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Fragen und Antworten

Eine Frage von Melanie S.:

Da Sie mir in den vergangenen Jahren schon ein paar Mal so hilfreich zur Seite standen, bitte ich Sie heute erneut um Rat.

 

Ich nehme seit Dez. 2004 HUMIRA und habe damit endlich eine wirkliche Verbesserung der Erkrankung erlangen können! Seit 2 Wochen plagen mich jedoch einige Beschwerden, die von meinen Ärzten nicht zugeordnet werden können. Dazu gehören: Herzrasen/Atemprobleme (auch nachts) und vor allem Schlafstörungen. Daher nun meine Frage: Können diese Probleme vom Humira herrühren (nach der langen Zeit der Anwendung)? Laut Beipackzettel kann das Medikament eine Anämie verursachen. Ein EKG ist gemacht worden, alles o.k. Psychische Probleme können auch ausgeschlossen werden. Ich hatte bereits im Febr. diesen Jahres sehr schlechte Eisenspeicherwerte, der Hb war aber ok. Ich vertrage Eisenpräparate überhaupt nicht, daher wurde bisher nichts unternommen. Sind Ihnen solche Probleme unter dem Medikament bekannt? Kann man Eisen auch i.v. geben? Gäbe es da Probleme wegen des Humiras? Worauf müßte ich achten?

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 8.05.2005:

Grundsätzlich kann es unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern zu kardialen Symptomen (Herzbeschwerden) kommen. Allerdings sieht man dies sehr selten und in der Regel auch nur bei Patienten mit einer vorbestehenden Herzerkrankung.
 
Sie wissen, daß wir über das Internet keine Hinweise und Empfehlungen zu einer individuellen Diagnose oder Therapie geben können, dürfen und wollen.

Allgemein kann man allerdings sagen, daß man beim Auftreten von nächtlich betonten Herzrasen und Atemproblemen an ganz unterschiedliche Ursachen denken muß.

Dabei kann das ursprüngliche Problem ein Herzproblem sein, z.B. die Verschlimmerung einer vorbestehenden Herzschwäche oder auch eine eigenständige Herzrhythmusstörung (für die es wiederum eine ganze Reihe von Ursachen gibt).

Genauso gut ist natürlich auch eine Anämie denkbar (Blutarmut). Diese sollte aber typischerweise vor allem unter Belastung und nicht in Ruhe und in der Nacht stärker werden. Außerdem liegt keine Anämie vor, wenn der Hb-Wert normal ist (Hämoglobin-Wert, Wert für den roten Blutfarbstoff).

Niedrige Eisenspeicherwerte sollten Anlaß geben, nach einer Ursache für einen – unter Umständen auch schleichenden – Blutverlust zu suchen, z.B. auch über (oft beschwerdefreie oder beschwerdearme) Magenschleimhautentzündungen in der Folge einer Therapie mit cortisonfreien Entzündungshemmern („nicht-steroidalen Antirheumatika). Niedrige Eisenspeicherwerte sind aber als solche so lange nicht bedeutsam, wie sie nicht zu einer Eisenmangelanämie führen (die sich dann in einem niedrigen Hb-Wert äußern würde).

Humira hat keinen Einfluß auf den Eisenstoffwechsel und dürfte nach allen vorliegenden Informationen nicht für niedrige Eisenspeicherwerte verantwortlich sein.

Denkbar ist allerdings auch, daß das ursprüngliche Problem nicht im Bereich des Herzens liegt, sondern im Bereich der Lunge, und das Herzrasen nur eine Folgeerscheinung ist. Wenn Patienten über nächtliche Atemprobleme, Schlafstörungen und sogar ein nächtliches herzrasen klagen, kann es sich dabei auch um eine Asthma-Erkrankung handeln. Bei jungen Menschen (sie schreiben, daß sie 28 Jahre jung sind) muß man dabei vor allem auch an die Möglichkeit eines allergischen Asthmas denken.

Im Augenblick haben wir Frühjahr und die hohe Zeit der Frühjahrsblüher und des Pollenfluges. Es ist damit nicht auszuschließen, daß es sich bei den von Ihnen geklagten Symptomen um die Erstmanifestation einer schwereren allergischen Reaktion auf Frühjahrsblüher / eine Pollenallergie handelt. Diese kann durchaus erst in Ihrem Alter zum ersten Mal auftreten und muß nicht schon seit der Kindheit bestehen.

Interessant ist dabei natürlich die Frage, ob die Humira-Therapie damit in einem Zusammenhang steht oder nicht. Von einem theoretischen Standpunkt her sollte man dies eher nicht erwarten; letztendlich auszuschließen ist dies aber nicht.

Ebenso stellt sich die Frage, ob Humira selber als Auslöser einer allergischen Reaktion und eines allergischen Asthmas in Frage kommt oder nicht. Da der in Humira enthaltene Wirkstoff Adalimumab ein vollständig humanisierter Antikörper gegen TNF-alpha ist, d.h. in seinem Aufbau zu 100% mit menschlichen Proteinen (Eiweißstoffen) identisch ist und keine tierischen Bestandteile enthält, ist die Wahrscheinlichkeit gering. Andererseits ist eine allergische Reaktion auf Humira nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen.

Klärung kann ein Auslaßversuch von Humira bringen. Da dies nach aller Wahrscheinlichkeit zu einer wesentlichen Verschlechterung der Arthritis-Symptome führen dürfte, stellt sich die Frage, ob man nicht zunächst in Richtung einer „normalen“, „üblichen“ Asthma-Ursache denken sollte und in einem ersten Schritt nicht eine Vorstellung bei einem Pulmologen (Lungenfacharzt) sinnvoller wäre.

Dazu gibt es mittlerweile auch ein Feedback, das den Usern nicht vorenthalten werden soll:

Lieber Dr. Langer,

haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre ausführliche Antwort!

Ich fühle mich von Ihnen  - wie immer - sehr ernst genommen und das ist ein wirklich gutes Gefühl!

Zwischenzeitlich hat sich einiges getan...die Ärztin, bei der ich zunächst in Behandlung war, hat meine Beschwerden auf das Wetter geschoben bzw. psychische Probleme angenommen. Ich habe mich aufgrund dieser Aussagen entschlossen, nicht weiter in ihrer Behandlung zu bleiben.

Ich habe dann  -von mir aus- auf Asthma geschlossen und mich in die Behandlung eines Lungenfacharztes begeben - der zunächst überhaupt nicht glauben konnte, daß ich unter der "hohen" Kortisongabe Beschwerden habe, aber dann einen Lungenfunktionstest vorgenommen hat und ein allergisch bedingtes  relativ schweres Asthma diagnostiziert hat. Ich bin inzwischen ganz gut medikamentös eingestellt und das nächtliche Herzrasen ist vorbei. Ich schlafe seit gut einer Woche wieder durch, und es geht mir wirklich sehr viel besser.

Die Eisenwerte werden in dieser Woche erneut überprüft werden, so daß dann entweder eine Behandlung erfolgt oder aber zumindest Gewißheit besteht, daß nichts zu behandeln ist.

Einen Auslaßversuch des HUMIRAS möchte ich - ehrlich gesagt - lieber nicht riskieren. Aber, da ich inzwischen auch vom Asthma her gut eingestellt bin, sollte sich die Frage ja auch nicht mehr stellen :-)

Haben Sie nochmals ganz herzlichen Dank für Ihr Schreiben! Machen Sie unbedingt weiter so!

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