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Fragen und Antworten

Eine Frage von Petra P.:

Ich habe eine ergänzende Frage zu meiner Anfrage vom 1. September.

 

Noch einmal kurz mein Problem: Ich bin 28 Jahre alt, weiblich, leide an einem M. Bechterew und habe vorwiegend Schmerzen in den ISG. In der Vergangenheit habe ich bereits Diclofenac, Vioxx, Celebrex, Ibuprofen, Protaxon und noch ca. 3 andere Dinge probiert, wo ich den Namen nicht mehr weiß. Z.B. Diclofenac hat zu Beginn der Erkrankung sehr gut geholfen, nach ein paar Monaten dann gar nicht mehr, obwohl ich mehr als die angegebene Höchstdosis genommen habe (4 x 50mg). Seit fast zwei Jahren nehme ich Indometacin. In diesem Jahr bisher ducrhgängig ohne Pause, da ich ständig Schmerzen habe. In der Regel nehme ich 2 x 75mg retard. Zeitweise aber auch immer wieder über mehrere Wochen 2 x 50mg und 1 x 75mg retard. Es wird jedoch in keinster Weise eine ausreichende Schmerzstillung erzielt. Stattdessen humpele ich den ganzen Tag durch die Gegend, und das Leben macht mir wirklich keinen Spaß mehr.

Als ich Anfang des Jahres überhaupt nicht mehr auftreten und auch nicht mehr sitzen konnte, habe ich 2 x 50mg, 1 x 75mg Indometacin plus 1 x Vioxx Dolor plus Mydocalm plus eine geringe Menge Cortison (10mg?) für fünf Tage genommen. Selbst da hatte ich keine vollkommene Schmerzstillung, wenn auch eine etwas bessere als mit dem Indometacin alleine.

Als ich meinen Arzt auf TNF-Alpha-Blocker angesprochen habe, meinte er, ich müsse erst 3 Monate Sulfasalazin und dann 3 Monate Methotrexat ausprobieren (= 2 Basismedikamente); erst dann genehmigt die Kasse eine Behandlung mit TNF-Blockern. Auf Ihrer Seite habe ich es so verstanden, dass zwei NSAR ausreichen (das habe ich ja schon).

Wie ist es tatsächlich? Muss ich noch sechs Monate warten??

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 2.09.2004:

Beim Einsatz von TNF-alpha-Blockern bei der Therapie der ankylosierenden Spondylitis orientieren sich die Rheumatologen an internationalen Leitlinien. Diese Leitlinien wurden auf der Grundlage der veröffentlichen klinischen Studien erarbeitet und beruhen zusätzlich auf der Meinung von Experten.

Voraussetzung für die Therapie einer ankylosierenden Spondylitis mit TNF-alpha-Blockern ist nach diesen Leitlinien eine aktive Erkrankung, die auf bisherige Therapiemaßnahmen nicht oder nicht ausreichend angesprochen hat. Dazu sollten mindestens zwei nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR, cortisonfreie Entzündungshemmer) in maximal empfohlener bzw. verträglicher Dosierung eingesetzt worden sein.

Bei Patienten mit einem sogenannten axialen Befall, d.h. rein auf das Achsenskelett (Wirbelsäule, Ileosakralgelenke = ISG) bezogenen Krankheitssymptomen, sollte nach Versagen der genannten konventionellen Therapie direkt mit einem TNF-alpha-Blocker behandelt werden.

Aus der Ferne ist es uns natürlich nicht möglich, Empfehlungen und Stellungnahmen zu einem individuellen Krankheitsbild und einer Therapie zu geben. Allgemein kann man jedoch sagen, daß nach diesen Empfehlungen ein Einsatz von TNF-alpha-Blockern gerechtfertigt ist, wenn es um eine Therapie von Symptomen im Bereich der Wirbelsäule und / oder der Kreuz-Darmbein-Gelenke (Ileosakralgelenke, ISG) geht und die Behandlung mit wenigstens 2 cortisonfreien Entzündungshemmern in maximal verträglicher Dosierung nicht zu einer ausreichenden Symptomkontrolle geführt hat.

Der Einsatz von Sulfasalazin vor dem Beginn einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern ist bei M. Bechterew eine Voraussetzung nur bei einem Befall peripherer Gelenke. Die entsprechende Passage der Leitlinien gibt dazu die folgenden Empfehlungen:
 
Liegt eine sogenannte periphere Arthritis vor, d.h. stehen Symptome von Seiten der peripheren Gelenke im Vordergrund, sollte, wenn dazu eine medizinische Indikation besteht, d.h. wenn dies aus medizinischen Gründen sinnvoll und angezeigt ist, vor Einsatz von TNF-alpha-Blockern ein Therapieversuch mit intra-artikulären Cortison-Injektionen unternommen werden. Unabhängig davon wird bei peripherer Arthritis vor dem Einsatz von TNF-alpha-Blockern ein Therapieversuch mit Sulfasalazin empfohlen. Bei den intra-artikulären Cortison-Injektionen, d.h. Einspritzen von Cortison direkt in betroffene Gelenke, wird empfohlen, zunächst den Effekt von mindestens zwei solcher Injektionen abzuwarten, bevor die Entscheidung zum Beginn einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern getroffen wird.

Für die Sulfasalazin-Therapie wird entsprechend eine Mindesttherapiedauer von 4 Monaten und eine Dosis von bis zu 3 g Sulfasalazin pro Tag empfohlen (entsprechend einer Dosis von bis zu 3 x 2 Tabletten á 500 mg, beispielsweise Azulfidine RA oder Pleon RA etc.)

Die Wirksamkeit von Methotrexat ist bei M. Bechterew nicht belegt. Deshalb kann ein vorausgehender Therapieversuch mit Methotrexat bei einer ankylosierenden Spondylitis nicht als Voraussetzung einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern gefordert werden. Eine solche Bedingung findet sich deshalb auch in der internationalen Leitlinie nicht.

Allerdings gibt es in Deutschland das Problem, daß die Finanzknappheit der gesetzlichen Krankenversicherung und die rigiden Budgetbeschränkungen eine leitliniengerechte Therapie nicht unbedingt und immer zulassen. Um mögliche Regresse durch die Krankenkasse zu vermeiden, kann es in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation vor Ort notwendig werden oder zumindestens empfehlenswert sein, vor Beginn einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern andere konventionelle Therapien voll auszuschöpfen.

Da zumindest Sulfasalazin bei einem Teil der Patienten mit Spondarthritis auch eine gute Wirksamkeit auf die Symptome im Bereich des Achsenskelettes hat, gibt es im Einzelfall durchaus die Option, eine solche Therapie zunächst zu probieren. Ob bei einer eventuellen Unwirksamkeit dieser Substanz dann nach 3 Monaten ein weiterer Behandlungsversuch mit Methotrexat durchgeführt werden sollte, hängt ganz vom individuellen Einzelfall ab, insbesondere auch von der genauen Art des Krankheitsbildes, der Manifestationen, der Krankheitsaktivität, dem Krankheitsverlauf, nicht zuletzt auch von der psychosozialen Situation des Patienten. So sollte es bei einer solchen Therapieentscheidung eine wesentliche Rolle spielen, ob beispielsweise ohne eine wirksame Therapie die Erwerbsfähigkeit eines Patienten gefährdet ist.

Ich persönlich führe bei einem M. Bechterew eine Therapie mit Methotrexat wegen unbefriedigender Ergebnisse in der Regel nicht durch. Ausnahme sind Patienten, bei denen eine periphere Arthritis ganz im Vordergrund steht und das Krankheitsbild von den Symptomen her Überlappungen zu einer rheumatoiden Arthritis aufweist. Eine weitere Ausnahme ist die Psoriasis-Arthritis. Hier ist Methotrexat bewiesenermaßen wirksam. Dies gilt nach den Ergebnissen aus den entsprechenden klinischen Studien zwar nur für die periphere Gelenkbeteiligung. Nach eigenen Erfahrungen hat Methotrexat bei einem Teil der Patienten mit Psoriasis-Arthritis und einer axialen Beteiligung auch eine Wirkung auf die Symptome im Bereich der Wirbelsäule und der Kreuz-Darmbein-Gelenke. Eine geringe oder fehlende Wirksamkeit von Methotrexat sieht man dagegen bei den sogenannten enthesiopathischen Manifestationen einer Psoriasis-Arthritis (Schmerzen und Entzündungen im Bereich von Sehnenansätzen) und bei der Daktylitis, d.h. der Schwellung nicht nur von Gelenken, sondern der Entzündung eines ganzen Fingers oder eines ganzen Zehs mit Einschluß der Sehnen, der Sehnenscheiden und sogar der Knochenhaut. Bei diesen Manifestationen, bei denen oftmals auch Cortison überhaupt nicht oder nur sehr unbefriedigend und in hohen Dosen hilft, wirken TNF-alpha-Blocker oft fast dramatisch.

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