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Fragen und Antworten

Eine Frage von Ralf T.:

Wie ist die Kostenübernahme für die Therapie einer Vaskulitis mit TNF-alpha-Blockern geregelt? Entscheiden die Krankenkassen von Fall zu Fall, oder gibt es allgemeine Bestimmungen? Wie hoch sind die Kosten für eine solche Therapie? Eine Möglichkeit wäre ja unter Umständen, die Behandlung wirklich selber zu zahlen, denn meine Gesundheit ist mir sehr wichtig (auch ein Kinderwunsch), und bei der Therapie mit TNF sind mir zumindestens die Nebenwirkungen angenehmer als bei Endoxan, so daß ich denke, man sollte es zumindestens mal versuchen...

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 18.08.2005:

Bei der ärztlichen Verordnung von Fertigarzneimitteln muß unterschieden werden, ob die Anwendung innerhalb oder außerhalb der offiziellen Zulassung für die jeweilige Indikation erfolgt. Im ersten Fall ist für alle Kostenträger im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen eine Leistungspflicht grundsätzlich gegeben, im zweiten Fall liegt ein sogenannter „Off-Label-Use“ vor, für den bei der Kostenübernahme erhebliche Einschränkungen vorliegen.

Für Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gilt der Grundsatz, daß Fertigarzneimittel zu Lasten der GKV nur innerhalb der gültigen Zulassung verordnet werden dürfen. Diese Rechtsauffassung wurde in einem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. März 2002 bestätigt (Az.: B1 KR 37/00 R).
 
Im medizinischen Alltag erfolgen allerdings nach offiziellen Schätzungen (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) etwa 25% aller Verordnungen außerhalb der Zulassung. In der Kinderheilkunde ist dieser Anteil noch weitaus höher und betrifft weitaus mehr als die Hälfte aller Verordnungen. Dies hängt unter anderem damit zusammen, daß bei innovativen Medikamenten die Zulassung oft hinter dem schnellen medizinischen Fortschritt bei ihrer Anwendung zurückbleibt. Außerdem ist der Aufwand bei der Zulassung eines Arzneimittels so hoch, daß viele pharmazeutische Hersteller aus wirtschaftlichen Gründen darauf verzichten, ein Präparat für seltene Erkrankungen bzw. Anwendungsgebiete offiziell zuzulassen.
 
Das BSG hat deshalb einen Off-Label-Use unter bestimmten Bedingungen zugelassen, da das Arzneimittelrecht sonst dazu führen würde, daß den Versicherten der GKV unverzichtbare und erwiesenermaßen wirksame Therapien vorenthalten würden.
 
Nach den Vorgaben des BSG ist der Off-Label-Use auch bei Versicherten der GKV in engen Grenzen möglich. Dazu müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

     

  • es muß eine schwerwiegende, d.h. lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung vorliegen
  • es darf keine andere Therapie verfügbar sein
  • es muß auf Grund der Datenlage die begründete Aussicht bestehen, daß mit dem betreffenden Präparat ein kurativer oder palliativer Behandlungserfolg zu erzielen ist, d.h. eine Heilung oder zumindestens eine Besserung der Symptome.

Nach Auffassung des BSG ist eine solche begründete Erfolgsaussicht beim Vorliegen von Forschungsergebnissen gegeben, nach denen zu erwarten ist, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden könne. Das BSG nennt dazu zwei Möglichkeiten: 

     

  1. Es ist bereits eine Erweiterung der Zulassung beantragt und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III belegen gegenüber Standard oder Placebo eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw. einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken 
     
  2. Es sind außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen. Darüber hinaus muss über diese Aussagen in Fachkreisen Konsens über den voraussichtlichen Nutzen bestehen. 

Kassenärzte, die Fertigarzneimittel zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung außerhalb dieses vorgegebenen Rahmens verordnen, müssen mit Regressen rechnen, was in letzter Konsequenz bedeuten kann, daß sie für die Kosten des Medikaments selber aufkommen müssen.
 
Speziell bezogen auf die Rheumatologie sind die dargestellten Voraussetzungen für einen Off-Label-Use in vielen Fällen erfüllt. Bei vielen entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen handelt es sich um schwerwiegende, zum Teil lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Krankheitsbilder.
 
Häufig standen bei diesen Erkrankungen bis zur Einführung der TNF-alpha-blockierenden Substanzen wirksame Therapien nicht zur Verfügung.
 
Hinsichtlich des zu erwartenden Behandlungserfolgs belegen mittlerweile die wachsenden Ergebnisse aus klinischen Studien oder aus Einzelfallbeobachtungen die Wirksamkeit von TNF-alpha-hemmenden Substanzen für eine ganze Reihe von entzündlich-rheumatischen und immunologischen Systemerkrankungen.
 
Im Fall von Vaskulitiden zeigen Pilotstudien und kasuistische Mitteilungen eine Wirksamkeit sowohl für Etanercept (Enbrel) als auch Infliximab, allerdings nicht in gleicher Weise für jede Vaskulitis-Form. So ist Infliximab offensichtlich bei einem Teil der Patienten mit M. Wegener (Wegener´sche Granulumotose) wirksam, Enbrel hingegen nicht. Für beide Präparate gibt es aber Hinweise auf eine Wirksamkeit bei der Riesenzellarteriitis und der damit verwandten Polymyalgia rheumatica.

Zur Therapie einer zerebralen Angiitis kenne ich persönlich keine Studien oder kasuistische Mitteilungen, die eine Wirksamkeit geprüft hätten und entsprechend belegen. Deshalb dürfte es extrem schwierig sein, im Fall eines GKV-Versicherten eine Kostenübernahme für eine solche Therapie durchzusetzen, insbesondere dann, wenn eine Endoxan-Therapie greift und damit eine gesicherte und probate konventionelle Behandlungsform darstellt.

Die Kosten für eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern sind hoch und liegen je nach Präparat und individueller Situation (z.B. Dosierung, Ansprechrate etc.) in der Größenordnung von etwa 20.000 EUR pro Jahr.

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