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Fragen und Antworten

Eine Frage von Christel G.:

Seit einiger Zeit verfolge ich alles Neue auf der rheuma-online-Seite, die ich wirklich fantastisch finde. Nun habe ich mal eine Frage an Sie, den Experten. Vor einigen Monaten habe ich die Diagnose chron. Polyarthritis bekommen. Meine Beschwerden sind bislang sehr gering. Das Mittelgelenk des rechten Mittelfingers ist dick, das rechte Zeigefingergrundgelenk leicht geschwollen, sowie die beiden Daumen leicht schmerzhaft. Das war über Monate alles. Es vergehen also Tage, da merke ich rein gar nichts. Mein Arzt hat mir natürlich zur Therapie mit Mtx geraten, was ich bislang abgelehnt habe. Ich bin zur Zeit in Behandlung bei einer Homöopathin, die es mit klassischer Homöopathie versucht. Über den Erfolg bin ich mir selbst nicht im klaren, weil ich ja auch nicht weiß, wie die Krankheit ohne verlaufen würde. Ich befinde mich in einem großen inneren Konflikt. Einerseits möchte ich mich nicht womöglich unnötig großen medikamentösen Nebenwirkungen aussetzen, andererseits möchte ich in der Behandlung natürlich auch nichts versäumen und mir später mal Vorwürfe machen müssen.

Nun meine Frage an Sie. Was ist Ihre Meinung zur Homöopathie? Muß ich auch bei der geringen Symptomatik schon schwerwiegende Gelenkschäden befürchten? Kann man vielleicht nach einem halben Jahr schon etwas zu Verlauf und Prognose sagen?

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.01.1970:

Ihre Frage hat einen relativ leicht zu beantwortenden und einen extrem schwierig zu beantwortenden Teil.

Zunächst das Leichtere. Wir selber haben vor einigen Jahren einmal in Kooperation mit der Universität Freiburg und erfahrenen homöopathisch tätigen Ärzten eine wissenschaftliche Studie zur Therapie der chronischen Polyarthritis durchgeführt, die zuletzt abgebrochen werden musste, da ein größerer Teil der Patienten im homöopathischen Therapiearm wegen Unwirksamkeit dieses Therapieansatzes nicht mehr weiter an der Studie teilnehmen wollte. Im Klartext heißt das: Die eigenen Untersuchungen zur homöopathischen Behandlung der chronischen Polyarthritis durch erfahrene, engagierte homöopathisch tätige Ärzte sind nicht danach, dass man diesen Behandlungsansatz stark favorisieren sollte. Allerdings handhabe ich es in meiner eigenen Praxis so, dass ich Patienten, die eine homöopathische Behandlung flankierend, d.h. parallel neben der tradtionellen antirheumatischen Therapie durchführen möchten, nicht davon abhalte und sie in enger Kooperation mit den Homöopathen betreue.

Und nun das Schwierige, nämlich die Frage nach möglichen Versäumnissen bei einer zu spät eingeleiteten langwirksamen antirheumatischen Therapie.

Sicher ist, dass es bei der chronischen Polyarthritis / rheumatoiden Arthritis ein sehr schmales therapeutisches Fenster gibt, in dem sich das weitere Wohl und Wehe eines Patienten entscheidet. Wird in diesem therapeutischen Fenster eine wirksame remissionsinduzierende, krankheitsmodifizierende Therapie mit einem langwirksamen Antirheumatikum (LWAR, „Basistherapeutikum, „DMARD“ = disease modifying antirheumatic drug) begonnen, ist der weitere Verlauf der Erkrankung wesentlich günstiger als bei Patienten, bei denen dies versäumt wird. Die Wahrscheinlichkeit für eine komplette Remission, d.h. günstigenfalls für die Einleitung einer endgültigen Heilung, wächst umso mehr, je eher mit einer solchen Therapie begonnen wird.

Allerdings ist die Voraussetzung für diese Aussage, dass es sich bei der vorliegenden Erkrankung auch wirklich um eine rheumatoide Arthritis handelt, und dies ist manchmal gerade bei Krankheitsbeginn sehr schwierig zu entscheiden, insbesondere dann, wenn die Erkrankung nicht mit dem klassischen Krankheitsbild, z.B. der Schwellung von sehr vielen Gelenken, starken Schmerzen, ausgeprägter Morgensteifigkeit und hoher Blutsenkung und hohem CRP, womöglich noch hohem Rheumafaktor im Blut, beginnt. Sondern eher schleichend, unterschwellig und anfangs ohne große Symptome.

Selber verfolge ich die Strategie, eine krankheitsmodifizierende Therapie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig einzuleiten, da nach aller Erfahrung die Folgen der unzureichend und zu spät behandelten Erkrankung sehr viel schlimmer sind als die möglichen Nebenwirkungen der Behandlung. Krankheitsmodifizierende Therapie ist dabei nicht identisch mit Methotrexat (Mtx). Glücklicherweise gibt es je nach Lage der Dinge ein breites Spektrum an differentialtherapeutischen Möglichkeiten, dass in der Regel eine auf die individuelle Situation maßgeschneiderte Therapie zulässt. Im übrigen wird die Gefährlichkeit der modernen medikamentösen antirheumatischen Therapie leider auch heute noch viel zu stark überschätzt. Dies hängt nicht selten mit der mangelnden rheumatologischen Ausbildung, Weiterbildung und Erfahrung der meisten Ärzte ab, die sich trotz fehlender spezieller fachrheumatologischer Qualifikation in unserer Republik dazu berufen fühlen, Patienten mit schweren rheumatischen Erkrankungen zu behandeln. Wenn eine solche Therapie durch einen erfahrenen internistischen Rheumatologen durchgeführt und überwacht wird, ist ihre Sicherheit sehr hoch und geht selten mit schweren, folgenreichen Nebenwirkungen einher.

Was in Ihrer speziellen Situation und bei Ihrem Krankheitsbild der richtige Weg ist, kann aus der Ferne nicht beurteilt werden. Auf jeden Fall gilt der Rat, so früh wie möglich einen qualifizierten Fachmann aufzusuchen, da gerade in der Anfangsphase einer rheumatoiden Arthritis selbst kleine Versäumnisse große Folgen in der Zukunft haben können.

Empfehlenswerte Lektüre aus den rheuma-news:

„Early is too late“ oder: Sofortiger Therapiebeginn mit einer Basistherapie ist bei einer beginnenden rheumatoiden Arthritis für die weitere Prognose entscheidend (http://rheuma-online.de/news/?id=24)

und: „Noch einmal, weil es so wichtig ist“ (http://rheuma-online.de/news/?id=31)

18.01.2003

Keywords: chronische Polyarthritis * rheumatoide Arthritis * early arthritis * very early arthritis * LWAR * DMARDs * Therapiebeginn * early is too late

 

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