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Fragen und Antworten

Eine Frage von Eva-Maria R.:

Sehr geehrter Herr Kollege Langer, ich wende mich an Sie mit folgender Frage:

Einem Familienmitglied wurde mit der Diagnose Coxarthrose folgende Therapieempfehlung gegeben:

Der behandelnde Orthopäde möchte eine Therapie mit Orthokin intraartikulär durchführen, mit dem Ziel des "Knorpelaufbaus". Nach eingehender Medline-Recherche, in der ich zu o.g. Medikation nur einen (kritischen) Artikel gefunden habe, bin ich auf die Therapie der RA mittels Anakinra gestossen. Die genannte Orthokintherapie, bei der Eigenblut in einer speziellen Spritze aufgezogen wird, wo sich im Patientenblut der IL-1 Antagonist "bilden" soll und danach das modifizierte Blut intraartikulär (!) injiziert wird, erscheint mir gerade bei abnutzungsbedingter Coxarthrose äusserst fragwürdig zu sein. Da ich selbst nicht Orthopädin, sondern in einem anderen Bereich tätig bin, wende ich mich an Sie mit der Bitte um Ihre Stellungnahme.

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 1.01.1970:

Die Orthokin-Therapie ist ein Behandlungsansatz, der gegenwärtig noch nicht ausreichend wissenschaftlich abgesichert ist. Es liegen zwar Daten zu dieser Therapie vor, die die Wirksamkeit belegen sollen. Selbst nach sehr schlichten Kriterien genügen aber die mir bekannten Untersuchungen zur Orthokin-Therapie auch nicht minimalen Ansprüchen, die man an einen wissenschaftlichen Beleg für die Wirkung einer Behandlungsmaßnahme stellt.

Von den gesetzlichen Krankenkassen werden nach meiner Kenntnis deshalb die Kosten für diese Therapie auch nicht übernommen. Wie sich die privaten Krankenkassen verhalten, hängt vermutlich vom Einzelfall ab.

Unabhängig davon ist die Orthokin-Therapie bei einem Teil von Orthopäden recht verbreitet.

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat zur Orthokin-Therapie eine kritische Stellungnahme abgegeben. Persönlich verfüge ich zu dieser Therapie nur über indirekte Erfahrungen, indem Patienten zu mir kommen, bei denen die Orthokin-Therapie nicht oder nicht ausreichend gewirkt hat.

In zwei Fällen ist es in einem sehr engen zeitlichen Bezug zu einer vorausgegangenen Orthokin-Therapie zum Auftreten einer rheumatoiden Arthritis gekommen. Da mir die Vorbefunde vorliegen, spricht vieles dafür, dass es sich in diesen Fällen nicht um eine vorbestehende rheumatoide Arthritis gehandelt hat, die nur zunächst nicht erkannt wurde, sondern dass es durch die Orthokin-Therapie, durch welche Mechanismen auch immer, zur Auslösung einer rheumatoiden Arthritis kam. Die Beobachtung ist insofern erstaunlich, als der Interleukin-1-Antagonist Anakinra (Kineret) erfolgreich bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis eingesetzt wird.

Insgesamt rate ich, wenn ich explizit gefragt werde, meinen Patienten derzeit von einer Orthokin-Therapie mit der Begründung ab, dass diese Therapie gegenwärtig noch nicht dem Standard genügt, den man heute unter dem Anspruch einer evidenzbasierten Medizin verlangt. Da ich den Behandlungsansatz mit einem lokalen Antagonismus von Interleukin-1 bei der Arthrose grundsätzlich für sehr interessant und elegant halte, bin ich der Auffassung, dass man die Idee, die der Orthokin-Therapie zugrunde liegt, durchaus intensiv verfolgen sollte.

Die angesprochene Zurückhaltung und die Kritik an einem breiten, fast schon routinemäßig wirkenden Einsatz richtet sich nicht prinzipiell an das Therapieprinzip als solches, sondern an den Hersteller der Substanz, der eine Behandlung vermarket, die in ihrer Wirksamkeit nicht ausreichend abgesichert ist und für auch nicht die Untersuchungen zur Sicherheit und Verträglichkeit in einer Qualität vorliegen, wie man sie zumindest bei nach dem Arzneimittelgesetz zuzulassenden Medikamenten verlangen würde. Da Orthokin offensichtlich als eine Behandlungsform mit einer körpereigenen Substanz verstanden wird, scheinen hier nicht die strengen Vorschriften zu gelten, die üblicherweise in Deutschland bei Arzneimitteln und Medizinprodukten zur Anwendung kommen.

Keywords: Orthokin * Arthrose * Interleukin-1 * IL-1 * Coxarthrose * Arthrose-Therapie

 

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