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Sharp-Score

Der ursprüngliche Sharp-Score wurde 1971 von dem US-amerikanischen Radiologen John T. Sharp vorgeschlagen und bezog sich in seiner ersten Version nur auf die Gelenke der Hände und Handwurzel bzw. der Handgelenke. Dabei unterschied er bereits initial zwischen Veränderungen bei den  Gelenkerosionen (Erosions-Score, "Sharp erosion score") und der Gelenkspaltverschmälerung (Gelenkspalt-Score, " Sharp joint narrowing score") an definierten Gelenken auf Röntgenaufnahmen der Hände in dorso-volarer Position (dv = anterior-posterior, ap, d.h. bei flach aufgelegten Händen). Im Sharp-Gesamtscore ("total Sharp score", TSS) werden dann beide Einzelscores zusammengefaßt.

In der Ursprungsversion wurden 29 Gelenkareale für den Erosions-Score bewertet, 27 für den Gelenkspalts-Score. Dabei wurden je nach Ausmaß der Erosion in dem jeweiligen Gelenk 0-5 Punkte vergeben, so daß im Erosions-Score insgesamt eine maximale Punktzahl von 290 erreicht werden konnte. Die Bewertung für die Gelenkspaltverschmälerung reichte von 0-4, entsprechend einem maximal möglichen Joint Narrowing Score von 216.

Die Originalversion ist heute nicht mehr in Gebrauch und wurde zunächst von einer von Sharp selber entwickelten Modifikation aus dem Jahre 1985 abgelöst. Diese 1985er Version ist die Standardversion des Sharp-Scores und Ausgangsbasis für folgende weitere Modifikationen, z.B. von Desiree van der Heijde (s.u.).

Die Fassung von 1985 berücksichtigt für den Erosions-Score 17 Gelenkareale bds an den Händen, der Handwurzel und den Handgelenken (5 PIP, 5 MCP, die Basis von Metacarpale I, trapezium und trapezoid zusammen, naviculare, lunatum, triquetrum und pisiforme, radius, ulna), für den Joint Narrowing Score im Bereich der Hände 18 Gelenkareale (5 PIP, 5 MCP, carpometacarpale (CMC) 3-5, trapezium-naviculare, lunatum-triquetrum, capitatum-naviculare-lunatum, Radiocarpalgelenk, Radioulnargelenk). Jede Erosion wird mit jeweils einem Punkt gezählt, allerdings mit einem Maximalwert von 5 Punkten für jedes Gelenk (entsprechend einem Verlust von mehr als 50% der Gelenkfläche). Damit kann im Erosions-Score ein maximaler Punktwert von 170 erreicht werden. Im Score für die Gelenkspaltverschmälerung wird ein Punkt für eine örtlich umschriebene Gelenkspaltverschmälerung vergeben, 2 Punkte bedeuten eine diffuse Verschmälerung von weniger als 50% des normalen Abstandes, 3 Punkte von mehr als 50%. Eine Ankylose wird mit 4 Punkten gezählt. Eine Subluxation wird im Score nicht berücksichtigt. Insgesamt reicht die Punktzahl im Joint Narrowing Score von 0-144, so daß sich aus der Addition der beiden Einzel-Scores (Erosions-Score und Joint-Narrowing-Score) eine Punktzahl von 0-314 für den Total Sharp Score (TSS) ergibt. 

1998 wurde von Desiree van der Heijde eine modifizierte Form des 1985-Sharp-Scores vorgeschlagen (modifizierter Sharp-van der Heijde-Score, SHS).

Bei dieser Methode bezieht sich der Erosions-Score auf jeweils 16 Gelenke an den Händen, der Handwurzel und den Handgelenken beidseits (5 MCP, 4 PIP, IP der Daumen, erstes  MCB, radius, ulna, trapezium und trapezoid gemeinsam, naviculare, lunatum) sowie auf jeweils 6 Gelenke im Bereich der Vorfüße beidseits (5 MTP, IP der Großzehen). 1 Punkt bedeutet diskrete Erosivität, 2-5 Punkte werden für zunehmende Erosivität vergeben, wobei sich das Ausmaß der Erosivität bzw. die Punktzahl am Anteil der betroffenen Gelenkfläche orientiert (wobei 5 einer kompletten Zerstörung des Gelenks entspricht). An den Füßen rangiert die Punktzahl pro Gelenk von 0-10. In der Summe ist damit ein Erosions-Score von 0-160 an den Händen und 0-120 an den Füßen möglich. Die Gelenkspaltverschmälerung wird in der van-der-Heijde-Modifikation an 15 Gelenken im Bereich der Hände bestimmt (5 MCP, 4 PIP, CMC 3-5, trapezium-trapezoid, naviculare-lunatum, radiocarpal) sowie 
an 6 Gelenken im Bereich der Vorfüße (5 MTP, IP). Im Gegensatz zum ursprünglichen Sharp-Score wird im modifizierten Score eine Subluxation oder Luxation bei der Gelenkspaltbewertung mitberücksichtigt.  Folgende Punktwerte werden in diesem Sinne für den Gelenkspalts-Score vergeben:

0 = normal; 1 = fokal oder nicht sicher beurteilbar/mögliche Verschmälerung; 2 = generalisiert, aber weniger als 50% des ursprünglichen Abstandes;
3 = generalisiert, mit mehr als 50% des ursprünglichen Abstandes oder Subluxation; 4 = knöcherne Ankylose oder komplette Luxation. 

Insgesamt sind damit im JSN-Score Werte von 0-120 im Bereich der Hände und 0-48 im Bereich der Füße möglich, entsprechend einem Gesamtscore für Erosivität und Gelenkspaltverschmälerung von 280 + 168 = 444.

Diese mögliche Gesamtzahl ist insofern von Bedeutung, um die in den neueren Studien gezeigten Veränderungen besser einordnen zu können, die bei hochwirksamen Medikamenten z.T. nur noch durchschnittlich 1-2 Punkte pro Jahr betragen.

1999 stellte van der Heijde dann in Ergänzung zum modifizierten Sharp-Core einen vereinfachten Score vor (SENS = Simplified Erosion and (Joint) Narrowing Score).

Er basiert auf dem modifizierten Sharp-Score, verzichtet aber auf eine Graduierung und verwendet nur eine Ja/Nein-Klassifikation. Pro Gelenk wird ein Punkt vergeben, wenn es eine Erosion aufweist, ein zweiter Punkt wird vergeben, wenn eine Gelenkspaltverschmälerung gesehen wird (die in der graduellen Bewertung mindestens mit einem Punkt bewertet würde). Damit ergibt sich pro Gelenk eine Punktzahl von 0-2, entsprechend einem Gesamt-Score im SENS-Score von 0-86 (maximal 32 Punkte für Erosionen im Bereich der Hände sowie maximal 12 Punkte für Erosionen im Bereich der Füße, außerdem 30 bzw. 12 Punkte für die Gelenkspaltverschmälerung im Bereich der oberen und unteren Extremität). 

Literatur:

Arbeiten von John T. Sharp einschließlich der Erstbeschreibung des Scores sowie der Weiterentwicklung

Sharp JT, Lidsky MD, Collins LC, Moreland J: Methods of scoring the progression of radiologic changes in rheumatoid arthritis. Correlation of radiologic, clinical and laboratory abnormalities. Arthritis Rheum. 1971 Nov–Dec;14(6):706–720. [PubMed]

Sharp JT, Bluhm GB, Brook A, Brower AC, Corbett M, Decker JL, Genant HK, Gofton JP, Goodman N, Larsen A, et al. Reproducibility of multiple-observer scoring of radiologic abnormalities in the hands and wrists of patients with rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum. 1985 Jan;28(1):16–24. [PubMed]

Sharp JT, Young DY, Bluhm GB, Brook A, Brower AC, Corbett M, Decker JL, Genant HK, Gofton JP, Goodman N, et al. How many joints in the hands and wrists should be included in a score of radiologic abnormalities used to assess rheumatoid arthritis? Arthritis Rheum. 1985 Dec;28(12):1326–1335. [PubMed]

Sharp JT. Radiologic assessment as an outcome measure in rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum. 1989 Feb;32(2):221–229. [PubMed]

Sharp JT, Wolfe F, Mitchell DM, Bloch DA. The progression of erosion and joint space narrowing scores in rheumatoid arthritis during the first twenty-five years of disease. Arthritis Rheum. 1991 Jun;34(6):660–668. [PubMed]

Pionier-Studie zur Quantifizierung der Röntgenprogression (radiologischen Progression) im Verlauf einer rheumatoiden Arthritis. n=292 RA-Patienten; Auswertung von 650 Röntgenaufnahmen von 210 Patienten. Die jährliche durchschnittliche Progressionsrate im Sharp-Gesamtscore betrug danach in den ersten 25 Jahren nach Krankheitsbeginn durchschnittlich 4 Einheiten pro Jahr (von 314 maximal möglichen Einheiten). Die Progression war dabei in den ersten Jahren rascher und schwächte sich in den nachfolgenden Jahren etwas ab.

Sharp JT. An overview of radiographic analysis of joint damage in rheumatoid arthritis and its use in metaanalysis. J Rheumatol. 2000 Jan;27(1):254–260. [PubMed]

Sharp JT, Gardner JC, Bennett EM. Computer-based methods for measuring joint space and estimating erosion volume in the finger and wrist joints of patients with rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum. 2000 Jun;43(6):1378–1386. [PubMed]

Die Modifikation von van-der-Heijde und der SENS-Score

van der Heijde DM, van Riel PL, Nuver-Zwart IH, Gribnau FW, vad de Putte LB. Effects of hydroxychloroquine and sulphasalazine on progression of joint damage in rheumatoid arthritis. Lancet. 1989 May 13;1(8646):1036–1038. [PubMed]

van der Heijde DM, van Leeuwen MA, van Riel PL, Koster AM, van 't Hof MA, van Rijswijk MH, van de Putte LB. Biannual radiographic assessments of hands and feet in a three-year prospective followup of patients with early rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum. 1992 Jan;35(1):26–34. [PubMed]

van der Heijde D. How to read radiographs according to the Sharp/van der Heijde method. J Rheumatol. 1999 Mar;26(3):743–745. [PubMed]

van der Heijde D, Dankert T, Nieman F, Rau R, Boers M. Reliability and sensitivity to change of a simplification of the Sharp/van der Heijde radiological assessment in rheumatoid arthritis. Rheumatology (Oxford). 1999 Oct;38(10):941–947. [PubMed]

Weitere Modifikationen: Harry Genant

Genant HK. Methods of assessing radiographic change in rheumatoid arthritis. Am J Med. 1983 Dec 30;75(6A):35–47. [PubMed]

Genant HK, Jiang Y, Peterfy C, Lu Y, Redei J, Countryman PJ. Assessment of rheumatoid arthritis using a modified scoring method on digitized and original radiographs. Arthritis Rheum. 1998 Sep;41(9):1583–1590. [PubMed]

Sehr schöne Übersichtsarbeit:

S Boini, F Guillemin: Radiographic scoring methods as outcome measures in rheumatoid arthritis: properties and advantages. Ann Rheum Dis 2001;60:817–827

Link zum Volltext der Arbeit (pdf)

Der Sharp-Score ist ein Instrument zur Beurteilung der radiologischen Veränderungen bei einer rheumatoiden Arthritis, d.h. der im Röntgenbild sichtbaren Gelenkzerstörung. Er setzt sich aus zwei Unter-Scores zusammen. Der erste Score mißt den Grad der Gelenkspaltverschmälerung ("joint space narrowing", JSN) und damit die Veränderungen im Bereich des Gelenkknorpels, der zweite Score das Ausmaß der erosiven Veränderungen ("erosion score", ES), d.h. die am Knochen sichtbaren Veränderungen. Der Score für die Gelenkspaltverschmälerung berücksichtigt daneben auch weitere, nicht erosiv bedingte Veränderungen am Gelenk, z.B. Achsabweichungen oder das Herauswandern eines Gelenkanteils aus der normalen anatomischen Stellung ("Subluxation", "Luxation"). Der Gesamtscore (TSS, "Total Sharp Score") ist der Summenwert aus den beiden Einzelscores.

In der praktischen Umsetzung des Sharp-Scores werden die einzelnen, definierten Gelenke für die Beurteilung auf Graduierungsskalen bewertet. Der Erosions-Score ist für den Bereich der Hände und der Füße unterschiedlich (Hände: Skala von 0-5, 0=kein Schaden, 5=maximaler Schaden; Füße: Skala von 0-10, 0=kein Schaden, 10=maximaler Schaden). Der Score für die Gelenkspaltverschmälerung beträgt einheitlich 0-4 (0=keine Veränderung, 4=maximale Veränderung).

Der Sharp-Score wurde für klinische Studien entwickelt; wegen des relativ großen zeitlichen Aufwandes kommt er üblicherweise in der rheumatologischen Alltagsroutine nicht zum Einsatz.

Heute wird in der Regel eine modifizierte Fassung verwendet, die Ende der 80er Jahre von der holländischen Rheumatologin Desirée van der Heijde entwickelt wurde ("modifizierter Sharp-van der Heijde-Score").

Genau wie beim Sharp-Score werden dazu Gelenkspaltverschmälerung und Erosivität an vordefinierten Gelenken (Abb. 1) graduiert. Jede einzelne Erosion wird dazu auf einer Skala von 0-3 bewertet:

0 = keine Erosion

1= kleine Erosion

2= große Erosion

3= große Erosion, die die Mittellinie des Gelenks überschreitet

Die Werte für die einzelnen Erosionen in einem Gelenk werden dann addiert; dabei beträgt der Höchstwert für ein einzelnes Gelenk im Bereich der Hand einen Punktwert von 5, an den Füßen einen Punktwert von maximal 10 (Beispiele: Abb. 2 und 3).

Für die Gelenkspaltverschmälerung werden die Score-Werte wie beim Original-Score einheitlich für Hände und Füße auf einer Skala von 0-4 ermittelt:

0= normal

1= fokal oder minimal

2= generalisiert, aber >50% des Gelenkspaltes erhalten

3= generalisiert, aber >50% des Gelenkspaltes erhalten oder Subluxation

4= Gelenkspalt vollkommen aufgehoben, Ankylose oder Luxation

Für den Summen-Score werden die Skalenwerte aus beiden Einzel-Scores addiert. Die Spanne des modifierten Sharp-van der Heijde-Gesamt-Scores (TSS) umfaßt damit einen Bereich von 0-448 Punkte. 

Für den klinischen Einsatz wurde von Desirée van der Heijde eine vereinfachte Version des Scores vorgeschlagen (SENS = Simple Erosion Narrowing Score). Dazu wird lediglich in den vom Ausgangsscore bekannten Gelenken (Abb. 4) beurteilt, ob Erosionen oder Gelenkspaltverschmälerung vorhanden sind:

     

  • Erosivität: 1 oder mehr Erosionen vorhanden
  • Gelenkspalt: Verschmälerung >1
  • Maximaler Score pro Gelenk von 2 Punkten

Damit ergibt sich aus der Addition der Punkte aller Gelenke ein Gesamt-Score mit einem Wertebereich von 0-86. Ein Beispiel zeigt Abb. 5).

Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer, 23.03.2006

Literatur:

SENS: van der Heijde et al., Rheumatology 1999;38:941-7

Entwicklung des modifizierten Sharp-van der Heijde-Scores:

http://www.riumachi.jp/patient/html/meet07e_1.html

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