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Fragen und Antworten

Eine Frage von  02-09-2004:

Inwieweit steigt das Infektionsrisiko durch die TNF-Alpha-Behandlung??? Ich arbeite mit Drogenabhängigen, die insbesondere Hepatitis C, manchmal auch A (hier bin ich geimpft) und B haben, einige auch HIV. Zu meinen Aufgaben gehören neben Gesprächen auch Urinkontrollen. Zudem wird das Mittagessen von den Patienten zubereitet (möglicher Speichel oder Blutspuren im Essen sind nicht auszuschließen).

Inwieweit kann ich mich mit einem schwachen Immunsystem da vielleicht auch auf Wegen anstecken (z.B. durch Urin, Speichel durch Sprechen evt.), die bei normalem Immunsystem nicht zu einer Infektion führen???

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 2.09.2004:

TNF-alpha spielt eine gewisse Rolle bei der Infektionsabwehr, deshalb ist unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern in der Tat das Risiko für Infektionen etwas erhöht. Dies betrifft relativ einheitlich alle derzeit zur Verfügung stehenden Substanzen, d.h. Etanercept (Enbrel), Infliximab (Remicade) und Adalimumab (Humira) ohne wesentlichen speziellen Vorteil oder Nachteil einer der genannten Substanzen.
In der Regel handelt es sich dabei um banale Infekte der oberen Luftwege, wie beispielsweise Erkältungen oder auch Nebenhöhlenentzündungen, Bronchitis etc..

Allerdings muß es nicht unbedingt dazu kommen; so hat der überwiegende Teil meiner Patienten, die mit TNF-alpha-Blockern behandelt werden, keine diesbezüglichen Probleme. Speziell gibt es bei einer jungen Krankenschwester, die auf der Intensivstation arbeitet und dort sicherlich einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist, und die von mir nunmehr länger als ein Jahr wegen einer schweren Psoriasis-Arthritis mit Enbrel behandelt wird, bislang keine Infektionskomplikationen unter dieser Behandlung.

Wenn schon vor einer TNF-alpha-Blocker-Therapie eine erhöhte Infektneigung besteht, ist es möglich, daß die Infektneigung durch die Behandlung weiter gesteigert wird. Dies muß aber nicht unbedingt der Fall sein, da u.U. die wirksame Behandlung der Grunderkrankung dazu führt, daß die darauf beruhende erhöhte Infektanfälligkeit geringer wird.

Das Infektionsrisiko unter einer TNF-alpha-Blocker-Therapie hängt sehr wesentlich von der Grunderkrankung, möglichen weiteren Begleiterkrankungen und der übrigen Therapie, z.B. mit Methotrexat oder Cortison, ab. So ist bei der rheumatoiden Arthritis das Risiko für Infektionskomplikationen allein schon wegen der Grunderkrankung höher als bei einer Psoriasis-Arthritis oder einer Spondarthritis, da die rheumatoide Arthritis selber, d.h. bereits ohne Therapie, durch die krankheitsbedingte Schwächung des Immunsystems mit einem deutlich erhöhten Infektionsrisiko einhergeht. Bei der Psoriasis-Arthritis oder auch beim M. Bechterew ist die Situation anders, da diese beiden Erkrankungen nicht „von Hause aus“ schon mit einer Immunkompromittierung einhergehen.

Verschweigen sollte man nicht, daß bei einem kleinen Teil der Patienten unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern auch schwerere und schwere, z.T. sogar lebensbedrohliche Infektionen auftreten können. Oft sind dies aber dann Patienten mit schweren und schon langen Krankheitsverläufen, nicht selten auch mit einer begleitenden Cortisontherapie und anderen, ebenfalls das Immunsystem beeinträchtigenden Begleiterkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit).

Ein spezielles Infektionsrisiko unter einer TNF-alpha-blockierenden Therapie ist eine Reaktivierung einer latenten, d.h. vorbestehenden, aber nicht aktiven Tuberkulose. Dieses Risiko betrifft speziell die beiden monoklonalen TNF-alpha-Antikörper Infliximab (Remicade) und Adalimumab (Humira), in wesentlich geringerem Ausmaß den auf eine andere Weise wirkenden löslichen Rezeptor Etanercept (Enbrel) (vergleiche zu diesem Aspekt auch meine Antwort auf die Frage zu Enbrel vom 30.07.2004: M. Bechterew und positiver Tuberkulin-Test: Ist Enbrel die bessere Therapieoption als Remicade?)

Wenn es zu einer Infektion gekommen ist, kann diese unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern schwerer verlaufen aus ohne eine solche Therapie. Deshalb gilt die Regel, daß man dann die TNF-Blocker-Therapie solange unterbrechen sollte, bis die Infektion abgeklungen ist, ggf. auch durch eine entsprechende Behandlung mit Antibiotika. Auch sollte man wegen dieses Aspektes bei Patienten mit einer TNF-alpha-blockierenden Therapie die Indikation zu einer Antibiotika-Therapie großzügiger stellen als bei Patienten ohne Immunkompromittierung, d.h. man sollte bei diesen Patienten eher einmal ein Antibiotikum geben als sonst.

Für die pflegerische Tätigkeit in Bereichen mit erhöhtem Infektionsrisiko ist eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern theoretisch ein Problem. Allerdings sollte unabhängig von einer solchen Therapie bei der Betreuung von Patienten mit Hepatitis oder HIV gelten, daß hier die ohnehin notwendigen Hyienestandards noch strikter und konsequenter eingehalten werden sollten. Wenn man sich an die entsprechenden Grundsätze hält, dürfte auch unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern ein erhöhtes Infektionsrisiko für Hepatitis A, B oder C sowie für HIV nicht vorliegen, da die Erreger nur über den unmittelbaren Kontakt von Körpermaterialen übertragen werden.

Problematischer ist bei diesen Patienten im Hinblick auf ein erhöhtes Infektionsrisiko des Pflegepersonals oder der anderen betreuenden Personen nicht die Grunderkrankung selber, sondern speziell im Fall von HIV das erhöhte Infektionsrisiko der HIV-Patienten mit anderen Infektionen, z.B. Lungenentzündungen, Pilzinfektionen, Tuberkulose etc.. Bei diesen Infektionen ist bei einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern eine erhöhte Ansteckungsgefahr nicht auszuschließen. Wie hoch dieses Risiko zu beziffern ist, vermag ich nicht abzuschätzen.

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