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Fragen und Antworten

Eine Frage von G.W.:

Ich bekomme seit 1997 regelmässig Gesichtslähmungen, insgesamt schon sieben Mal! Es wird vermutet, dass es sich um eine Art Melkerson Rosenthal Syndrom handelt. Die Lähmungen bilden sich auch nicht mehr ganz zurück! Für meine behandelnden Ärzte bin ich der einzige bekannte Fall! Wir sind ziemlich ratlos! Ist ein Therapieversuch mit TNF-alpha-blockierenden Medikamenten erfolgversprechend?

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 18.04.2004:

Das Melkerson-Rosenthal-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung, die in die Gruppe der sogenannten granulomatösen Erkrankungen fällt. Die Krankheit beginnt oft in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. In erster Linie betroffen sind Patienten im 2. bis 4. Lebensjahrzehnt. Das führende Symptom ist eine granulomatöse Entzündung und ödematöse Schwellung der Lippen. Meistens ist die Oberlippe betroffen, seltener werden beide Lippen oder nur die Unterlippe allein befallen. Daneben können die Wangen und der Gaumen beteiligt sein. Die Zunge kann auf der Oberfläche landkartenartig verändert sein, außerdem kann es auch zu einer Vergrößerung der Zunge kommen. Weitere mögliche Manifestationen sind eine periphere Facialisparese (Lähmung des Facialis-Gesichtsnerven, bei etwa 20-30% der Patienten, manchmal Monate oder sogar erst Jahre später nach Auftreten der Lippenschwellung, selten auch vorher) und andere neurologische Beteiligungen (Enzephalitis, Meningitis, retrobulbäre Neuritis).

 

Die Erkrankung verläuft meistens schubweise mit Rückbildung der Schwellungen; im Verlauf kann es zu einer Gewebszunahme kommen, die sich nicht zurückbildet.

 

Bei der diagnostischen Abklärung muß nach anderen granulomatösen Erkrankungen gefahndet werden, insbesondere einer Sarkoidose, entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn), außerdem werden Beziehungen zu Kollagenosen diskutiert.

 

Die Therapie erfolgt üblicherweise mit Steroiden (Cortison).

 

In einer japanischen Arbeit wird über einen erfolgreichen Therapieversuch mit Oxatomide berichtet (Takashi Masaki, Toyota Ishii and Takako Nakayama, National Sagamihara Hospital, Isao Hoshino Gyouda General Hospital, Yoshinari Ito, Yokohama Red Cross Hospital: Cheilitis Granulomatosa; Report of Two Cases. Practica Oto-Rhino-Laryngologica

Vol. 95 No. 7 (July 2002)).

 

Eine aktuelle französische Arbeit beschreibt den Krankheitsverlauf bei einem 17-jährigen, bei dem zunächst ein Melkerson-Rosenthal-Syndrom auftrat. Im Verlauf entwickelte sich dann ein typischer M. Crohn mit charakteristischen histologischen Befunden in der Biopsie. Die Therapie erfolgte mit Prednison und Pentasa mit gutem parallelen Ansprechen auf die Symptome im Bereich des Gesichts und am Darm (Bogenrieder T, Rogler G, Vogt Tet et al. Orofacial granulomatosis as the initial presentation of Crohn's disease in an adolescent. Dermatology. 2003;206(3):273-8).

 

Zum Einsatz von TNF-alpha-Blockern bei der Therapie eines Melkerson-Rosenthal-Syndroms haben wir auch bei intensiver Literaturrecherche in umfangreichen medizinischen Datenbanken keine Hinweise gefunden.

 

Übertragt man die Erfahrungen aus der Therapie des M. Crohn auf die geschilderte Situation, ist anzunehmen, dass Infliximab (Remicade) eher wirksam sein dürfte als Etanercept (Enbrel).

 

Aus den vorliegenden Studien weiß man, dass die beiden unterschiedlichen Substanzen (Infliximab und Etanercept) – im Unterschied zur rheumatoiden Arthritis – bei der Darmbeteiligung des M. Crohn unterschiedlich wirken. So zeigt Infliximab (Remicade) bei der Therapie des schweren M. Crohn eine sehr gute Wirkung, Etanercept (Enbrel) hingegen hat auf die Darmentzündung nach den Ergebnissen einer kleinen klinischen Pilotstudie so gut wie keine Wirkung.

 

Remicade ist auf der Grundlage dieser klinischen Studien in Deutschland für die Therapie des M. Crohn offiziell zugelassen. Für Etanercept besteht weltweit für die Indikation M. Crohn keine Zulassung. Damit dürfte auch im Hinblick auf die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung bei einem M. Crohn Remicade der TNF-Blocker der ersten Wahl sein, da hier bei gegebener Indikation eine Leistungspflicht der Krankenkassen gegeben ist.

 

Ergänzend ist zu erwähnen, dass in der Gastroenterologie bei der Therapie des M. Crohn zunehmend neben dem genannten Sulfasalazin und verwandten, moderneren Substanzen wie Mesalazin auch andere langwirksame entzündungshemmende Substanzen zum Einsatz kommen, die in der Rheumatologie schon lange erprobt sind, z.B. Methotrexat, ggf. auch in Kombination mit Sulfasalazin bzw. Mesalazin.

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