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Fragen und Antworten

Eine Frage von Frau C.:

Ich werde derzeit wegen meiner chronischen Polyarthritis mit Mehtotrexat behandelt. Die Wirksamkeit ist recht gut. Ich bin aber nicht beschwerdefrei und denke darüber nach, ob ich mit meinen Ärzten über eine Therapie mit TNf-alpha-Blockern sprechen soll. Vorab bin ich an ausführlichen Informationen zu dieser Therapie interessiert. Vor allem interessiert mich, mit welchen Nebenwirkungen und in welcher Häufigkeit (bitte Prozentangabe) bei der langfristigen Therapie einer chronischen Polyarthritis mit TNF-alpha Blockern zu rechnen ist?

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.06.2003:

Die Nebenwirkungen und die Nebenwirkungshäufigkeit sind bei den beiden derzeit in Deutschland zugelassenen TNF-alpha-Blocker (Etanercept = Enbrel, Infliximab = Remicade) etwas unterschiedlich.

 

Für beide Substanzen besteht ein etwas erhöhtes Infektionsrisiko. Dabei handelt es sich in der Regel um leichte Infekte der oberen Luftwege wie Erkältungen, aber auch Bronchitis o.ä.. Schwerere Infekte sind glücklicherweise bei beiden Substanzen selten.

 

Ein spezielles Risiko besteht bei Infliximab für eine Tuberkulose-Infektion. Dabei handelt es sich meistens um die Reaktivierung einer früher durchgemachten Tuberkulose. Deshalb muß vor einer Therapie mit Infliximab immer eine entsprechende Abklärung erfolgen (Röntgenaufnahme der Lunge, Tuberkulin-Hauttest), bevor mit der Therapie begonnen wird.

 

Häufiger sind bei Infliximab sogenannte Infusionsreaktionen, die normalerweise ebenfalls harmlos sind und sich in einem Blutdruckanstieg, Pulsanstieg, Kribbeln in Händen und Füßen, einem Hitzegefühl oder anderen Symptomen äußern. Sie lassen sich in der Regel durch eine Verlangsamung der Infusionsgeschwindigkeit oder eine kurze Unterbrechung der Infusion ohne Probleme beherrschen.

 

Bei Enbrel gibt es als typische Nebenwirkung der anderen Verabreichungsform (Spritzen unter die Haut) manchmal Hautreaktionen an der Einstichstelle, die in der Regel ebenfalls harmlos sind.

 

Hinsichtlich der Häufigkeit der wichtigsten möglichen Nebenwirkungen sind im folgenden die Zahlen aus den klinischen Studien zu Etanercept (Enbrel) aufgeführt. Für Infliximab (Remicade) ergeben sich mit Ausnahme des speziellen Tuberkuloserisikos ähnliche Prozentangaben:

 

Reaktionen an der Einstichstelle: ca. 35%

 

Infektionen insgesamt (alle Infektionen über den gesamten Therapiezeitraum): ca. 65 %

 

Kopfschmerzen: ca. 25 %

 

Unwohlsein, Übelkeit: ca. 15 %

 

Schnupfen: ca. 15 %

 

Schwindel, Benommenheit: ca. 7 %

 

Halsentzündung: ca. 5 %

 

Husten: ca. 5 %

 

Bauchschmerzen: ca. 10 %

 

Nebenhöhlenentzündungen: ca. 5 %

 

Brechreiz, Erbrechen: ca. 5 %

 

Verstärkter Haarausfall: ca. 5 %

 

 

Mit Ausnahme der Reaktionen an der Einstichstelle und von Infektionen der oberen Luftwege waren alle Nebenwirkungen unter Enbrel vergleichbar mit Placebo (Methotrexat), bei den meisten Nebenwirkungen sogar niedriger als die Nebenwirkungen unter einer Therapie mit Methotrexat.

 

Schwere Infektionen traten in den klinischen Studien bei 50 von 1.197 Patienten auf (ca. 4 %).

 

Bei längerdauernder Therapie (Beobachtungszeiträume in Studien über derzeit 5 und mehr Jahre) kam es nicht zu einem Anstieg der Infektionsrate. Bei 1.960 Patienten, die in den USA und in Europa mit Enbrel über bis zu 5 Jahren behandelt wurden, betrug die Häufigkeit von schweren Infektionskomplikationen 0.04 pro Patientenjahr (Culy und Keating 2002,Drugs 62: 2493-2537) und war damit genauso niedrig wie in der Kontrollgruppe von Patienten, die nicht mit Enbrel behandelt worden waren.

 

In einer Analyse der Post-Marketing-Daten aus mehr als 117.000 mit Enbrel behandelten Patienten traten schwere Infektionen mit einer Häufigkeit von 4.1 pro 100 Patientenjahren auf. Die ist innerhalb der Rate, die aus der Literatur für die Zeit vor Einführung der TNF-Blocker in die Therapie der rheumatoiden Arthritis bekannt ist (3.0 bis 9.5 auf 100 Patientenjahre, Culy und Keating 2002). Eine Tuberkulose wurde bei dieser Zahl von mehr als 117.000 Enbrelpatienten bei 13 Personen beobachtet.

 

Bei Langzeitbehandlung traten keine neuen Nebenwirkungen auf, die nicht bereits aus den klinischen Studien bekannt waren.

 

Besonderes Interesse gilt bei der Therapie mit TNF-alpha-Blockern der Frage, ob unter dieser Therapie bei längerer oder langer Anwendung ein erhöhtes Tumorrisiko besteht, speziell auch ein erhöhtes Risiko für Lymphome (Lymphdrüsenkrebs).

 

Die mittlerweile vorliegenden relativ umfangreichen Daten aus der Langzeitbeobachtung lassen ein solches Risiko sowohl für Etanercept (Enbrel) als auch für Infliximab (Remicade) nicht erkennen. Allerdings ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis – unabhängig von der Behandlung mit langwirksamen Antirheumatika oder speziell auch TNF-alpha-Blockern – ein gehäuftes Auftreten von sogenannten Non-Hodgkin-Lymphomen bekannt.

 

Aktuelle Daten aus den Langzeitstudien zu Etanercept zeigen, dass sich durch die Therapie mit dieser Substanz sogar die erhöhte Sterblichkeitsrate der rheumatoiden Arthritis senken lässt.

 

Insgesamt kann vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Kenntnisstandes zusammengefasst werden, dass die Therapie mit TNF-alpha-Blockern sowohl bei kurz- und mittelfristiger Therapie als auch bei der Langzeitanwendung nicht nur gut verträglich und vergleichsweise sicher ist, sondern auch den Verlauf der Erkrankung nachhaltig positiv beeinflusst, d.h. die Krankheitsaktivität vermindert oder komplett beseitigt, das im Röntgenbild sichtbare Fortschreiten verlangsamt oder sogar vollkommen stoppt, die Lebensqualität z.T. dramatisch verbessert und insgesamt auch hinsichtlich des Sterblichkeitsrisikos zu einer deutlichen Verbesserung der Prognose der rheumatoiden Arthritis führt.

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