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Fragen und Antworten

Eine Frage von Franziska:

Ich bin jetzt 34 Jahre und möchte gerne noch ein Kind und wollte deshalb wissen, ob und wie eine Therapie mit TNF-alpha-Blockern sich auf das Kind oder die Schwangerschaft auswirken kann. Oder wenn ich das Medikament absetze, wie lange vorher ich das machen muß.

Die Antwort gibt Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 7.07.2004:

Zur Frage der Schwangerschaft und einer möglichen Gefährdung des Föten durch eine laufende oder vorausgegangene Therapie mit TNF-alpha-Blockern liegen derzeit nur sehr begrenzte Erfahrungen vor. Der Text im Beipackzettel von Enbrel (und bei den anderen TNF-alpha-Blockern), der auf die Notwendigkeit einer sicherer Verhütung hinweist und angibt, daß es unter einer Therapie mit Enbrel nicht zu einer Schwangerschaft kommen darf, ist nicht Ausdruck einer bekannten und realen Gefährdung, sondern erfolgt aus Gründen der Produkthaftung.

In rheuma-online haben wir zu diesem Thema in den rheuma-news vom 25 April 2003 eine US-amerikanische Studie referiert (http://rheuma-online.de/news/82.html). Weil sie zu Ihrer Frage einige ganz wichtige Aspekte und Daten enthält, gebe ich diesen Beitrag hier auszugsweise wieder:

Langwirksame Antirheumatika und Schwangerschaft

Ein aktueller Report in der Februarausgabe des angesehenen Journal of Rheumatology fasst die bislang umfangreichsten Erfahrungen zu einer Schwangerschaft unter einer langwirksamen antirheumatischen Therapie der rheumatoiden Arthritis mit Methotrexat (z.B. Lantarel) zusammen und beinhaltet außerdem erste Daten zu Schwangerschaften unter Leflunomid (Arava), Etanercept (Enbrel) und Infliximab (Remicade). Dr Eliza F Chakravarty und seine Mitarbeiter von der Stanford Universität in Kalifornien befragten US-amerikanische Rheumatologen zu Ihrer Auffassung und ihren Erfahrungen sowie ihren Empfehlungen bezüglich einer Schwangerschaft unter Methotrexat, Leflunomid, Etanercept und Infliximab.

Übereinstimmend wurde das bekannte erhöhte Risiko für kindliche Missbildungen von Müttern bestätigt, die während der Empfängnis und in der frühen Schwangerschaftsphase mit Methotrexat behandelt worden waren.

Erstaunlicherweise wurden keine erhöhten Mißbildungsraten in einer vergleichbaren Situation für Kinder berichtet, deren Mütter mit Leflunomid, Etanercept oder Infliximab behandelt worden waren. Allerdings war die Zahl der Schwangerschaften sehr gering, so dass derzeit nur sehr vorsichtige und vorläufige Aussagen aus dieser Studie möglich sind. Speziell für Leflunomid bedeuten diese Daten nicht, dass Leflunomid im Hinblick auf eine Schwangerschaft eine sichere Substanz sei. Im Gegenteil gilt selbstverständlich unverändert, dass es unter Leflunomid auf keinen Fall zu einer Schwangerschaft kommen darf, da aus Tierexperimenten eine Teratogenität von Leflunomid (Mißbildungen beim ungeborenen Kind) sicher belegt ist.

In der Befragung wurden die Rheumatologen nach ihrer Auffassung zu dem Risiko einer langwirksamen antirheumatischen Therapie für das ungeborene Kind befragt, außerdem ihren Empfehlungen hinsichtlich der Schwangerschaftsverhütung unter einer LWAR-Therapie und nach dem Ausgang der Schwangerschaft, wenn Frauen unter einer langwirksamen antirheumatischen Therapie schwanger geworden waren. Insgesamt wurden diese Fragebögen an 600 Mitglieder des American College of Rheumatology (ACR), der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der US-amerikanischen Rheumatologen, versandt. Eine Rückantwort erfolgte von 175 Rheumatologen (29%).

Die überwiegende Mehrzahl der Rheumatologen stimmte darin überein, dass für Methotrexat und Leflunomid eine Teratogenität besteht, d.h. das Risiko von kindlichen Missbildungen in der Folge einer Therapie mit diesen Medikamenten während der frühen Schwangerschaft. Weniger sicher waren sich die Experten in der Frage des entsprechenden Risikos für die TNF-Blocker Etanercept und Infliximab. Allerdings wurde in der Regel auch unter einer solchen Therapie den Frauen im gebärfähigen Alter eine sichere Empfängnisverhütung empfohlen. Unter den genannten langwirksamen antirheumatischen bzw. krankheitskontrollierenden Therapien kam es im Erfahrungsumfeld der befragten Rheumatologen insgesamt zu 65 Schwangerschaften. Soweit die Daten vorhanden waren, wurden zu diesen Schwangerschaften folgende Informationen abgefragt: Zeitpunkt der Entbindung (zum Termin oder vorzeitige Geburt), Schwangerschaftsabbruch aus medizinischer Indikation, spontaner Abort (Fehlgeburt), kindliche Missbildungen sowie sonstige Schwangerschaftskomplikationen.

TNF-Blocker und Schwangerschaft

Die TNF-alpha-Blocker werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Hinblick auf das Risiko für eine Schwangerschaft von der FDA in die Klasse B eingestuft. Dies bedeutet, dass es aus Tierexperimenten keine Hinweise auf eine Schädigung für das Kind im Mutterleib oder für ein Missbildungsrisiko gibt, aber andererseits ausreichende Daten von Schwangerschaften beim Menschen nicht vorliegen.

Aus der bisherigen Literatur sind keine Schwangerschaftsverläufe unter einer Therapie mit Etanercept (Enbrel) bekannt; für Infliximab (Remicade) lag bislang ein Abstract vor. Darin wird über 50 Schwangerschaften unter Infliximab berichtet. Bei 2 Geburten kam es zu Komplikationen; in einem Fall zu einer Frühgeburt in der 23. Woche; bei dem zweiten Kind bestand eine schwere Herzmissbildung (Fallot´sche Tetralogie). Insgesamt gab es aber im Vergleich zu einer nationalen Kohorte von gesunden Frauen keine Abweichungen.
Bei der vorliegenden Umfrage waren die US-amerikanischen Rheumatologen wegen der nur spärlichen Datenlage in der Beurteilung des Schwangerschaftsrisikos unter einer Therapie mit TNF-alpha-Blockern relativ unsicher. Etwa die Hälfte der Befragten konnten keine definitive Antwort geben, ob unter der Therapie mit TNF-alpha-Blockern eine Schwangerschaft kontraindiziert sei oder nicht. Deshalb empfahl etwas mehr als ein Drittel (im Fall von Enbrel) bis knapp die Hälfte (im Fall von Infliximab) der Rheumatologen ihren Patientinnen auch unter dieser Therapie eine sichere Schwangerschaftsverhütung (Etanercept: 38,6%; Infliximab: 46,5%)

In der Befragung wurden 15 Schwangerschaften unter Etanercept und 2 Schwangerschaften unter Infliximab berichtet. Bei 6 Schwangerschaften unter einer Monotherapie mit Etanercept (d.h. ohne Kombination mit Methotrexat) war zum Zeitpunkt der Befragung der Ausgang bekannt. In allen Fällen kam es zur Geburt gesunder Kinder, die auch jeweils zum Termin geboren wurden. Bei den 2 unter Infliximab eingetretenen Schwangerschaften kam es in einem Fall zum Termin zur Geburt eines gesunden Kindes, in dem anderen Fall ist der Ausgang der Schwangerschaft nicht bekannt.

Priv. Doz. Dr. Horneff hat in TIZ speziell zu Enbrel am 7.April 2004 eine Anfrage zur Schwangerschaft beantwortet. Ich füge diese ebenfalls noch einmal an:

Bislang wurde über ca. 50 bis 60 Schwangerschaften berichtet, die bei Frauen eintraten, die mit Enbrel behandelt wurden. Der Ausgang der Schwangerschaften war mit dem Ausgang von Schwangerschaften bei Rheuma-Patientinnen ohne Therapie mit Enbrel vergleichbar. Hieraus lässt sich aber nicht ableiten, dass Enbrel in der Schwangerschaft eine sichere Medikation darstellt.

In der Regel führt die Schwangerschaft bei Rheuma-Patientinnen zu einer Beruhigung der Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis. Aus diesem Grunde sollte bei geplanter Schwangerschaft auf eine Neueinstellung mit Enbrel verzichtet werden.

Sollte unter einer laufenden Enbreltherapie eine Schwangerschaft eintreten, so ist eine Therapieunterbrechung zu diskutieren. Einmal kann auch hier von einem günstigen Effekt der Schwangerschaft auf die Aktivität der rheumatoiden Arthritis ausgegangen werden, zum anderen besteht auch nach Beendigung der Enbreltherapie bei einigen Patientinnen eine überraschend lange Phase der Besserung. Bei anderen Patientinnen treten allerdings schon nach wenigen Wochen erneute Gelenkbeschwerden und erhebliche Gelenkentzündungen auf.

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