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Fragen und Antworten

Eine Frage von Hedwig R. aus den Niederlanden:

Ich bin 43 Jahre alt und leide seit dreieinhalb Jahren an einer chronischen Polyarthritis bei Chondrokalzinose (Chondrokalzinose-Polyarthritis). Seit Oktober 2002 brauche ich am Tag 20 mgr. Prednisolon. Dabei sind die Entzuendungen in den Handgelenken, Fussgelenken, Knie, Schultern, Fingern bedeutend ruhiger. Auch mit Colcichin, was ich vorher gebrauchte, habe ich ein gutes Resultat bekommen, nur wegen sehr niedriger Leukowerte wurde die Behandlung mit Colchicin beendet. Die Nebenwirkungen jetzt wegen Prednisolon sind mir einfach zu viel. Habe 15 kg zugenommen und auch mein koerperlicher Allgemeinzustand ist nicht zufriedenstellend. Viele neue Probleme mit Herzrhythmusstoerungen usw. Gibt es noch andere Medikamente fuer mich?

 

Ich habe gelesen ueber TNF-alpha-Blocker. In Holland kann man mir leider nicht viel darueber erzaehlen. Als 43-jaehrige Mutter von 2 jungen Kindern moechte ich halt eine Therapie fuer meine Chondrocalcinose mit vielen aktiven Gelenkentzuendungen, die auch das Leben noch ein bisschen seine Schoenheit laesst. Koennten Sie vielleicht Auskunft geben? Gibt es noch bessere (modernere) Behandlungsmoeglichkeiten mit anderen Medikamenten?

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 30.04.2003:

Derzeit gibt es noch keine Erfahrungen zur Behandlung einer Chondrokalzinose-Polyarthritis mit TNF-alpha-Blockern.

 

Wenn bei der Chondrokalzinosearthropathie ein Krankheitsbild vorliegt, das viele Gelenke betrifft, insbesondere auch kleine Gelenke z.B. im Bereich der Hände, und das aussieht wie eine chronische Polyarthritis / rheumatoide Arthritis, handelt es sich um die Unterform der „Pseudo-cP“ nach McCarty. Bei diesem Typ der Chondrokalzinose-Arthritis kommt es oft zu einem guten therapeutischen Ansprechen auf die traditionellen langwirksamen Antirheumatika (LWAR; DMARD´s = disease modifying antirheumatic drugs), die man auch bei der Therapie einer aktiven rheumatoiden Arthritis einsetzt. Dazu gehören insbesondere intramuskulär gespritztes Gold (Natriumaurothiomalat, z.B. Tauredon) und Methotrexat (z.B. Lantarel). Die Dosierung erfolgt dabei genauso wie bei der rheumatoiden Arthritis.

 

Wenn diese Therapie nicht ausreichend wirkt und ein hoher Cortisonbedarf vorliegt, ist – in Analogie zum Vorgehen bei der rheumatoiden Arthritis – ein zeitlich befristeter Behandlungsversuch mit TNF-alpha-Blockern wie Etanercept (Enbrel) oder Infliximab (Remicade) eine Idee, die zumindest im Auge behalten werden sollte.

 

Daten aus aktuellen Laboruntersuchungen geben auch eine rationale Basis für einen solchen Behandlungsversuch. So liegen derzeit zwei Arbeiten vor, die sich mit der Bedeutung unterschiedlicher Cytokine für die Entstehung der Arthritis bei Kristallarthritiden beschäftigen. Dabei zeigte sich, dass sich genauso wie in den Gelenken von Patienten mit „rheumatischen Arthritiden“ auch in den Gelenken von Patienten mit akuter Chondrokalzinose-Kristallarthritis stark erhöhte Spiegel von TNF-alpha finden.

 

Vom Pathomechanismus her gibt es Hinweise darauf, daß TNF-alpha in Verbindung mit dem Granulozyten- und Makrophagen-stimulierenden Faktor GM-CSF die Produktion eines weiteren Zytokins (Interleukin-8) induziert und darüber mit einer Rekrutierung von weiteren Leukozyten im Gelenk zu einer Verstärkung der Entzündung im Gelenk führt.

 

Ein – nicht medizinisches – Problem beim Einsatz von TNF-alpha-Inhibitoren bei der Chondrokalzinose-Polyarthritis könnten die vergleichsweise hohen Kosten für diese Therapie darstellen, d.h. man muß abklären, ob die Krankenkasse die Behandlungskosten für diese Therapie bei der Chondrokalzinose-Polyarthritis übernimmt.

 

Keine Probleme mit der Indikation für die Therapie mit TNF-alpha-Blockern und auch nicht mit der Kostenübernahme gibt es, wenn es sich nicht um eine primäre Chondrokalzinose-Arthropathie handelt, sondern um eine chronische Polyarthritis / rheumatoide Arthritis, in deren Verlauf sich eine – dann sekundäre – Chondrokalzinose entwickelt hat. Oft ist es gerade bei einem längeren Krankheitsverlauf bis zur Diagnosestellung gar nicht zu entscheiden, ob die eine oder andere Erkrankung vorliegt.

 

Da für die chronische Polyarthritis / rheumatoide Arthritis mehr gesicherte Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bewährt es sich im praktischen Leben manchmal, in einer solchen Situation und bei gleichrangiger Differentialdiagnose bei der Behandlung zunächst vom Vorliegen einer rheumatoiden Arthritis auszugehen.

 

Referenzen

 

 

Increased synovial fluid levels of interleukin-12, sCD25 and sTNF-RII/sTNF-RI ratio delineate a cytokine pattern characteristic of immune arthropathies.

 

Ribbens C, Andre B, Kaye O, Kaiser MJ, Bonnet V, de Groote D, Franchimont N, Malaise MG.

 

Rheumatology Department, Room 155, CHU Sart-Tilman B35, B-4000 Liege, Belgium. Clio.Ribbens@ulg.ac.be

 

Eur Cytokine Netw 2000 Dec;11(4):669-76

 

 

Inflammatory microcrystals differentially regulate the secretion of macrophage inflammatory protein 1 and interleukin 8 by human neutrophils: a possible mechanism of neutrophil recruitment to sites of inflammation in synovitis.

 

Hachicha M, Naccache PH, McColl SR.

 

Department of Microbiology and Immunology, University of Adelaide, South Australia.

 

J Exp Med 1995 Dec 1;182(6):2019-25

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