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Vitamin D - nicht nur ein Knochenvitamin. Editorial vom Oktober 2012

Spannende neue Erkenntnisse gibt es zu Vitamin D. Die Kernbotschaft: Vitamin D ist nicht nur wichtig für den Calcium- und Knochenstoffwechsel und das Knochensystem, sondern hat eine Vielzahl von extraossären Effekten und Funktionen. Unter einer rheumatologisch-immunologischen Perspektive ist seine mögliche Rolle bei der Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie systemischem Lupus erythematodes und rheumatoider Arthritis besonders bedeutsam. Grund genug, Vitamin D zu einem Schwerpunktthema der nächsten Wochen zu machen.

Kategorie: Editorials, Vitamin D, Rheumatoide Arthritis
(Sonntag, 28.10.2012, Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer)

Im September 2009 dachte ich, ich würde alt. Nach einem nicht einmal anstrengenden Tag in der Praxis war ich abends, wie man umgangssprachlich sagt, völlig „platt“, konnte mit auch tagsüber bei der Arbeit nicht richtig konzentrieren und bemerkte, was ich schon fast als bedrohlich empfand, eine erhebliche Beeinträchtigung meiner intellektuellen und kognitiven Leistungsfähigkeit wie Gedächtnisfunktion, Merkfähigkeit und sprachlichem Ausdruck.

Im September 2009 führten wir in unserem Labor die Bestimmung von Knochenstoffwechselparametern ein, unter anderem auch die Messung des Vitamin-D3-Serumspiegels. Als ich meinen eigenen Wert sah, konnte ich ihn kaum glauben: 7 nmol/l und damit der niedrigste Wert, den wir bis dahin gemessen hatten. Schwerster Vitamin-D3-Mangel. Und das, obwohl ich jeden Morgen mit dem Hund gehe und mich am Wochenende auch viel draußen aufhalte. Ich schob es darauf, daß wir in diesem Sommer nicht Urlaub am Meer gemacht hatten und schluckte von nun an täglich 1.000 I.E. Vitamin-D3.

Im November 2009 tagte in Würzburg der Arbeitskreis Ernährungsmedizin der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie. Auf diesem Treffen hörte ich einen Vortrag von Dr. Oswald Ditrich aus Karlsruhe zu Vitamin D, der meine Vorstellungen zu diesem Vitamin-Hormon grundlegend verändern sollte. Die Kernbotschaft: Vitamin-D ist nicht nur ein Knochenvitamin/-hormon, sondern hat eine für mich damals ungeahnte Vielzahl von extraossären Wirkungen, d.h. Effekte außerhalb des Knochenstoffwechsels und des Knochensystems sowie des Calciumstoffwechsels. Als er auf die Bedeutung des Vitamin-D3 für kognitive Funktionen zu sprechen kam, fiel mir schlagartig auf, daß meine Symptome vom September nicht mehr vorhanden waren: Ich fühlte mich nicht mehr alt, sondern wieder wie der alte. Sollte meine Vitamin-D3-Supplementation dafür verantwortlich sein?

Ich begann, mich intensiv für Vitamin-D zu interessieren. Dies führte schließlich dazu, daß ich Ende 2011 Corinna Hermsen, Diplom-Biochemikerin in unserem Labor und wissenschaftliche Mitarbeiterin in unserem RHIO-Forschungsinstitut, damit beauftragte, in einer umfassenden Literaturrecherche alles zusammenzustellen, was an gegenwärtigem Wissen zu Vitamin-D bekannt ist.

Unter einer rheumatologisch-immunologischen Perspektive schienen mir aus dieser Recherche zwei Punkte besonders bedeutsam: Ein Vitamin-D3-Mangel ist in der Bevölkerung viel häufiger als erwartet, und ein Vitamin-D3-Mangel hat möglicherweise einen Einfluß auf die Entstehung von Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose (MS), systemischem Lupus erythematodes (SLE) und rheumatoider Arthritis (RA).

Speziell zur Rheumatologie und Immunologie sind die bisherigen Daten allerdings spärlich und tragen eher hypothetischen Charakter, als daß sie als gesichertes Wissen gelten dürften. Wir beschlossen deshalb, eine eigene Studie zu Vitamin-D3 durchzuführen und gingen im Frühjahr 2012 daran, die in unserem Labor und in unserer Ambulanz erhobenen Daten systematisch auszuwerten.

Im September 2012 wurden auf der 60. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) in Bochum erste Ergebnisse dieser Untersuchung vorgestellt und mit großem Interesse aufgenommen, u.a. fanden sie Erwähnung in einer Pressemitteilung der DGRh. Für rheuma-online habe ich Corinna Hermsen gebeten, auf der Grundlage ihrer Literaturrecherche ein r-o-special zu Vitamin-D3 zu schreiben, das Anfang November mit dem ersten Teil erscheinen wird.  Außerdem wird sie die Ergebnisse der ersten Arbeiten, die auf der DGRh-Tagung vorgestellt wurden, für unsere User zusammenfassen.

Es lohnt sich, diese Beiträge zu verinnerlichen. Ich wage schon jetzt die Vorhersage, daß es für viele vollkommen neu ist, was es derzeit zu Vitamin-D3 an wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt, und daß speziell auch die Ergebnisse unserer eigenen Studien nicht nur bei dem einen oder anderen zu einem Umdenken führen werden, was die Bedeutung von Vitamin-D3 im Zusammenhang mit entzündlich-rheumatischen und immunologischen Erkrankungen angeht.

Viel Spaß bei der Lektüre!

Priv. Doz. Dr. med. H.E. Langer

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