Sie sind hier: rheuma-online » Archiv » Fragen und Antworten

Fragen und Antworten

Eine Frage von Herr K.:

Wird diese neue Medikamentengruppe die Zukunft der Rheumatologie sein?

Wieviele Patienten haben momentan die Möglichkeit, diese neuen Präparate einzunehmen, und welche Voraussetzungen müssen vorliegen, sie zu bekommen?

 

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 5.03.2004:

Die Medikamentengruppe der TNF-alpha-Blocker hat in der Tat in der Rheumatologie eine therapeutische Revolution eingeleitet, und insofern ist es nicht ganz falsch, wenn man sie der Zukunft der Rheumatologie zuordnet.

 

In Deutschland werden gegenwärtig etwa 10.000 Patienten mit TNF-alpha-Blockern behandelt, weltweit mehr als 250.000 Patienten. Im Gegensatz zu fast allen anderen zivilisierten Ländern liegt dabei Deutschland bei der Verordnung von diesen neuen, zukunftsweisenden Medikamenten im letzten Drittel bei der Verordnungshäufigkeit, in Europa sogar an letzter Stelle sogar noch hinter Italien und Portugal. Beispielsweise beträgt der Prozentsatz der mit TNF-alpha-Blockern behandelten Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis in den USA oder auch in Schweden etwa 15%; in Deutschland sind es lediglich 1%. Dies liegt u.a. an der Budgetierung der Arzneimittelkosten, die bei uns die modernen Behandlungsmöglichkeiten sehr stark einschränkt.

 

Zur Frage der Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit TNF-alpha-Blocker eingesetzt werden können, haben wir ein ausführliches Merkblatt entwickelt, daß ich Ihnen in der Anlage mitschicke. Daraus die wichtigsten Aspekte am Beispiel der rheumatoiden Arthritis / chronischen Polyarthritis:

 

In Deutschland sind derzeit drei TNF-alpha-blockierende Substanzen zugelassen: Enbrel (Wirksubstanz: Etanercept), Humira (Wirksubstanz: Adalimumab) und Remicade (Wirksubstanz: Infliximab).

 

Enbrel ist ein löslicher TNF-alpha-Rezeptor, Humira und Remicade sind monoklonale Antikörper gegen TNF-alpha. Remicade ist ein sogenannter chimärer Antikörper, d.h. der Wirkstoff Infliximab enthält herstellungsbedingt noch einen kleinen Maus-Anteil, während es sich bei Humira um einen humanisierten Antikörper handelt, d.h. einen Antikörper, der in seiner Zusammensetzung menschlichen Eiweißstoffen entspricht.

 

Bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis sieht die Zulassung in Deutschland im Fall von Humira und Remicade den vorhergehenden erfolglosen Einsatz von Methotrexat (MTX) vor, Enbrel kann indikationsgerecht auch ohne eine vorhergehende Therapie mit MTX verordnet werden.

 

Bei der rheumatoiden Arthritis ist Enbrel sowohl in der Monotherapie als auch in der Kombination mit Methotrexat zugelassen. Humira sollte entsprechend der EMEA-Zulassung bevorzugt in Kombination mit MTX angewendet werden, um ein maximales Ansprechen zu gewährleisten, kann jedoch auch in der Monotherapie eingesetzt werden, falls eine MTX-Unverträglichkeit vorliegt oder die Behandlung mit MTX nicht mehr angebracht ist. Remicade ist bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis nur in der Kombination mit Methotrexat zugelassen.

 

Die Behandlung mit Remicade ist unter der Aufsicht und Kontrolle eines spezialisierten Arztes durchzuführen, der in der Diagnose und der Therapie der rheumatoiden Arthritis oder der ankylosierenden Spondylitis erfahren ist.

 

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat Empfehlungen für den Einsatz von TNF-alpha-Blockern bei der Therapie rheumatischer Erkrankungen entwickelt, die allerdings noch auf dem Stand vom August 2002 sind. Wir haben diese Empfehlungen in einem weiteren TIZ-Merkblatt aufgegriffen und durch die zwischenzeitlich eingetretenen neueren Entwicklungen ergänzt:

 

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für

Rheumatologie zur Therapie der rheumatoiden Arthritis

mit Tumornekrosefaktor-hemmenden Substanzen

 

(Redaktionell durch TIZ überarbeitete und an den aktuellen Stand angepaßte Stellungnahme der Kommission Pharmakotherapie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Anlehnung an Empfehlungen einer internationalen Konsensus-Konferenz, publiziert in den Annals of the Rheumatic Diseases 1999; 58 (Suppl 1): 129-130. Stand August 2002 sowie Aktualisierung in Anlehnung an „Updated Consensus Statement on Biologic Agents for the Treatment of Rheumatoid Arthritis and Other Rheumatic Diseases (May 2002), Furst DE, Breedveld FC, Kalden JR, Smolen JS, Antoni CE, Bijlsma JW, Burmester GR, Cronstein B, Keystone EC, Kavanaugh A, Klareskog L. Ann Rheum Dis 2002 Nov;61 Suppl 2:ii2-7.)

 

 

Patientenfassung

 

Einleitung

 

Die rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis) ist eine häufig schwer verlaufende entzündlich-rheumatische Erkrankung. Sie kann zu Gelenkzerstörungen, Deformitäten, Funktionsverlusten, Arbeitsunfähigkeit führen und das Leben verkürzen. Sie verursacht erhebliche Kosten für das Gesundheitssystem.

 

Wir haben eine Reihe von wirksamen Medikamenten (sog. Basistherapeutika) zur Verfügung, die allein oder in Kombination die Symptome der Erkrankung lindern, Gelenkdestruktion und Funktionsverlust verzögern oder aufhalten und die Lebensqualität verbessern können. Diese Medikamente sind leider bei vielen Patienten nicht ausreichend wirksam und müssen nicht selten wegen Nebenwirkungen abgesetzt werden. Deshalb sind neue Therapieformen mit geprüfter Wirksamkeit als Alternative erwünscht.

 

Einsatz TNF-hemmender Stoffe

 

In jüngster Zeit wurden "biologische" Substanzen entwickelt, die den Tumornekrosefaktor (TNF) hemmen. Dieser Faktor spielt bei der Unterhaltung der rheumatischen Entzündung eine bedeutende Rolle. Seine Hemmung sollte demzufolge die rheumatische Entzündung vermindern.

 

Wirksamkeit

 

In der Tat bessert die Gabe einer TNF-hemmenden Substanz bei vielen Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis die Krankheitssymptome, die labormedizinischen Parameter der Krankheitsaktivität und die Lebensqualität. Dies trifft auch auf Patienten zu, die auf die üblichen Basistherapeutika nicht angesprochen hatten. Erste Daten zeigen auch eine Verlangsamung bis hin zum Stillstand der im Röntgenbild erkennbaren Gelenkzerstörung. Im Vergleich zu den bisherigen Basistherapeutika ist der Wirkungseintritt sehr schnell. Die Therapie mit TNF-Hemmernn ist etwa bei 60-70% der Kranken wirksam.

 

Nebenwirkungen

 

Kurz- und mittelfristig sind Häufigkeit und Schwere der Nebenwirkungen relativ gering. Wie bei allen neuen Medikamenten liegen aber keine ausreichenden Erfahrungen zur Langzeitverträglichkeit und Langzeitwirksamkeit vor. Die langfristige Hemmung des TNF könnte das Auftreten von Infekten begünstigen.

 

Einleitung durch den Rheumatologen

 

Wegen der schwierigen Auswahl der für diese Therapie in Betracht kommenden Patienten und der Notwendigkeit einer fachmännischen Überwachung von Wirksamkeit und Verträglichkeit sollte die Behandlung grundsätzlich durch Ärzte eingeleitet werden, die eigene Erfahrungen in der Diagnostik und klinischen Untersuchung sowie der Langzeitdokumentation von Patienten mit rheumatoider Arthritis und in der Behandlung dieser Erkrankung, insbesondere mit in das Immunsystem eingreifenden Substanzen, besitzen. Dies ist in der Regel ein internistischer Rheumatologe oder eine internistisch-rheumatologische Abteilung. Die Überwachung der Therapie und ihre Erfolgsbeurteilung sollte - zumindest alle 3-6 Monate - ebenfalls durch diese Ärzte erfolgen.

 

Voraussetzungen für die Therapie der rheumatoiden Arthritis mit TNF-hemmenden Substanzen:

 

· Die Diagnose muß gesichert sein.

 

· Die Erkrankung sollte unter der laufenden sachgerechten Therapie anhaltend aktiv sein, d.h. es sollte trotz Einsatz von mindestens zwei Basistherapeutika über insgesamt mindestens 6 Monate unverändert eine deutliche Krankheitsaktivität bestehen.

 

· Bei den zuvor eingesetzten langwirksamen Antirheumatika („Basistherapeutika“, DMARDs) sollte auch Methotrexat (Mtx) zum Einsatz gekommen sein.

 

· Die Behandlung muss durch einen wie oben beschriebenen Arzt überwacht und ihr Erfolg sollte dokumentiert werden.

 

 

(Anmerkung von TIZ: International sind hier die Empfehlungen z.T. abweichend. So werden vor dem Hintergrund einer frühzeitig einsetzenden wirksamen Therapie auch kürzere Zeiträume als 6 Monate genannt, z.B. 3 Monate. Auch wird nicht der vorherige Einsatz von mindestens zwei DMARDs verlangt, sondern nur von einem wirksamen DMARD, z.B. Mtx in ausreichend hoher Dosierung über einen ausreichend langen Zeitraum, d.h. mindestens drei Monate. In den USA ist Etanercept (Enbrel) bei schweren, „aggressiven“ Verläufen einer rheumatoiden Arthritis auch bei Frühformen („early arthritis) als erste Therapie zugelassen, d.h. ohne die Bedingung einer vorhergehenden Therapie mit konventionellen DMARDs).

 

 

Überwachung der Behandlung:

 

Zu Beginn müssen ein internistischer und rheumatologischer Befund erhoben, Blut- und Urinuntersuchungen veranlasst, ein Röntgenbild der Lunge sowie Röntgenbilder der Hände und Vorfüße gemacht werden. Diese Untersuchungen müssen regelmäßig wiederholt und dokumentiert werden.

Eine systematische Sammlung von Langzeitdaten und deren Analyse ist dringend erforderlich.

 

Gegenanzeigen und Abbruchgründe:

 

Die Behandlung sollte nicht begonnen bzw. abgebrochen werden bei Vorliegen oder Auftreten ernster lokaler oder allgemeiner, akuter oder chronischer Infektionen. Alte tuberkulöse Veränderungen erfordern eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung und eine röntgenologische Überwachung.

 

Eine Impfung mit Lebendimpfstoffen während der Therapie sollte nicht erfolgen.

 

Besondere Vorsicht ist geboten bei chronischen Virusinfektionen und beim Vorliegen bestimmter Tumoren.

 

Erfahrungen mit der Therapie während Schwangerschaft oder Stillzeit liegen nicht vor.

 

Erfahrungen bei der Anwendung vor, während und nach operativen Eingriffen liegen ebenfalls nicht vor.

 

Die Behandlung ist wegen unzureichender Wirksamkeit abzubrechen, falls es nicht innerhalb von 8-12 Wochen zu einer deutlichen dokumentierbaren Besserung der klinischen und labormedizinischen Aktivitätsparameter gekommen ist.

Copyright © 1997-2024 rheuma-online
rheuma-online Österreich
 
Alle Texte und Beiträge in rheuma-online wurden nach bestem Wissen und Gewissen erstellt. Irrtümer sind jedoch vorbehalten. Alle Angaben sind ohne Gewähr. Jegliche Haftungsansprüche, insbesondere auch solche, die sich aus den Angaben zu Krankheitsbildern, Diagnosen und Therapien ergeben könnten, sind ausgeschlossen.