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Fragen und Antworten

Eine Frage von Reinold:

Bei mir wurde vor kurzem eine Zyste im Knie entfernt. Nun habe ich mal ein paar Fragen: Ist mein Knie jetzt leichter anfällig für Verletzungen, wenn ja, wie entstehen sie am schnellsten (z.B. beim Sport, also welchen Sportarten)

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.06.2002:

Ich vermute, dass es sich bei der genannten Cyste um eine sogenannte Bakercyste handelt. Eine Bakercyste ist eine nach dem englischen Chirurgen William M. Baker (1839-1896) benannte cystische Ausstülpung der Gelenkkapsel in die Kniekehle. Eine Bakercyste entsteht vor allem durch eine längerandauernde Erhöhung des Druckes im Kniegelenk. Dieser wird vor allem durch chronische Entzündungen mit Ergußbildung hervorgerufen. Bakercysten treten vor allem bei chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen auf, vor allem bei chronischer Polyarthritis, aber auch seronegativen Spondarthritiden. Bakercysten sind allerdings auch eine Begleitmanifestation länger bestehender Arthrosen des Kniegelenks.

Die hinten in der Kniekehle liegende Bakercyste ist in der Regel nur durch einen schmalen Kanal mit dem vorderen Kniegelenksbinnenraum verbunden, durch den die Gelenkflüssigkeit bei Beugung des Knies und resultierender Druckerhöhung im Gelenkbinnenraum von vorne nach hinten hineingedrückt wird. Wenn das Knie wieder gestreckt wird, müßte die in der Bakercyste befindliche Flüssigkeit wieder nach vorne zurückströmen. Es passiert aber häufiger, daß sich der schmale Verbindungskanal wie bei einem Ventilmechanismus verlegt und eine Rückströmen der Gelenkflüssigkeit von hinten nach vorne entweder vollständig oder zum Teil verhindert. In diesem Fall wird die Bakercyste mit der Zeit immer stärker "aufgepumpt". Dabei kann dann der Druck so stark werden, daß sie an einer Stelle reißt ("rupturiert") und die Gelenkflüssigkeit in die Unterschenkelmuskulatur hineingepreßt wird ( rupturierte Bakercyste). Dies führt zu einer heftigen Reizung des Gewebes mit sehr starken Schmerzen und einer starken Entzündungsreaktion mit Schwellung und Rötung des gesamten Unterschenkels. Von Nicht-Rheumatologen wird dieses Bild sehr häufig mit einer tiefen Beinvenenthrombose verwechselt. Eine tiefe Beinvenenthrombose ist auch die wichtigste Differentialdiagnose, zumal es in seltenen Fällen auch durch die Bakercyste selbst zu einem Abdrücken der tiefen Beinvenen und einer tiefen Beinvenenthrombose kommen kann.

Die Diagnose einer Bakercyste kann in der Regel bereits als Blickdiagnose und durch die manuelle Untersuchung des Knies (Untersuchung mit den Händen) gestellt werden. Die genaue Lage und das Ausmaß der Cyste sieht man sehr gut im Ultraschallbild bei der Arthrosonographie. Durch die Arthrosonographie gelingt auch der Nachweis der Ruptur und die Abgrenzung von einer tiefen Beinvenenthrombose. Dazu wird am besten eine zusätzliche farbdopplersonographische Untersuchung durchgeführt ( Farbdoppler-Sonographie).

Die Therapie einer Bakercyste ist nicht in jedem Falle notwendig. Bei größeren Cysten oder bei Beschwerden, vor allem auch bei Rupturgefahr, sollte eine Behandlung erfolgen. Früher wurden Bakercysten oft operativ entfernt, häufig dabei von der Kniekehle aus. Da die Ursache der Bakercyste allerdings im erhöhten Gelenkinnendruck liegt und da dieser vor allem auf eine vermehrte Bildung von Gelenkflüssigkeit in den vorderen Kniegelenksanteilen zurückzuführen ist, war der Erfolg dieser chirurgischen Maßnahme in der Regel nur kurz. Heute werden Bakercysten normalerweise nicht mehr durch einen chirurgischen Eingriff von der Kniekehle aus operiert. Stattdessen versucht man zunächst, durch eine Gelenkpunktion und die intraartikuläre Injektion (Einspritzung) von Cortison die meist zugrundeliegende Kniegelenksentzündung zu behandeln. Gelingt dies nicht nachhaltig, muß eine Gelenkspiegelung ( Arthroskopie) in Erwägung gezogen werden. Dabei wird dann die entzündetete Gelenkinnenhaut entfernt ( Synovialektomie), gegebenenfalls erfolgen weitere Maßnahmen zur Beseitigung eines eventuell vorliegenden Kniebinnenschadens (z.B. Meniskusschaden, Knorpelschäden, Bänderrisse).

Die Therapie einer rupturierten Bakercyste ist vom Grundsatz her identisch. Die Akutsituation erfordert allerdings zusätzliche Maßnahmen zur Schmerzbekämpfung. Außerdem muß flankierend eine Thrombosevorbeugung erfolgen.

Ob im Anschluß an eine Behandlung einer Bakercyste das Knie anfälliger für Sportverletzungen ist, hängt sehr von der zugrundeliegenden Problematik ab (der eigentlichen Ursache für die Bakercyste), weiterhin von der Art der durchgeführten Therapie (s.o.). Grundsätzlich kann man sagen, dass es Sportarten gibt, die eher zu Kniegelenksverletzungen führen (wie beispielsweise Fußball oder Abfahrts-Skilauf) und solche, die ein sehr geringes Risiko für Kniegelenksverletzungen oder auch Kniegelenksschädigungen haben (beispielsweise Radsport).

 

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