Therapie des Anti-Phospholipid-Syndroms

Die Behandlungsstrategie beim Nachweis von Anti-Phospholipid-Antikörpern im Blut richtet sich in erster Linie danach, ob man "lediglich" die Antikörper im Blut findet und es ansonsten nicht zu irgendwelchen Manifestationen gekommen ist (z.B. Infarkten oder venösen Thrombosen) oder ob solche Komplikationen wie Infarkte oder Thrombosen eingetreten sind. Im ersten Fall besteht kein Anti-Phospholipid-Syndrom im engeren Sinne einer Krankheit, sondern zunächst nur ein nicht-normaler Befund bei der Blutuntersuchung. Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Abschätzung des Risikos, ob es bei ansonsten gesunden, beschwerdefreien Patienten mit dem Nachweis von Phospholipid-Antikörpern im Blut in der Zukunft zum Auftreten von Krankheitskomplikationen eines Anti-Phospholipid-Syndroms kommen wird.

Bei einem manifesten Antiphospholipid-Syndrom mit entsprechenden Krankheitserscheinungen ist zu unterscheiden, ob die primäre oder die sekundäre Form vorliegt. Bei einem primären Anti-Phospholipid-Syndrom ohne Hinweis auf eine andere Grunderkrankung richtet sich die Therapie allein auf die Verhinderung von weiteren Thrombosekomplikationen. Bei einem sekundären Anti-Phospholipid-Syndrom in der Folge einer anderen Grunderkrankung verfolgt die Therapie 2 Ziele. Zum einen ist eine wirksame Behandlung der Grunderkrankung erforderlich, beispielsweise und in erster Linie durch eine immunsuppressive Therapie (Immunsuppressiva) der Kollagenose, des systemischen Lupus erythematodes oder der Vaskulitis. Zum anderen muß wie beim primären Anti-Phospholipid-Syndrom der Bildung von Thromben vorgebeugt werden.

Die Standardtherapie einer thrombotischen Komplikation bei Patienten mit einem Anti-Phospholipid-Syndrom ist unmittelbar bei Diagnosestellung eine Behandlung mit einem Mittel zur "Blutverdünnung", das Heparin genannt wird. Im Verlauf wird die Therapie auf ein anderes "blutverdünnendes" Mittel namens Marcumar umgestellt, das sich allerdings in seiner Wirkung erst über ein paar Tage aufbauen muß und deshalb für die Therapie zu Anfang nicht geeignet ist. Die sogenannte Antikoagulation muß relativ hoch dosiert werden; anzustreben ist ein "Blutverdünnungswert" zwischen 2.6 und 3.0 INR (international normalized ratio). Eine niedrigdosierte Marcumar-Therapie mit einer INR unter 2.6 ist nach den Ergebnissen einiger Studien offensichtlich nicht in der Lage, die Entstehung von thrombotischen Komplikationen ausreichend zu verhindern. Dasselbe gilt auch für Acetylsalicalsäure (Aspirin). Bei einigen Patienten kommt es allerdings unter einer alleinigen Marcumartherapie in ausreichend hoher Dosierung trotzdem zu weiteren thrombotischen Komplikationen. In diesem Fall wird die zusätzliche Gabe von Aspirin zur Marcumar-Therapie empfohlen. Über den Wert einer immunsuppressiven Therapie bei Patienten mit primärem Anti-Phospholipid-Syndrom liegen nicht genügend Daten vor. Einige Fallbeschreibungen in der Literatur berichten über einen zusätzlichen Effekt einer immumnsuppressiven Therapie bei Patienten mit anhaltender Krankheitsaktivität unter der geschilderten Therapie mit Marcumar und Aspirin.

Die Therapie zur "Blutverdünnung" muß bei gesichertem Anti-Phospholipid-Syndrom und entsprechenden Krankheitskomplikationen lebenslang durchgeführt werden. Da damit allerdings auch ein Risiko verbunden ist (in erster Linie das Risiko von Blutungskomplikationen), ist die Entscheidung über die Notwendigkeit einer solchen lebenslangen Therapie sehr verantwortungsvoll und sollte einem Fachmann vorbehalten bleiben. Diese Aussage gilt auch vor dem Hintergrund, daß von einigen Experten eine lebenslange Blutverdünnung in der geschilderten Form nicht bei solchen Patienten für notwendig gehalten wird, die nur eine einzige venöse Thrombose erlitten haben. Uneingeschränkt empfohlen und für notwendig gehalten wird die lebenslange Antikoagulation mit Marcumar bei allen Patienten mit Phospholipid-Syndrom und schwereren sowie schweren Krankheitskomplikationen (z.B. tiefe Beinvenenthrombose (u.U. sogar mit Lungenembolie), arteriellen Thrombosen, wiederkehrenden thrombotischen Ereignissen). Einige Experten meinen, daß die Antikoagulation beendet werden kann, wenn bei wiederholten Blutkontrollen keine Anti-Phospholipid-Antikörper mehr nachweisbar sind. (Um Mißverständnisse zu vermeiden: Dies ist nicht der Effekt der Blutverdünnung, sondern entweder eine positive Wendung im "natürlichen Verlauf" der Erkrankung oder das mögliche Resultat einer immunsuppressiven Therapie (dies ist jedoch nicht ausreichend gesichert)).

Wichtig ist noch die Frage, ob bei arteriellen Thrombosen eine Marcumartherapie durchgeführt werden muß oder die vorbeugende Behandlung mit Aspirin allein ausreicht. Außerhalb eines Anti-Phospholipid-Syndroms gilt die grobe Regel, daß Marcumar bei der Vorbeugung weiterer venöser Thrombosen eingesetzt wird und Aspirin zur Vermeidung von thrombotischen Komplikationen im arteriellen Schenkel. Für das Anti-Phospholipid-Syndrom wurde diese Fragestellung in einigen Studien untersucht. Daraus läßt sich die einhellige Schlußfolgerung ableiten, daß die alleinige Gabe von Aspirin das Auftreten von arteriellen Thrombosen und thrombembolischen Komplikationen beim Anti-Phospholipid-Syndrom nicht ausreichend verhindert. Es ist deshalb auch für die Vorbeugung im arteriellen Schenkel die Gabe von Marcumar notwendig. Allerdings kann sich für den arteriellen Schenkel die zusätzliche Gabe von Aspirin günstig auswirken, wenn Marcumar allein nicht ausreichend greift (s.o.). Man muß allerdings wissen, daß das Risiko einer Blutungskomplikation unter der kombinierten Gabe von Marcumar und Aspirin deutlich ansteigt.

Sehr schwierig ist die Frage, ob Patienten mit isoliertem Nachweis eines Anti-Phospholipid-Antikörpers im Blut und ohne sonstige Krankheitszeichen vorbeugend mit Marcumar behandelt werden sollten, um thrombotischen Komplikationen in der Zukunft vorzubeugen und sie z.B. vor schweren Manifestationen eines Anti-Phospholipid-Syndroms wie Schlaganfällen oder Lungenembolien zu schützen. Generell gilt die Empfehlung, daß bei Patienten ohne gesichertes Anti-Phospholipid-Syndrom im Sinne der oben aufgeführten Diagnosekriterien eine solche vorbeugende (und dann in der Konsequenz auch lebenslange) Behandlung nicht empfohlen wird. Es kann aber in Einzelfällen Ausnahmen von dieser Regel geben.

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