Das Krankheitsbild
Der M. Forestier ist eine nach dem französischen Internisten Jacques Forestier (Aix-les-Bains, geb. 1890) benannte Wirbelsäulenerkrankung. Dabei kommt es zu knöchernen Anbauten an den Wirbelkörpern, die im Verlauf immer mehr zunehmen und mit der Zeit zu einer Überbrückung der Bandscheibenräume führen. Dies wird mit dem medizinischen Fachbegriff eine hyperostotische Spondylose oder auch Spondylosis hyperostotica genannt. An den Wirbelkörpern sieht man im Röntgenbild einen zuckergußartigen Überzug von Knochenmaterial. Durch die Überbrückung der Bandscheibenräume ist die Beweglichkeit der Wirbelsäule in diesem Segment aufgehoben. Da der M. Forestier große Abschnitte der Wirbelsäule befällt, geht er mit einer zunehmenden Versteifung der Wirbelsäule einher. Der M. Forestier wird gehäuft bei Patienten mit Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) beobachtet. Er tritt aber auch als selbständige Erkrankung ohne andere Grunderkrankung auf. Wer die Röntgenveränderungen bei einem M. Forestier nicht ganz genau kennt, stellt die Diagnose eines M. Bechterew. Dies ist allerdings eine ganz andere Erkrankung. Umgekehrt wird bei manchen Patienten mit einem M. Bechterew fälschlicherweise ein M. Forestier diagnostiziert.
Die Therapie
Eine spezifische Therapie des M. Forestier ist nicht bekannt. Wichtig ist regelmäßige, intensive Krankengymnastik, um der drohenden Versteifung der Wirbelsäule entgegenzuwirken. Bei Patienten mit einem Diabetes mellitus ist die gute Einstellung des Zuckers auch im Hinblick auf den M. Forestier von großer Bedeutung. Bei Schmerzen helfen in der Regel Medikamente aus der Gruppe der cortisonfreien Entzündungshemmer gut. Sehr viele Patienten mit einem M. Forestier leiden aber glücklicherweise nicht unter Schmerzen. Bei Ihnen wird die Diagnose oft eher zufällig gestellt, z.B. im Rahmen einer Röntgenuntersuchung der Lunge, bei der ja auch die Brustwirbelsäule auf dem Röntgenbild zu sehen ist.
Ausführlichere Informationen zum M. Forestier:
Bezeichnung, Definition (Klassifikationskriterien), Synonyme
Der M. Forestier (Synonym: Diffuse idiopathische Skeletthyperostose, engl. Forestier´s disease, diffuse idiopathic skeletal hyperostosis) ist eine häufige vorkommende, aber selten diagnostizierte Skeletterkrankung mit noch nicht endgültig geklärter Ursache, bei der es zu einer Verkalkung des vorderen Längsbandes der Wirbelsäule kommt. Weitere Verkalkungen können an den Sehnenansätzen des Achsenskeletts und in der Peripherie auftreten. Diskutiert werden der Einfluss von Stoffwechselerkrankungen, vor allem des Glukosestoffwechsels (Zuckerkrankheit = Diabetes mellitus) und Störungen des Fettstoffwechsels. Neuerdings wurden auch vaskuläre Faktoren (Durchblutung) ins Spiel gebracht.
Häufigkeit und Verteilung (Alters- und Geschlechtsverteilung, Manifestationsgipfel, hauptsächlich Betroffene)
Die Erkrankung tritt im mittleren und höheren Lebensalter auf und betrifft beide Geschlechter etwa gleich häufig mit leichtem Überwiegen bei Männern. Ihr Vorkommen (Prävalenz) wird bei Erwachsenen im Alter über 40 Jahren auf 3.8% bei Männern und 2.6% bei Frauen geschätzt (Mata et al. 1997), in der 6. und 7. Lebensdekade auf 5-15% (Cammisa et al. 1998).
In einer großen italienischen Studie (Scutellari et al. 1992) waren periphere Sehnenansätze im Sinne einer disseminierten idiopathischen Skeletthyperostose (DISH) bei 14,1 % der Patienten betroffen, vorwiegend im 6. und 7. Lebensjahrzehnt. Im Bereich der Wirbelsäule waren vor allem Th 7 bis TH 11 (Brustwirbelkörper 7-11) befallen (93 %), in der Lendenwirbelsäule L1-L3 (1.-3 Lendenwirbelkörper; 81%) und in der Halswirbelsäule die Segmente C5-C/ (5. bis 7. Halswirbelkörper). In der Peripherie waren die am häufigsten betroffenen Regionen das Becken (90%), die Ferse (76%), der Ellenbogen (46%) und das Knie (29%).
Krankheitsursache
Bei Patienten mit M. Forestier und DISH findet man eine deutliche Häufung von Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), und zwar sowohl von manifestem als auch latentem, unterschwelligen Diabetes, des weiteren gehäuft einen pathologischen Glukose-Toleranz-Test (Coaccioli et al. 2000). Außerdem war gehäuft eine Fettstoffwechselstörung nachweisbar (erhöhte Blutfette im Sinne einer Hypertriglyceridämie und erhöhte Cholesterinwerte mit erniedrigten HDL-Werten und erhöhten LDL-Werten.
Patienten mit DISH hatten in der Jugend ein höheres Körpergewicht bzw. einen größeren BMI (body mass index).
Untersuchungen zeigen eine eine erhöhte Zahl von Blutgefäßen in betroffenen Wirbelkörpern, so dass Hinweise auf eine vaskuläre Ursache der Erkrankung bestehen.
Eine seltene, durch Medikamente hervorgerufene Ursache einer diffusen peripheren Enthesiopathie ist eine Behandlung mit dem Aknemittel Isotretinoin (Accutane).
Typische Krankheitszeichen (Symptome und Befunde)
Die Erkrankung ist oft asymptomatisch, d.h. die Röntgenveränderungen werden als Zufallsbefund z.B. bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge entdeckt. Symptomatisch wird die Erkrankung durch Rückenschmerzen, Schmerzen im Bereich der unteren Extremität (in die Beine ausstrahlende / einstrahlende Schmerzen), Symptome wie bei einem „Golfer-Ellenbogen („mediale Epicondylitis“), Sehnenansatzschmerzen im Bereich der Kniescheibe oder Fersenschmerzen oder auch Schluckbeschwerden. Neben den Schmerzen kommt es zu einer Steifigkeit im Rücken und in den Gliedmaßen sowie zu einer Versteifung der Wirbelsäule. Weitere Symptome resultieren aus einer Kompression und Einengung des Rückenmarks („spinale Stenose“) durch die zunehmenden knöchernen Anbauten bei Befall des hinteren Längsbandes und auch Schmerzen in der Folge von kleinen und kleinsten Wirbelkörperbrüchen und auch Verschiebungen (Subluxationen) von Wirbelkörpern.
Die Schmerzen sind oft nur gering ausgeprägt, wenn es durch die knöchernen Anbauten zu einer Versteifung (Ankylose) der Wirbelsäule gekommen ist.
Diagnostisch leitende Befunde
Typisch sind „zuckergussartige“ Verkalkungen des vorderen Wirbelsäulenbandes mit überbrückenden Verknöcherungen der Wirbelsäule über mehrere Wirbelkörper hinweg (4 und mehr aufeinanderfolgende Wirbelkörper) bei erhaltener Höhe des Bandscheibenraums und fehlenden entzündlichen Veränderungen an den Kreuz-Darmbein-Gelenken im Sinne einer Sacroileitis.
Diagnosesicherung, Diagnosekriterien
Die Diagnosestellung erfolgt durch Röntgenaufnahmen und orientiert sich an den sogenannten Resnick-Kriterien.
Wichtigste Differentialdiagnosen
Alle Erkrankungen aus der Gruppe der seronegativen Spondylarthropathien (seronegative Spondarthritiden), insbesondere von solchen, die mit groben Parasyndesmophyten einhergehen können, also vor allem Psoriasisarthritis / Psoriasisspondarthritis, enteropathische Arthritiden bei entzündlichen Darmerkrankungen wie M. Crohn und chronisch verlaufende infektreaktive Arthritiden mit Wirbelsäulenbeteiligung (z.B. „chronisches Reiter-Syndrom“).
Therapie
Es gibt keine therapeutischen Ansätze, die auf eine Verlangsamung der zunehmenden Verkalkungen abzielt. Die Behandlung erfolgt „symptomatisch“, d.h. mit Schmerzmitteln (Analgetika) bei Schmerzen, Entzündungshemmern bei einer aufgelagerten entzündlichen Symptomatik und mit Physikalischer Therapie (vor allem Wärmeanwendungen und Massagen bei begleitenden Muskelverspannungen) sowie mit Krankengymnastik zur Vermeidung von Funktionsbeeinträchtigungen oder zur Rückgewinnung von Funktion bei bereits eingetretenen funktionellen Defiziten.