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Fragen und Antworten

Eine Frage von Roger C. aus Barcelona:

Ich habe wohl seit April diesen Jahres Morbus-Reiter. Ich war auch schon

bei vielen Ärzten in verschieden Krankenhäusern. Dennoch konnte mir niemand

genau sagen, wie die Krankheit in Zukunft verlaufen könnte. (versteh ich ja

auch, sind ja keine Hellseher). Dennoch wurden mir die Informationen über

meine Krankheit nur häufchenweise mitgeteilt. Da man schon vieles an mir

ausprobiert hat, bleibt doch noch etwas aus. Eine Behandlung mit Salazopyrin (hoffe der Name ist richtig). Falls meine Schmerzen nicht verschwinden. Was ist das für ein Medikament und was für Nebenwirkungen könnte es haben? Ich weiss nur, dass ich während der Einnahme regelmässig einen Bluttest machen muss, warum?. Auf Cortison-Spritzen habe ich bisher eigentlich gut reagiert, nach 5 Minuten Zittern war meistens alles ok.

Ich schildere Ihnen kurz mein Krankheitsablauf. Nicht im Detail, denn soviel Geld besitze ich nicht, um das Internetcafe hier zu bezahlen.

März, 2 Wochen Magen-Darm-Grippe (das erste Mal in meinem Leben)

April, plötzliches Anschwellen meines Fingers. Nach Bluttests etc. Cortison-Spritze, und am nächsten Tag konnte ich ihn schon wieder bewegen.

Juni, Schmerzen in Schulter und unterem Rückenbereich am Morgen, wurde nach

1-2 Stunden erträglich, aber permanent Schmerz, wenn ich mich zu schnell bewegte.

Juli, Starke Schmerzen jeden Morgen, Anschwellen meines grossen linken Zehs

(zweites Gelenk von vorne)

August, Augenentzündung links (Uveitis, hat ganze 3 Monate gedauert, bis sie komplett weg war. 2 Spritzen ins Auge, um Verklebung zu lösen)

2 Cortison-Spritzen ins Zehgelenk, Schwellung ging zurück, einen Monat später aber im vorderen Zehgelenk wiedergekommen.

Behandlung mit Voltaren 75, danach mit Froben 100, und einem Medikament, um

meinen Magen zu schonen, vor den anderen Medikamenten.

September, Rücken und Schulter sind ok. Doch meine Ferse und mein Zeh sind

geschwollen oder entzündet. Und das bis heute, es tut zwar nicht mehr so

weh wie früher, aber ich bin immer noch nicht 100% fit. Habe gestern meine letzte Froben 100 geschluckt, die Therapie ist jetzt zu Ende, und ich muss warten, was passiert. Da aber mein Fuss immer noch nicht ok ist, glaube ich, dass ich bald diese andere Therapie anfangen muss. Diese Aphthen, wie verbrannte Stellen im Mund, habe ich von Zeit zu Zeit, immer gleich mehrere auf einmal. Vor zwei Wochen hatte ich eine Uveitis im rechten Auge, da ich aber genug früh ins Spital bin, wird es wohl nicht so schlimm. Hätte man mir beim ersten Mal auch alles gesagt, wäre ich nicht zuerst in die Apotheke, die glaubten nämlich, es wäre eine normale Bindehautentzündung. Meine Uveitis war so stark, dass ich 3 Wochen mein linkes Auge nicht öffnen konnte.

Ich möchte nur mal wissen, wie lange es dauern könnte. Sie haben sicher schon Erfahrung mit dieser Krankheit. Die Ärzte sagen einen ja manchmal nicht alles, um einen nicht zu beunruhigen oder aus anderen Gründen. Ich möchte aber gerne soviel wie möglich wissen, um vielleicht ein wenig vorbeugen zu können. Ich hatte seit April keinen Tag ohne Schmerzen und fühlte mich oft älter als mein Vater. Ich weiss, es gibt schlimmere Krankheiten, und es ging mir die letzten 21 Jahre ja gut, dafür bin ich ja dankbar. Aber ich kann einfach nichts mehr richtig planen weil ich jetzt auf meinen Körper schauen muss.

Möchte nur mal Ihre Meinung hören. Vor allem was dieses Salazopyrin ist (der Arzt hat mich was gefragt, ob ich die Sonne mag), aber sicher, ich wohne ja auch in Barcelona. Habe meine Ernährung auf Säuren und Basen umgestellt.

Schaden kann es ja nicht, und wenn es hilft, wäre es ja gut. Ich habe Ihre Meinung über die Ernährung schon gelesen, hoffe aber trotzdem.

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.01.1970:

Aus der Ferne dürfen und können wir keine individuellen Ratschläge zu Diagnose und Therapie geben. Allgemein kann man aber sagen, dass Ihre Schilderung fast lehrbuchmäßig den typischen Beginn und nachfolgend die typischen Symptome und Manifestationen bei einer infektreaktiven Arthritis beinhaltet (der M. Reiter ist eine Sonderform der infektreaktiven Arthritiden und zeichnet sich aus durch die Symptomkonstellation einer Enteritis = Durchfallserkrankung und / oder Urethritis = Harnröhrenentzündung, Konjunktivitis = Bindehautentzündung und Arthritis = Gelenkentzündung).

Die Therapie des M. Reiter erfolgt zunächst mit cortisonfreien Entzündungshemmern gegen die Entzündung und die entzündungsbedingten Schmerzen. Bei der größeren Zahl der Patienten kommt es darunter im Verlauf der nächsten Wochen bis Monaten zu einem Abklingen der Symptome und einer anhaltenden Remission.

Bei einer kleineren Gruppe von Patienten mit M. Reiter entwickelt sich ein chronischer Verlauf, der von der Symptomatologie und den Krankheitsmanifestationen viel Ähnlichkeit mit einem M. Bechterew oder anderen Erkrankungen aus der Gruppe der Spondylarthropathien haben kann. Dazu gehören insbesondere die -à Daktylitis als ganz typische, besondere Gelenkmanifestation der Spondylarthropathien und speziell auch des M. Reiter und anderer infektreaktiver Arthritiden, die -à Sakroileitis (Entzündung der Kreuz-Darmbein-Gelenke, Iliosakralgelenke = ISG), die entzündliche -à Enthesiopathie, d.h. Entzündungen am Ansatz von Sehnen (speziell auch im Bereich der Achillessehnen) und Manifestationen außerhalb des Bewegungssystems, insbesondere auch am Auge in Form einer Iritis bzw. Uveitis.

Ein chronischer Verlauf eines M. Reiter wird besonders bei Patienten beobachtet, bei denen der Risikomarker -à HLA B27 positiv ist (dieser Marker ist eine Art „weiße Blutgruppe“, damit ein angeborenes Merkmal, und wird auch gerne als „Bechterew-Test“ bezeichnet, weil HLA B27 bei etwa 95% der Patienten mit M. Bechterew positiv ist). Bei bis zu 80% der Patienten mit einem M. Reiter ist HLA B27 positiv, und bei etwa dreiviertel dieser Patienten kommt es zu einem chronischen Verlauf.

In diesem Fall ändert sich die Behandlungsstrategie grundlegend, indem man nun nicht mehr nur mit rein symptomatisch wirkenden Medikamenten behandelt, d.h. den bereits genannten cortisonfreien Entzündungshemmern, sondern indem man nun mit einer sogenannten langwirksamen antirheumatischen Therapie beginnt (LWAR; auch krankheitsmodifizierende Therapie oder DMARD-Therapie genannt von engl. disease modifying antirheumatic drugs).

Salazopyrin (Sulfasalazin) gehört in diese Gruppe der langwirksamen Antirheumatika und wird mit dem Ziel eingesetzt, eine Remission zu induzieren, d.h. einen Heilungsprozeß einzuleiten. Es hat speziell bei Erkrankungen aus der Gruppe der Spondylarthropathien sehr oft eine gute Wirkung und wird deshalb dort auch als langwirksames Medikament der ersten Wahl eingesetzt.

Sulfasalazin wirkt in der Regel nicht nur auf die Gelenkbeteiligung bei M. Reiter, sondern auch auf den entzündlich bedingten Rückenschmerz und die Allgemeinsymptome wie Morgensteifigkeit und verringerte Leistungsfähigkeit. Ganz aktuelle Studien belegen darüber hinaus auch eine Wirksamkeit im Hinblick auf die Uveitis.

Sehr ausführliche Informationen zu Sulfasalazin haben wir in rheuma-online auf speziellen Seiten zu diesem Präparat zusammengestellt (http://www.rheuma-online.de/sulfasalazin/ ). Dort finden sich u.a. Informationen zu der Anwendungsweise, zur Wirksamkeit, den möglichen Nebenwirkungen, den notwendigen Kontrolluntersuchungen etc.

18.01.2003

Keywords: M. Reiter * seronegative Spondarthritiden * Spondylarthropathien * Iritis * Uveitis * Sulfasalazin

 

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