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Fragen und Antworten

Eine Frage von Ulrike H.:

Seit 1996 leide ich an Psoriasisarthritis, die seit 7 Jahren in der Ambulanz einer Rheumaklinik mit MTX behandelt wird (15 mg pro Woche). In den letzten 2 Jahren bekam ich immer wieder schmerzhafte Schwellungen der Finger- und Fußgelenke. Durch zusätzliche Gaben von Urbason besserte sich der Zustand, nach dem Absetzen nahmen die Beschwerden wieder zu. Im Januar 2003 wurde das MTX auf 20 mg erhöht, was Überkeit und starken Haarausfall erzeugte. Das MTX wurde im Mai des Jahres abgesetzt und stattdessen Arava verordnet. Nach 6 Wochen wurde es wieder abgesetzt, weil ich handtellergroße Ekzeme und einen Psoriasisschub bekam, wovon auch die Fingernägel betroffen waren. Die Schmerzen und Schwellungen hielten an. Ich

wurde für eine Studie mit einem TNF-Alpha-Antikörper vorgeschlagen, an der ich aber leider wegen der abgelaufenden Rekrutierungszeit nicht teilnehmen konnte. Daraufhin wurde Azulfidine verordnet. Nach 3 Wochen wurde es wieder abgesetzt wegen derselben Nebenwirkungen wie unter Arava. Seit dem 7.8.2003 nehme ich wieder MTX 15 mg wöchentlich. Zusammenfassend kann ich nur sagen, daß es mir

immer schlechter geht. Ich ermüde außergewöhnlich schnell, das Laufen ist

sehr schmerzhaft. Meinen rechten Arm kann ich wegen der Schmerzen nicht

gebrauchen. Seit einigen Tagen habe ich nachts eine Körpertemperatur von 38 °C gemessen. Der Haarausfall läßt sich nicht stoppen. Gibt es für mich eine

Hilfe?

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 3.09.2003:

Seit dem Dezember 2002 ist nach der europaweiten Zulassung durch die europäische Zulassungsbehörde EMEA auch in Deutschland der TNF-alpha-Blocker Etanercept (Enbrel) ganz offiziell für die Therapie der Psoriasis-Arthritis zugelassen. Damit kann bei Patienten mit aktiver und fortschreitender Psoriasis-Arthritis, die auf die Behandlung mit einem konventionellen langwirksamen Antirheumatikum nicht oder nicht ausreichend angesprochen haben, bereits seit Ende des vergangenen Jahres eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern in Deutschland „ganz normal“ durch eine ärztliche Verordnung („auf Rezept“) erfolgen, ohne dass man auf eine Therapie im Rahmen von klinischen Studien angewiesen wäre.

 

Die Entscheidung zum Beginn einer Enbrel-Therapie sollte von einem internistischen Rheumatologen getroffen werden; er sollte auch die Therapie durchführen bzw. überwachen.

 

Da Enbrel ein relativ teures Medikament ist, verlangen die Kostenträger (Krankenkassen, Beihilfestellen), dass vor dem Einsatz dieses Präparates preiswertere zur Verfügung stehende Alternativen angewendet wurden.

 

Als Mindestvoraussetzung sollte eine Behandlung mit einem konventionellen Basismedikament (langwirksamem Antirheumatikum) durchgeführt worden sein, vorzugsweise mit Methotrexat. Die Methotrexat-Therapie sollte ausreichend lange in ausreichend hoher Dosierung durchgeführt worden sein (die Empfehlungen unterscheiden sich hier etwas; aus unserer Sicht sollte die Therapiedauer mit Mtx mindestens drei Monate betragen haben und die Dosis mindestens 15 mg betragen haben, vorzugsweise in parenteraler Verabreichung, d.h. in Spritzenform; die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, die inzwischen innerhalb der deutschen Rheumatologen aber sehr stark umstritten sind, nennen noch einen Mindest-Therapiezeitraum mit Basismedikamenten von 6 Monaten und eine Mtx-Höchstdosis von 25 mg, vorausgesetzt, dass diese hohe Dosis überhaupt vertragen wird).

 

Alle genannten Voraussetzungen sind in Ihrem Fall erfüllt, so dass zumindestens im Hinblick darauf einer Therapie mit Enbrel nichts im Wege stehen sollte.

 

Probleme mit der Verordnung könnten sich in Ihrem speziellen Einzelfall dadurch ergeben, dass Sie als Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in der Ambulanz einer Rheumaklinik behandelt werden.

 

Das Kassenarztrecht ist in Deutschland außerordentlich kompliziert. Kurz gefasst geht es darum, dass die Rheumaklinik möglicherweise keine sogenannte „Mitbehandlungsermächtigung“ für die ambulante Therapie hat und deshalb keine Medikamente selber verordnen kann, sondern die Behandlung „konsiliarisch“ in Zusammenarbeit mit dem zuweisenden Hausarzt oder einem anderen niedergelassenen Arzt erfolgt. In diesem Fall müsste die Verordnung von Enbrel nach Empfehlung durch die Ambulanz der Rheumaklinik und unter regelmäßiger Überwachung durch die Rheumaambulanz durch den behandelnden niedergelassenen Arzt erfolgen, was aber erfahrungsgemäß unter Hinweis auf das Arzneimittelbudget Probleme bereitet.

 

In einigen Bundesländern, z.B. NRW, ist die Verordnung von TNF-alpha-Blockern zwar im Hinblick auf das Budget unproblematisch, da diese Substanzen unter eine spezielle Regelung fallen; dies ist aber leider immer noch nicht allen Ärzten bekannt, außerdem herrscht im Lande große Angst vor Arzneimittelregressen durch die Krankenkassen, die eine Praxis, wenn sie wirklich zum Tragen kommen, schneller in den Konkurs treiben, als man auch nur ansatzweise erahnt. Dies ist – neben anderen – einer der möglichen Gründe, warum Deutschland mittlerweile mit der Verordnung von TNF-alpha-Blockern in der Rheumatologie das Schlusslicht in Europa bildet und mit Abstand beispielsweise sogar hinter dem gemeinhin als extrem schlecht eingeschätzten staatlichen Gesundheitswesen in Großbritannien liegt.

 

Außerhalb der offiziellen Zulassung („off-label“) liegen bei der Behandlung der Psoriasisarthritis mit konventionellen langwirksamen Antirheumatika Erfahrungen aus klinischen Studien oder aus der praktischen Anwendung für folgende Substanzen vor:

 

- Sulfasalazin (z.B. Azulfidine RA, Pleon RA)

 

- Azathioprin (z.B. Imurek)

 

- Ciclosporin (Sandimmun, Sandimmun optoral); Sandimmun ist in Deutschland offiziell zugelassen für die Therapie der schweren Haut-Psoriasis

 

- Leflunomid (Arava)

 

 

Umfangreiche Studiendaten liegen aus dieser Medikamentengruppe insbesondere für Leflunomid vor. Die Ergebnisse der TOPAR-Studie belegen dabei eine gute Wirksamkeit von Arava bei Psoriasisarthritis. Es ist zu erwarten, das Arava in absehbarer Zeit auf der Grundlage dieser Studien auch offiziell für die Therapie der Psoriasisarthritis zugelassen werden wird.

 

Aus der Gruppe der biologischen Medikamente zeigen Studiendaten auch für Infliximab (Remicade) eine Wirksamkeit bei der Psoriasisarthritis.

 

Eine gute Wirksamkeit auf die Hautbeteiligung der Psoriasis ist belegt für Methotrexat, Ciclosporin (z.B. Sandimmun, Sandimmun optoral), Leflunomid (Arava), Etanercept (Enbrel) und Infliximab (Remicade).

 

Sie sollten mit dem behandelnden Arzt in der Rheumaambulanz noch einmal sprechen und mit ihm die in Ihrem speziellen Fall sinnvollen Therapieoptionen diskutieren. Wenn es sich um eine internistisch-rheumatologische Rheumaambulanz handelt, wovon ich nach der Schilderung des bisherigen Krankheits- und Behandlungsverlaufs fast ausgehen möchte, sollte es nach meiner Meinung eine Lösungsmöglichkeit für Ihr Problem geben.

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