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Fragen und Antworten

Eine Frage von Gerd H.:

Meine Krankheit nennt sich " Caplan - Syndrom " ( chronische Polyarthritis und Staublunge ).

 

Ich nehme seit ca. 11 Monaten Cortison - jetzt Urbason früh 8 mg und abends 4 mg, dann Ibuprofen 1x 600mg, 1x Nexium und Calcilac. Zusätzlich bekomme ich MTX und Enbrel.

 

Seit längerem stelle ich fest, dass ich nach ausreichendem Nachtschlaf, das heißt ab 22.00 Uhr, am nächsten Tag immer müde bin. Zusätzlich habe ich zu nichts Lust. Wenn ich mir fest vornehme, irgend etwas zu machen und ich das auch will, endet das meistens im Bett. Bitte nicht falsch verstehen *grins*. Mich nervt das unendlich und ich frage deshalb, woran das liegen könnte und ob es Zusammenhänge gibt, oder habe ich eine neue Schlafkrankheit?

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 28.01.2003:

Es hört sich so an, dass schon fast etwas mehr als eine reine Müdigkeit vorliegt, wahrscheinlich handelt es sich um eine regelrechte Erschöpfungssymptomatik, wie sie im Angloamerikanischen als "fatigue" bezeichnet wird (was auch Müdigkeit bedeutet, aber eben auch die viel weiter gehende Problematik der ausgeprägten Erschöpfung mit beinhaltet).

 

Eine solche Erschöpfungssymptomatik ist ein typisches Zeichen der Krankheitsaktivität bei entzündlich-rheumatischen oder immunologischen Systemerkrankungen, d.h. auch bei der rheumatoiden Arthritis.

 

Abzugrenzen sind andere Ursachen, nicht zuletzt auch hormonelle Störungen. Bei Patienten, die vorher lange mit Cortison behandelt wurden und bei denen dann das Cortison zu schnell abgesetzt wurde, kann eine solche Müdigkeit Ausdruck eines schweren Cortisonentzugs und echten Cortisonmangels sein, da die Nebenniere nicht genügend eigenes Cortison produziert (man nennt das eine Addison-Symptomatik). Diese Möglichkeit entfällt natürlich, wenn Cortison in der angegebenen Dosierung eingenommen wird. Weitere endokrinologische Ursachen einer solchen Erschöpfungssymptomatik sind beispielsweise Unterfunktionen der Schilddrüse (wird gerne übersehen).

 

Nicht zuletzt kann es sich auch um eine unerwünschte Nebenwirkung der Therapie handeln. Bei den angegebenen Medikamenten kommen grundsätzlich alle angegebenen Präparate in Frage. Allerdings ist Müdigkeit oder Erschöpfung als Folge einer Behandlung mit Cortison extrem selten; in der Regel ist Cortison eher ein "Aufputschmittel". Eine Ibuprofen-Nebenwirkung wäre auch sehr ungewöhnlich, kann aber auch nicht restlos ausgeschlossen werden.

 

Im Fall von Enbrel ist auch eher das Gegenteil anzunehmen: Da TNF-alpha zu den Botenstoffen gehört, die bei vielen Erkrankungen auch für die sogenannten systemischen Symptomen verantwortlich sind, u.a. auch für schwere Erschöpfungssymptome, führt die Blockade von TNF-alpha normalerweise zu einer wesentlichen Verbesserung der Müdigkeit und der Erschöpfung und zu einem insgesamt besseren Allgemeinbefinden. Allerdings kommt es in ganz seltenen Fällen unter einer Therapie mit Etanercept (Enbrel) zur Entwicklung von einer Art depressiven Verstimmung, die mit einer erheblichen Antriebsarmut und einem ausgeprägten Erschöpfungsgefühl einhergehen kann.

 

Selten sieht man die angegebenen Symptome auch als mögliche Nebenwirkung einer Methotrexat-Therapie.

 

Wenn andere Ursachen abgeklärt und ausgeschlossen sind und die Möglichkeit einer Mt—Nebenwirkung oder einer Enbrel-Nebenwirkung im Raum steht, sollte - in Absprache mit dem behandelnden Rheumatologen – als erstes ein Auslassversuch von Mtx angedacht werden, d.h. Methotrexat für ein bis zwei Wochen nicht gegeben werden. Hat dies keinen Einfluß auf die Erschöpfungssymtpomatik, würde man die Methotrexat-Therapie wieder fortsetzen und nach ein bis zwei Wochen eine kurze Therapiepause von Enbrel durchführen (eine oder zwei Injektionen auslassen). Wenn Enbrel die Ursache der Erschöpfungssymptomatik ist, sollte es bereits nach dieser kurzen Pause zu einer deutlichen Verbesserung kommen. Wenn nicht, scheidet Enbrel als Ursache weitgehend aus. Die Therapie sollte dann umgehend wieder fortgesetzt werden.

 

Unabhängig von den Medikamenten kann es im übrigen auch in der Folge der Grunderkrankung zu depressiven Verstimmungen kommen. Viele Patienten mit rheumatoider Arthritis, Kollagenosen oder systemischem Lupus erythematodes leiden an einer solchen reaktiven Depression, wenn darüber auch viel zu wenig gesprochen wird und wenn auch an eine solche Krankheitsfolge oft nicht gedacht wird.

 

Wenn sich solche depressiven Symptome weniger in einer ausgeprägten Traurigkeit als in Antriebsarmut, Müdigkeit und Erschöpfung äußern, sollte man daran denken, dass eine sogenannte "larvierte", d.h. verdeckte Depression vorliegen könnte. In diesem Fall muß natürlich eine gezielte Diagnostik und Therapie in dieser Richtung erfolgen.

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