Injektionen unter die Haut (subkutane Injektionen) oder Placebo (Placebo bedeutet, dass die Patienten mit Injektionen behandelt wurden, die äußerlich den Enbrel-Injektionen entsprachen, in denen aber kein wirksames Medikament enthalten war). Die Therapie wurde nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) bewertet, außerdem wurde ein Index für die Schwere der Hautbeteiligung bestimmt (PASI = psoriasis area and severity index).

 

Bei 59% der mit Enbrel behandelten Patienten kam es zu einer Verbesserung auf dem Niveau der sogenannten ACR-20-Response, d.h. einer Verbesserung von mindestens 20% von mehreren Kriterien wie Gelenkschwellungen, Gelenkschmerzen oder Blutwerten. Demgegenüber erreichten nur 15% der 104 mit Placebo behandelten Patienten eine ACR-20-Response.

 

Noch deutlicher war der Unterschied gegenüber Placebo auf dem ACR-50-Niveau mit 38% ACR50-Respondern in der Gruppe der Enbrel-Patienten gegenüber nur 4% in der Gruppe der Placebo-Patienten. Immerhin 11% der Enbrel-Patienten erreichten nach 12 Wochen Behandlung sogar das ACR-70-Niveau, was im Ergebnis einer weitgehenden Beschwerdefreiheit entspricht. Dieses Resultat wurde bei keinem der mit Placebo behandelten Patienten erzielt.

 

Im Hinblick auf die psoriatischen Hautveränderungen kam es bei einer Untergruppe von Patienten mit vorher definiertem Ausmaß der Hautbeteilung zu einer mindestens 50%igen Verbesserung im PASI-Score bei 47% der Patienten gegenüber 18% in der Placebogruppe; für eine 75%igen Verbesserung im PASI-Score betrugen die Zahlen 23% in der Enbrelgruppe gegenüber 3% in der Placebogruppe. Entsprechend kam es auch zu ausgeprägten Verbesserungen im target-lesion-Score, bei dem definierte Areale bewertet werden.

 

Die Nebenwirkungen bei den mit Enbrel behandelten Psoriasis-Arthritis-Patienten waren ähnlich wie bei der Enbel-Behandlung der chronischen Polyarthritis / rheumatoiden Arthritis. Schwerwiegende Ereignisse einschließlich schwerer Infektionen traten bei den mit Enbrel behandelten Patienten nicht öfters auf als in der Placebo-Gruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Reaktionen am Ort der Einstichstelle (36% gegenüber 9% in der Placebogruppe). Außerdem war die Infektionsrate in der Enbrel-Gruppe etwas erhöht. Am häufigsten waren dabei in der Regel banale Infektionen der oberen Luftwege.

 

Vorteile von Enbrel gegenüber den konventionellen Medikamenten sind das extrem rasche Ansprechen, z.T. schon nach der ersten Injektion, die parallel gute Wirkung auf die Hautmanifestationen und die gute Wirksamkeit auch bei schweren, hochaktiven Arthritiden. Bei der rheumatoiden Arthritis ist außerdem eine effektive Krankheitskontrolle belegt, im günstigsten Fall mit einer vollständigen Hemmung der Röntgenprogression, d.h. der im Röntgenbild sichtbaren Gelenkveränderungen / Gelenkzerstörungen. Erste Röntgendaten liegen seit kurzem auch für die Psoriasis-Arthritis vor. Sie zeigen im Sharp-Score (nach dem US-amerikanischen Rheumatologen Sharp benannter Score zur Erfassung der röntgenologisch darstellbaren Gelenkdestruktion, ursprünglich bei der rheumatoiden Arthritis) einen vollständigen Stop der Röntgenprogression über einen Beobachtungszeitraum von 12 Monaten.

 

Die Wirksamkeit von Etanercept bei der Haut-Psoriasis wurde an fast 1.200 Patienten in drei klinischen Studien untersucht. Dabei zeigte sich bei Patienten mit Psoriasis eine rasche und signifikante Symptomverminderung.

 

Die umfangreichste dieser klinischen Studien untersuchte in einem multizentrischen, doppelblinden und placebokontrollierten Design 583 Patienten mit mittelgradiger bis schwerer Plaque-Psoriasis, die zunächst randomisiert und dann über einen Zeitraum von 12 Wochen entweder mit Etanercept in der Dosierung von 2x50 mg pro Woche (194 Patienten), mit Etanercept in der Dosierung von 2x25 mg pro Woche (196 Patienten) oder mit Placebo (193 Patienten) behandelt wurden.

 

Der primäre Endpunkt dieser Studie war der prozentuale Anteil von Patienten, die anhand des bereits genannten PASI-Scores ("Psoriasis Area and Severity Index") nach einer Behandlungszeit von 12 Wochen eine mindestens 75%ige Verbesserung erzielt hatten (PASI 75). Es zeigte sich, dass fast die Hälfte der Patienten unter der Etanercept-Therapie mit 2x50 mg/Woche (49%) und mehr als ein Drittel der Patienten unter der Etanercept-Therapie mit 2x25 mg/Woche (34%) eine PASI-75%-Response erreichte, während dieser Anteil in der Placebogruppe lediglich bei 3% lag.

 

Die Therapie mit Etanercept führte zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität, die im "Dermatology Life Quality Index" gemessen wurde. Die Patienten, die mit Etanercept in der Dosierung von 2x50 mg/Woche behandelt worden waren, gaben hier nach 12 Wochen eine Verbesserung von 71% an, und die Patienten unter der Therapie mit 2x25 mg/Woche berichteten über eine Verbesserung von 66%. In beiden Behandlungsgruppen traten die günstigen Therapieeffekte bereits nach einer Behandlungsdauer von 2 Wochen ein.

 

Die Häufigkeit und Art von unerwünschten Ereignissen in dieser Studie entsprachen den Erfahrungen mit Etanercept aus früheren Studien. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in placebokontrollierten Studien bei rheumatoider Arthritis (n=349) waren Reaktionen an der Einstichstelle (37%), Infektionen (35%) und Kopfschmerzen (17%). Nur die Anzahl der Reaktionen an der Einstichstelle war höher als unter Placebo. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse in einer Methotrexat-kontrollierten Studie (n=415) waren Infektionen (64%), Reaktionen an der Einstichstelle (34%) und Kopfschmerzen (24%). Nur die Anzahl der Reaktionen an der Einstichstelle war höher als unter Methotrexat.

 

Auf der Grundlage dieser Studiendaten wurde in den USA die Zulassung von Etanercept für die Therapie der mittelgradigen bis schweren Plaque-Psoriasis beantragt.

 

Zusammenfassend ist damit ein mangelndes Ansprechen von Enbrel im Hinblick auf die Hautbeteiligung der Psoriasis eher selten. In einem solchen Fall kommen unterschiedliche Strategien in Frage.

 

Ist die Arthritis gut kontrolliert, sollten die klassischen dermatologischen Therapien zum Einsatz kommen, d.h. die Behandlungen, die der Hautarzt traditionell durchführt. Warum dabei unter einer Therapie mit Enbrel keine UV-B-Behandlungen durchgeführt werden sollten, ist mir persönlich nicht ganz klar.

 

Ist die Arthritis zwar teilweise kontrolliert, aber noch nicht ganz befriedigend, bietet sich die Kombination von Enbrel mit Methotrexat an, da Methotrexat in der Regel eine gute Wirksamkeit auf die Gelenkmanifestation und auch auf die Hautmanifestationen der Psoriasis hat.

 

Bei der schweren Hautbeteiligung einer Psoriasis ist für die medikamentöse Therapie ansonsten Ciclosporin (Sandimmun) zugelassen. Ciclosporin hat auch eine gute Wirksamkeit auf die Psoriasis-Arthritis, ist dafür allerdings in Deutschland nicht offiziell zugelassen. Die Kombination von Enbrel mit Ciclosporin ist bislang nicht in einer größeren klinischen Studie geprüft worden. Insofern ist hier eine besondere Vorsicht geboten; außerdem muß der Patient darüber entsprechend aufgeklärt werden. Persönlich habe ich einzelne Patienten mit einer solchen Kombination behandelt und bislang keine Komplikationen gesehen. Prinzipiell muß aber mit einem erhöhten Infektionsrisiko bei dieser Kombination gerechnet werden, da sowohl Enbrel als auch Ciclosporin schon für sich alleine genommen mit einem etwas erhöhten Infektionsrisiko einhergehen.

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